Aus CONTRASTE Nr. 180, Schwerpunktthema Teil 2:
Das Oppenheimer'sche Transformationsgesetz
Vor über hundert Jahren hat Franz Oppenheimer sein Buch "Die Siedlungsgenossenschaft" veröffentlicht, in dem er sein berühmt gewordenes Transformationsgesetz formuliert hat: "Nur äußerst selten gelangt eine Produktionsgenossenschaft zur Blüte. Wenn sie aber zur Blüte gelangt, hört sie auf, eine Produktivgenossenschaft zu sein." Nach diesem Gesetz, das oft als unumstößliches Dogma gilt, unterliegt jeder selbstverwaltete Betrieb einer zwangsläufigen Entwicklung, nach der er in verschiedenen Lebensphasen entweder scheitert oder sich wandelt. Bei zunehmendem Wachstum, bezogen auf die MitarbeiterInnen, den Umsatz und das Eigenkapital (Gewinn), gebe es Gefahren des Scheiterns.
Laut Oppenheimer verläuft die Transformationstendenz im Normalverlauf zunächst von der Jugendform mit ihren idealistischen Ideen, Träumen und Wünschen in die Phase des Kampfes ums Dasein. In dieser Phase scheitern Betriebe häufig aufgrund von Kapital-, Absatz- und Disziplinmangel. In der dritten Phase überlebt das "Passende"; dies sind überschaubare Betriebe in Produktionsbereichen, in denen Arbeitsfertigkeiten nicht maschinell ersetzbar sind (z.B. Kunsthandwerk). Andere Betriebe sind weiterem Zwang zum Wandel unterworfen und in ihrer Altersform entspricht der mehrfach gewandelte Betrieb einer "normalen" Firma. Aktionäre und Lohnabhängige sind akzeptiert, es gibt Zutrittsbarrieren für neue Genossen, die Gewinnmaximierung dominiert und die Gewinnverteilung auf die Arbeit ist abgeschafft. Insbesondere Burghard Flieger hat Einwände gegen diese These gebracht. In seiner Analyse des Oppenheimerschen Transformationsgesetzes weist Flieger auf die zu groben Indikatoren und vor allem den nur formalrechtlichen Charakter der Betrachtung hin. Die soziologische Theorie der Gruppe trage stark deterministische Züge. "Vom Zwang der Anpassung an die Umwelt leitet er (Oppenheimer) ein notwendigerweise einheitliches Verhalten der Gruppenmitglieder ab. Weder einzelnen Personen noch der Gruppe als Ganzes gesteht er eine auf individüllen oder gruppenübergreifenden Motivationen beruhende Handlungsautonomie zu." Nur durch Vernachlässigung der Gruppenstrukturen und ihrer Veränderungen kann er den "uniformierenden Anpassungszwang hin zum kapitalistischen Unternehmen als Gesetz herleiten." Schließlich zeigte Flieger, daß die empirische Bestätigung des Gesetzes anhand von Insolvenzzahlen nur sehr ungenügend geleistet werden kann. Quelle: Heider/Hopck/Seitz, "Kontinuität oder Transformation?, Focus-Verlag, 1997