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Kahlschlag in Amholz

Die norddeutschen Freien Nationalisten haben sich ein neues 
Schulungszentrum auf dem Land gekauft. Die Staatsanwaltschaft war 
auch schon da. 

von andreas speit 

Das rote Backsteingebäude in Amholz liegt gut versteckt. Nur über 
einen holprigen Sandweg ist das von Bäumen und grobem Gestrüpp 
umgebene Gutshaus in der niedersächsischen Gemeinde Teldau zu 
erreichen. Deutsche Schäferhunde kündigen lautstark jeden Besuch in 
dem sechs Häuser zählenden Ort in der Nähe von Boizenburg an. 

Seit kurzem hat die Villa neue Hausherren. Der Hamburger Neonazi- 
Führer Thomas Wulff und der Lüneburger Neonazi Michael Grewe haben 
das Anwesen an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern für angeblich 300 
000 Mark gekauft. Zu einem Zweck: »Man kann sich vorstellen, dass es 
da bald Schulungen geben wird«, glaubt selbst der Hamburger
Verfassungsschutzchef Reinhard Wagner. 

Seit die Polizei im Februar 1998 das Neonazi-Zentrum »Hetendorf Nr. 
13« in der Lüneburger Heide geschlossen und das niedersächsische 
Innenministerium mit der Auflösung der Hetendorfer Trägervereine um 
den Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger das Anwesen beschlagnahmt 
hatte, waren die norddeutschen Kameraden auf der Suche nach einem 
neuen Versammlungsort. 

Über fünfzehn Jahre lang hatte das Gebäude bei Celle der 
rechtsextremen Szene gedient. Neben Sonnenwendfeiern, die von der 
neuheidnischen Artgemeinschaft / Germanische Glaubensgemeinschaft 
wesensgemäßer Lebensgestaltung ausgerichtet wurden, und 
Wehrsportübungen, die die Wiking Jugend bis zu ihrem Verbot anbot, 
fanden dort die »Hetendorfer Tagungswochen« statt - veranstaltet von 
verschiedenen neonazistischen Vereinen wie dem 
Heinrich-Anacker-Kreis. 

Von einem »neuen Hetendorf« möchte Verfassungsschutzchef Wagner aber 
nicht sprechen. Momentan ist die zweistöckige Villa auch noch in eher 
baufälligem Zustand; die Instandsetzung der maroden Bausubstanz dürfe 
kostspielig werden. Nur das Dach haben Wulff und Grewe zusammen mit 
ihren Kameraden selbst gedeckt. Regelmäßig fahren die von Wulff, dem 
Ex-Vorsitzenden der verbotenen Nationalen Liste, geführten Freien 
Nationalisten an den Wochenenden zu dem Anwesen und arbeiten an dem
Haus. 

»Im Sommer hat es bereits die erste Sonnenwendfeier gegeben«, 
berichtet der Pressesprecher des niedersächsischen 
Verfassungsschutzes, Rüdiger Hesse. »Es ziehen immer mehr Personen in 
die Gegend.« Seine Begründung: »Keine Ausländer, keine Antifa - und 
die Gebäude sind recht günstig«. 

Gute Bedingungen für die Rechten: Zurück zur Scholle, heißt es bei 
den Freien Nationalisten, die im Nationalen und Sozialen 
Aktionsbündnis Norddeutschlands zusammengeschlossen sind -und sich um 
Boizenburg herum sammeln. So inseriert Grewe im Hamburger 
Neonazi-Magazin Zentralorgan für seinen FSN-Zentralversand. 
Bestelladresse für die Neonazi-Devotionalien: Boizenburg. Dort wirbt 
auch das Braune Kreuz für Kontakte: Die Erste-Hilfe-Gruppe von 
Cathleen Grewe ging aus dem Skingirl-Freundeskreis Deutschland hervor 
und bietet ihre Hilfe nach eigener Darstellung in dem Hamburger 
Fanzine Hamburger Sturm an. 

Wulff und Grewe kennen sich aus alten Lohbrügger Skinhead-Tagen. 
Anfang der achtziger Jahre machte sich Grewe mit der Herausgabe der 
Skinhead-Zeitschrift Kahlschlag einen Namen und gehört seitdem zu den 
führenden Nazi-Skins der norddeutschen Szene. Zusammen mit seinem 
Bruder Hans betrieb er den Skinhead-Laden »buy or die« in Hamburg. 
Dort veranstalteten die beiden auch Fußballturniere, an denen bis zu
150 Nazi-Skins teilnahmen. Im August 1997 fanden Polizeibeamte bei 
einer Hausdurchsuchung in Grewes Lohbrügger Wohnung eine 
Maschinenpistole, einen Karabiner, zwei Pistolen und über 1 000 
Schuss Munition. 

Vor knapp zwei Jahren zogen die Grewes mit ihrem Geschäft für Skin- 
und Hooligan-Bekleidung nach Lüneburg, wo sie vor ihrem Umzug nach 
Hamburg gelebt hatten. Mittlerweile läuft »buy or die« auf den Namen 
Christian Sternberg, der ein enger Freund der Grewes ist. Mit dem 
Eigentümerwechsel soll das Unternehmen vermutlich polizeilichen 
Maßnahmen entzogen werden. 

Nach dem Umzug übernahm Michael Grewe mit seinem zweiten Bruder Sven 
- dem Chef der Hammerskins Nordmark - die Führung der Neonazis im 
Raum Lüneburg. Beide treten offen als Freie Nationalisten auf - und 
halten die Beziehungen zum Aktionsbündnis Norddeutschland. 

Als das Lüneburger Oberverwaltungsgericht im Dezember letzten Jahres 
das Verbot des NPD-Aufmarsches gegen die Wehrmachtsausstellung in 
Braunschweig bestätigte, waren diese Kontakte hilfreich. Angeführt 
von Wulff und Grewe, überraschten die Freien Nationalisten die 
Polizei und marschierten durch Lüneburg, um vor dem 
Oberverwaltungsgericht ihren Unmut kund zu tun. Erst als die rechten 
Demonstranten eine Polizeisperre durchbrochen hatten, rückte die 
Polizei mit Verstärkung an - und stoppte den Aufmarsch: 71 rechte 
Marschierer kamen in Polizeigewahrsam; zahlreiche Fahnen und Plakate 
wurden sichergestellt. 

Von welchen Gruppen der militanten Neonazis das Schulungszentrum 
künftig genutzt werden wird, weiß der Hamburger Verfassungsschutz 
nicht zu sagen. VS-Chef Wagner: »Da müssen wir noch genau hingucken.« 

Bereits reingeschaut hat die Hamburger Staatsanwaltschaft. Im 
Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen das Zentralorgan der Freien 
Nationalisten wegen Volksverhetzung durchsuchten am 10. Januar 
Polizei und Staatsanwaltschaft das Anwesen. Grund der Ermittlungen 
war der Titel der Nummer 8: »Juden raus«. Die Durchsuchung der Villa 
blieb aber ohne Erfolg. »Es wurde nichts gefunden«, erklärte 
Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger.
Quelle: Jungle World vom 23.02.2000