Wichtige Demotipps aus der Broschüre
der Roten Hilfe: "Was tun wenns brennt!?!"
EA-NR.:
030-6922222
Demo-Einmaleins:
Vorbereitungen, Auf der Demo, Bei Festnahmen
Demo-Einmaleins:
Klar, es gibt riesige Unterschiede zwischen einer Demo und einer Demo.
Oft sagen wir uns, daß bei der Demo sowieso nix passiert und
haben auch noch recht damit. Denoch sollten einige Grundregeln auch auf
einer (z.B.) 1. Mai-Demonstration beherzigt werden, weil auch eine solche
schon Objekt polizeilicher Aktionen geworden ist.
Vorbereitungen:
Versuche, niemals allein zu Demonstrationen gehen zu müssen. Es ist
nicht nur lustiger, mit Menschen unterwegs zu sein, die du kennst und denen
du vertraust, sondern auch nützlich. Zum einen wird es für Zivibullen
und Provokateure des Verfassungsschutzes ungleich schwerer, sich unter
die Demo-TeilnehmerInnen zu mischen. Zum anderen ist es leichter, z.B.
wenn die Bullen an einer Stelle auf Leute einknüppeln, ruhig zu bleiben
und nicht auseinander zu laufen. Profimäßig ist, zusammen zur
Demo hinzugehen, auf der Demo und auf dem Nachhauseweg zusammen zu bleiben,
sich vorher über mögliche Situationen, die eintreten könnten
zu unterhalten, ehrlich zu gucken, wer wann Angst hat (der Macker-Test),
und dementsprechend Absprachen für gemeinsames Verhalten zu treffen.
- No drugs
Sei so fit, wie's halt geht; d.h. frühstücke gut, Shit und jeglicher
Alkohol bleiben zu Hause; sie beeinträchtigen dein Reaktions- und
Wahrnehmungsvermögen. Du gefährdest dich und andere unnötig.
- Gegen die Eitelkeit
Eine Demo ist kein Spaziergang, auch wenn's oft so aussieht. Nicht nur,
daß die Latscherei ganz schön lange dauern kann, nein, manchmal
ist es auch erforderlich, schnell und beweglich zu sein.
Deshalb keine Latschen und Stöckelschuhe, kein Wochenendeinkauf,
kein Fahrrad und kein Bollerwagen.
Klamotten, ausnahmsweise nach praktischen Erwägungen zusammenstellen:
Witterung, Beweglichkeit, Unauffälligkeit und Schutz von besonders
empfänglichen Körperteilen! Keine Schminke, keine Chremes, kein
Labello - da sich beim Tränengaseinsatz das CN/CS in Fetten besonders
anreichert! Tausche deine Kontaktlinsen gegen eine bruchfeste Brille! Sorge
dafür, daß du Medikamente, die du regelmäßig einnehmen
mußt, in ausreichender Menge dabei hast. Es ist nicht gesagt, daß
die Bullen bei Festnahme oder Einkesselung der Demo sich um deine medizinische
Versorgung kümmern.
- Keine Datenbank
Laß Dein Adressbuch, Notizbuch und andere persönliche Aufzeichnungen
zu Hause und nehme lediglich Zettel, Bleistift und gültigen Personalausweis
mit. Eine Demo ist ein schöner Anlaß, mal die Taschen nach Müll
zu durchsuchen (und vielleicht endlich das Piece oder den Zehner wieder
zu finden). Nehme lediglich (leeren) Zettel, Bleistift und gültigen
Personalausweis mit. Muß der ganze andere Kram wirklich mit auf die
Demo?
Auf der Demo:
Mensch weiß nie, was kommt. Deshalb bleib bei den Leuten, die du
kennst. Es kann auch nie schaden, sich unterzuhaken und in Ketten zu gehen.
Nicht nur, daß die Stimmung gleich viel besser wird und sich Sprechchöre
viel besser koordinieren lassen, nein, sollten die Ordnungswüter,
Zivile oder andere Wildgewordene in den Demo-Zug einzudringen versuchen,
bieten die Ketten einen verläßlichen Schutz. Deshalb achte darauf,
daß zwischen den Ketten keine Lücken entstehen, und fordere
Leute, die zwischen den Ketten rumlaufen, auf, sich einzureihen oder woanders
zu gehen.
- Ermittlungsausschuß
Bei vielen Demonstrationen wird von den VeranstalterInnen ein Ermittlungsausschuß
(EA) eingerichtet, in einigen Städten gibt es auch feste EA-Gruppen.
Dieser ist während und nach der Demo telephonisch zu erreichen, seine
Nr. wird entweder über Lautsprecherdurchsagen oder per Handzettel
bekannt gegeben. Hier werden die Namen von Verletzten und Verhafteten gesammelt
und sich um AnwältInnen für letztere bemüht. Wenn jemand
nach seiner Verhaftung wieder freigelassen wird, meldet er sich beim EA
und liefert dort auch ein Gedächtnisprotokoll über seine/ihre
Verhaftung ab. Auch Zeugen von Polizeiübergriffen/Festnahmen melden
sich dort, damit sie ggf. bei Ermittlungsverfahren von den Betroffenen
und deren AnwältInnen erreichbar sind.
- bei Übergriffen
Nicht in Panik geraten. Tief Luft holen, stehen bleiben und auch die anderen
dazu auffordern. Spätestens jetzt heißt es, schnell Ketten zu
bilden und wenn's gar nicht anders geht, sich langsam und geschlossen zurückzuziehen.
Oftmals können Übergriffe der Freunde und Helfer allein durch
das geordnete Kettenbilden und Stehenbleiben abgewehrt, das Spalten der
Demo, Festnahmen und das Liegenbleiben von Verletzten verhindert werden.
- bei Verletzungen
Bist du oder jemand in deiner Umgebung verletzt worden, wende dich an die
gekennzeichneten Demo-SanitäterInnen (so welche da sind, wird zumeist
am Beginn der Demonstration auf diese erfreuliche Tatsache hingewiesen).
Sind keine Demo-Sanis auffindbar, organisiere mit Freunden und Freundinnen
den Abtransport von Verletzten. Wenn ihr ein Krankenhaus aufsuchen wollt/müßt,
versucht eins zu erwischen, das etwas entfernt ist und mit der Demo nicht
in Verbindung gebracht wird. Bei der Aufnahme kannst du ruhig erzählen,
wie's war, als du nämlich auf der Bananenschale ausrutschtest und
die Kellertreppen runterfielst ... Schon öfters haben Krankenhäuser
die Namen von verletzten Demonstranten an die Cops weitergegeben, das führte
zu 'ner Menge zusätzlicher Scherereien.
- nach der Demo
Schlau ist, sich nicht alleine auf den Nachhauseweg zu machen. Auch am
Ende oder nach der Demo versucht die Polizei oft einzelne festzunehmen.
Deshalb geschlossen weg gehen und darauf achten, ob Mensch verfolgt wird.
Falls es auf der Demo Zoff gab, melde dich bei Freundinnen und Freunden
zurück, die wußten, daß du auf der Demo warst, damit du
nicht als vermißt giltst!
Wenn du Zeuge oder Betroffene von Polizeiübergriffen, Festnahmen
u.ä. wurdest, fertige ein Gedächtnisprotokoll an und melde dich
beim EA. Ins Gedächtnisprotokoll sollten rein:
-
Ort und Zeit der Festnahme, bzw. anderer polizeilicher Maßnahmen
wie Abräumen, Wasserwerfereinsatz, Knüppelorgie etc.
-
Name der/des Verhafteten/Verletzten, Zeugen (sonst Personenbeschreibung)
-
Was passiert ist.
-
Merke dir die Anzahl der Bullen und wie sie ausgesehen haben ("Oberlippenbart"
reicht meistens zur Identifizierung nicht aus).
Bei Festnahmen:
Wirst du selbst festgenommen, mache auf dich aufmerksam (Fluchen!) und
rufe deinen Namen, damit sich die Umstehenden diesen merken (ach dafür,
Zettel und Bleistift!) und an den Ermittlungsausschuß (EA) weitergeben
können. Wieder zu Hause notiere dir die Umstände der Festnahme,
ggf. Zeugen, am besten ein richtiges Gedächtnisprotokoll. Dieses sollte
der Ermittlungsausschuß bekommen, so es einen gibt, andernfalls erstmal
aufbewahren. Oftmals erfahren die Betroffenen erst Monate später davon,
daß ein Ermittlungsverfahren gegen sie läuft, dann ist so ein
Protokoll Gold wert.
- beim Abtransport
Auf der Fahrt zu Gefangenensammelplätzen oder Revieren sprich ggf.
mit den anderen Festgenommenen über eure Rechte, aber mit keinem Wort
über das, was ihr oder du gemacht habt/hast. Das wäre nun wirklich
nicht das erste Mal, wenn da ein Spitzel unter euch ist, auch wenn du ein
gutes Gefühl zu allen hast.
Achte auf andere und zeige dich verantwortlich, wenn sie mit der Situation
(Festnahme und so) noch schlechter klar kommen als du, das beruhigt auch
dich, redet darüber, daß es Sinn macht, von jetzt ab konsequent
die Schnauze zu halten. Tausche mit deinen Mitgefangenen Namen und Adressen
aus, damit die/der zuerst Freigelassene den Ermittlungsausschuß informieren
kann.
- auf der Wache
Bei der Identitätsfeststellung bist du nur verpflichtet, Angaben zu
deiner Person zu machen, d.h.: Name, Adresse, Geburtsdatum und ungefähre
Berufsangabe (Arbeiterin, Angestellter, Studentin, Erwerbsloser). Kein
Wort mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma, Wetter, einfach:
Gar nix!
Keine Angaben zur Sache. Falle nicht auf Psychokisten rein, weder auf
die guten Onkels und Tanten, die ja volles Verständnis für dein
Anliegen haben, noch auf die Brutalo-Bullen, die dir gleich die Fresse
polieren wollen. Behalte die Übersicht und deinen Kopf unter Kontrolle.
All die feinen taktischen Schachzüge, die dir durch den Kopf gehen,
wie du die Bullen reinlegen oder dich aus dem Schlamassel bringen könntest,
vergiß sie! Jede Situation ist günstiger, um sich was Schlaues
zu überlegen, als die, wenn du bei den Bullen sitzt, und alles - wirklich
alles - ist auch nach Absprache mit deinen GenossInnen und dem/der AnwältIn
möglich, auch wenn die Bullen dir erzählen, daß es zu deinem
Vorteil gereiche, wenn du ihnen gegenüber Aussagen machen würdest.
Wenn du meinst, dir würden Sachen vorgehalten, mit denen du gar
nix zu tun hast - halt bitte trotzdem die Klappe. Denn was dich entlastet,
kann jemand anderen belasten, wenn von zwei Verdächtigen einer ein
Alibi hat, bleibt immer noch einer über! Wenn du meinst, du steckst
schon so tief im Schlamassel, daß du lieber alles zugeben willst,
damit du nicht so hart verknackt wirst, shut up your mouth! Erst nachdem
dein(e) AnwältIn Akteneinsicht hatte und ihr euch beraten habt, läßt
sich eine gute Strategie festlegen. Wenn du erstmal gequatscht hast, nützt
dir auch der/die beste AnwältIn kaum noch was. Außerdem reißt
du womöglich unbeabsichtigt andere Leute mit rein. Und ein Argument
für ganz Störrische: Ein Geständnis vorm Richtertisch zahlt
sich immer mehr aus als bei den Bullen, wenn's denn schon sein muß!
Nach der Festnahme hast du das Recht, zwei Telephongespräche zu
führen. Nehme also 2 mal abgezählte 12 Pf. mit. 50 Pf. können
die Bullen leider nicht wechseln und annehmen dürfen sie leider auch
nicht, weil das ist dann Beamtenbestechung ...
Wenn PolizistInnen dir dieses Recht verweigern, nerv' sie, besteh' darauf
und droh' mit einer Anzeige. Bei Verletzungen einen Arzt verlangen, der
ein Attest anfertigt. Nach der Freilassung einen weiteren Arzt aufsuchen,
der ebenfalls Verletzungen attestiert.
Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen.
Bei ED- (erkennungsdienstlicher) Behandlung (Fotos/Fingerabdrücke)
lege sofort Widerspruch ein und lasse diesen protokollieren.
Wie lange mußt du brummen?
- zur Identitätsfeststellung
Wenn du Tor keinen Ausweis dabei hast, höchstens zwölf Stunden.
- als Zeuge zur Vernehmung
Sofort nach der Identitätsfeststellung und der verweigerten Aussage
(auch als Zeuge bei den Bullen dein gutes Recht!) mußt du entlassen
werden.
- als Verdächtiger einer Tat
Nach 48 Stunden, besser, bis Mitternacht des darauffolgenden Tages mußt
du entweder freigelassen worden sein oder einem Haftrichter vorgeführt
werden.
- beim Haftrichter
Auch hier nur Angaben zur Person machen. Falls noch nicht geschehen, unbedingt
weiterhin Kontaktaufnahme zu deinem/r AnwältIn oder deinen FreundInnen
fordern. Wird Haftbefehl erlassen, laß die Beauftragung deines/r
AnwältIn bzw. die Benachrichtigung von namentlich genannten anderen
Personen protokollieren.
Laß dich nicht hängen und halte durch: "Wenn der Richter
gestanden hat, holen wir dich raus!"; "In Rußland haben sie die Revolution
auch nicht an einem Tag gemacht!"; "Mühsam nährt sich das Eichhörnchen!";
"Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter!" Solche und ähnliche
Durchhalteparolen versüßen den Knastaufenthalt zwar auch nicht
entscheidend, aber was willst du machen ...
Wenn du wieder draußen bist
Melde dich unbedingt beim EA wieder an und bei deinem/r AnwältIn und
dann kannst du dich hoffentlich verwöhnen lassen und relaxen. Nimmst
du diese Verhaltensregeln in Kopf und Bauch auf, bist du gut gerüstet,
um gegen die Staatswillkür die Nerven zu behalten.
Bei Hausdurchsuchungen, Ermittlungsverfahren, Vorladungen, Strafbefehlen,
Prozessen
Bei Hausduchsuchungen
Nicht ungewöhnlich ist, daß bei Festgenommenen Hausdurchsuchungen
stattfinden, deshalb einige Grundregeln:
-
Von "brisanten" Flugblättern, Zeitungen, Papieren (wie z.B. "radikal",
Gesammelte Werke von RAF oder RZ) soll grundsätzlich nur ein Exemplar
in der Wohnung sein.
-
Nach Möglichkeit keine Adressensammlungen anlegen, es gibt ja Telephonbücher.
-
Termine nicht in Jahreskalender eintragen, sondern Abrißkalender
benutzen und erfolgte Termine vernichten.
-
Vor größeren Ereignissen (z.B. Revolutionen) Wohnung aufräumen.
Für die Hausdurchsuchung ist eigentlich ein richterlicher Durchsuchungsbefehl
erforderlich. Ausnahme: bei Gefahr in Verzug, was meistens von den Bullen
behauptet wird. Wenn möglich, solltest du versuchen, bevor die Polizei
hereinkommt, jemanden (Nachbarn, Bekannte, Anwältin) anzurufen, kurz
sagen, was los ist und den Hörer nicht auflegen, damit am anderen
Ende wenigstens ungefähr mitzubekommen ist, was abläuft.
Nach dem Grund der Durchsuchung fragen, dieser muß nach §
106 II StPO vor deren Beginn bekannt gegeben werden. Namen und Dienstnummern
der BeamtInnen erfragen und hartnäckig Beschwerde einlegen. Verlange,
daß ein Raum nach dem anderen durchsucht wird, da du das Recht hast,
bei der Durchsuchung dabei zu sein (§ 106 I StPO). Versuche die Durchsuchung
solange hinauszuzögern, bis Zeugen eingetroffen sind.
Nach der Durchsuchung ein Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände
anfertigen lassen. Wenn nichts beschlagnahmt wurde, laß dir das bescheinigen.
Außerdem schriftliche Mitteilung über den Grund der Durchsuchung
verlangen. Auf beides hast du Anspruch, der allerdings verfällt, wenn
er nicht geäußert wird (§ 107 StPO). Auf keine Fall irgendwas
selbst unterschreiben, da nicht auszuschließen ist, daß die
Polizei später noch etwas hinzufügt.
Ermittlungsverfahren, Vorladungen, Strafbefehle, Prozesse
Wochen oder Monate nachdem du dich an irgendeiner Aktion/Demo beteiligt
hast, bekommst du Post von den Bullen oder der Staatsanwaltschaft, manchmal
rufen sie auch an. Egal ob du Zeuge oder Beschuldigte in ihrem Spielchen
sein sollst, jetzt wird es Zeit, sich mit dem Ermittlungsausschuß,
wenn das 'ne feste Gruppe ist, einer Bunten Hilfe oder uns, der Roten Hilfe,
in Verbindung zu setzen. Gemeinsam können wir überlegen, was
zu tun ist, ob bzw. welche(r) AnwältIn eingeschaltet werden soll,
wie wir darauf politisch antworten. Auch hier gilt immer noch: keine Aussage!
Zu den Bullen brauchst du eh nicht hingehen, bei der Staatsanwaltschaft
mußt du zumindest erscheinen und Angaben zur Person machen. Der Rest
muß im Einzelfall entschieden werden. Das, was sie wollen, dich alleine
herausgreifen und einschüchtern, funktioniert nur solange, wie du
ihr Spiel mitspielst. Wenn wir uns gemeinsam wehren, funktioniert ihre
Vereinzelungsstrategie schon lange nicht mehr, kann der Charakter eines
Prozesses, dessen Sinn es ist, zu entsolidarisieren, umgekehrt werden.
zurück