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Sprache im Faschismus
Über die Auseinandersetzung
mit Faschismus und unserem Bestreben den Faschismusbegriff für uns
klarer zu definieren, haben wir uns mit der Sprache im Faschismus auseinandergesetzt.
Hierzu im folgenden ein Text von einer von uns. Viele der Sprachmerkmale
des deutschen Faschismus finden sich auch heute noch in der Sprache wieder.
Über das Sprachmerkmal Superlative haben wir intensiv diskutiert,
da unsere heutige Sprache davon sehr geprägt wird, welches auch dem
heutigen Zeitgeist (alles effektiver, schneller und besser machen) entspricht.
Der folgende Text enthält Gedanken/Passagen zur Sprache im deutschen
Faschismus (1933-1945). Ich beziehe mich dabei hauptsächlich auf die
Bücher 'LTI' von Victor Klemperer und 'Sprache im Faschismus' hrsg.
von Konrad Ehlich. Unter Faschismus verstehe ich ein System, das auf einer
Massenideologie beruht. Sie bedarf der Massen und ihrer Zustimmung, d.h.
der Massenpartizipation. Dies unterscheidet den Faschismus für mich
von einer Militärdiktatur, mit der er ansonsten die offene politische
Gewalt als bestimmendes Kennzeichen gemein hat. Faschismus ist jedoch komplexer.
Der deutsche Faschismus zeigte eine Dialektik von Bemühen um die Unterstützung
durch die Bevölkerung und ihre Unterdrückung. Im F. wurden verschiedene
Theorien und Ideologien funktionalisiert, diese Diversifikation war eines
seiner zentralen Merkmale. Die faschistische Ideologie war nicht konstant.
Alte Ideologemen (Teil- aussagen einer Ideologie) wurden bei Bedarf abgestoßen
und durch neue ersetzt. Dies geschah im Nationalsozialismus oft nach tagespolitischen
Gesichtspunkten. Ein Beispiel: Dem Sänger Jan Kiepura wurde ein Konzert
in Berlin verboten, da er der Jude Kiepura war. In einem Fim des Hugenbergkonzerns
wurde er zum 'berühmten Tenor der Mailänder Scala' und als er
in Prag bei einem deutsch gesungenen Lied ausgepfiffen wurde, war er der'deutsche
Sänger Kiepura'. Im Faschismus ist der Kampf um die Massen ein Kampf
um die Köpfe. Die Massen als handelnde Subjekte waren das Ziel der
politischen Propaganda des Faschismus, und um möglichst viele verschiedene
Menschen anzusprechen, stellte sich der Faschismus möglichst vielseitig
dar. Im Kampf um die Massen brauchte der Faschismus viele ideologische
Beiträge und BeiträgerInnen, um für möglichst viele
gesell- schaftliche Bedürfnisse attraktiv zu sein und viele verschiedene
Gruppen anzuwerben. Dabei konnte allerdings nicht alles, und vor allem
nicht gleichwertig, in die Ideologie eingehen, wodurch sich sog. 'Zentren
der Ideologieformation' und darauf bezogene Peripherien ergaben. In diesem
"Zentrum [stand] ohne Zweifel die Praxis der politischen Gewalt um jeden
Preis zur Durch- setzung der eigenen Ziele. Daraus ergibt sich unmittelbar
die ideologische Notwendigkeit, alle Konzepte außer Kraft zu setzen,
die der Exekutierung dieser Praxis sich mental und das Handeln bestimmend
entgegensetzten."(vgl. Ehlich, 1989, S.12ff; Wittrock, 1981, S.4; Klemperer,
1993, S.263f u. S.37) Die Wiederholung des deutschen Faschismus in der
gewesenen Form wird als unwahrscheinlich angesehen, zumal seine Erscheinung
so außergewöhnlich war, doch bleibt eine Wiederholung (in anderen
Formen) solange möglich, wie die Bedingungen für seine Nützlichkeit
weiterbestehen. Deshalb sehe ich es als notwendig an, seine Wirkungsweisen
zu analysieren. Die Sprache ist für mich wie ein Spiegel der Gesellschaft
und ist ein wichtiges Element, das es zu analysieren bedarf, auch um selbst
einen reflektierteren Umgang mit Sprache zu finden. Sprachliches Handeln
und Sprache sind und waren für die Propagierung und Durchsetzung von
Ideologien von herausragender Bedeutung. Im sprachlichen Handeln spiegeln
sich die gesellschaftlichen Veränderungen wieder, die sich mit dem
Faschismus und durch ihn herausgebildet haben. Sprachliches Handeln im
Faschismus läßt sich über verschiedene Ebenen betrachten:
-die, die sprachlich handelten -die, die sich am Pathos der Rede berauschten
-die, die schwiegen (nicht untereinander kommunizierten), bzw. die, die
schweigen mußten -die, die Widerstand leisteten (sprachlich über
Flüstern, Flugblätter, Parolen, illegale Presse, Graffiti)(vgl.
Ehlich, 1989, S.26 u. 30) -die, die Sprache in ihren Alltag übernahmen
Der deutsche Faschismus war eine Massenbewegung. Wie konnte es dazu kommen,
und welche Rolle spielte die Sprache dabei? Der deutsche Faschismus baute
auf Massenpartizipation auf, daraus folgt, daß faschistische Propaganda
auf Massenkommunikation aufbaute. Es wurden Masseninszenierungen im Aura
der Festlichkeit veranstaltet. Bei diesen Masseninszenierungen wurde dem
Hören ein zentraler Stellenwert beigemessen, wobei der Anschein der
Massenpartizipation gewahrt bleiben sollte, d.h. sie wurden so organisiert,
daß die AdressatInnen nicht stumm blieben. Dieses Beteiligen seitens
der ZuhörerInnen blieb dabei auf verbale Akklamation (Zustimmung/Beifall)
beschränkt, führte aber dazu, daß die beifallsspendenden
ZuhörerInnen das Gefühl hatten, das Geschehen aktiv mitzugestalten.
Diese Aktivität war von vornherein streng restriktiert und inhaltslos.
Diese Art der Partizipation, bei der reale Partizipation gleichzeitig ausgeschlossen
wurde, war eines der zentralen Mittel, mit denen die Faschisten im Kampf
um die Köpfe ihre Erfolge errangen, und sie vor allem absicherten.
Nach Hitlers Anweisungen an die Propagandisten sollten die AdressatInnen
nicht zum kritischen Denken angeregt werden, alles sollte simplizistisch
behandelt werden: "Wenn du von mehreren Gegnern sprichst, so könnte
mancher auf die Idee verfallen, daß du, der einzelne, vielleicht
im Unrecht seist - bringe die vielen auf einen Nenner, klammere sie zusammen,
gib ihnen eine Gemeinsamkeit! Alles das besorgt anschaulich und volksnah
der Jude. Wobei auf den personifizierenden und allegorisierenden Singular
zu achten ist."(vgl. Ehlich, 1989, S.20f; vgl. u. zit. n. Klemperer, 1993,
S.187) So sollten die ZuhörerInnen auf der einen Seite das Gefühl
haben, an dem Geschehen teilzuhaben, andererseits 'dumm' gehalten werden,
z.B. durch Vorgeben eines gemeinsamen Feindbilds. Kritisches Denken sollte
mit allen Mitteln vermieden werden. Um das Gefühl der Partizipation
bei gleichzeitigem 'Dummhalten' zu erreichen, wurden die Massenveranstaltungen
in Form pseudoreligiöser Feste durchgeführt. Um kritisches Denken
zu unterbinden wurde zur Denunziation aufgerufen und bei Zuwiderhanden
gegen das auferlegte Denkverbot (welches sich im Verbot oppositioneller
Druckschriften und Initiativen äußerte) mit der Todesstrafe
gedroht. -Pseudoreligiösität: Alle Veranstaltungen und Reden
der Nazis wurden mit Zeremonien untermalt. Auch Ankündigungen hatten
einen religiösen Klang: "Feierstunde von 13-14 Uhr. In der dreizehnten
Stunde kommt Adolf Hitler zu den Arbeitern."(zit.n. Klemperer, 1993, S.45)
Diese Redewendung assoziierte Hitler als den Erlöser, der zu den Menschen
kommt, und ist die Sprache des Evangeliums. Auch wenn das Christentum selbst
von den Nazis abgelehnt wurde, übernahmen sie dessen Sprache. Die
ersten Gefallenen wurden kultisch und sprachlich wie christliche Märtyrer
behandelt, und auch das christlich geprägte Wort 'ewig' wurde im Faschismus
sehr häufig angewendet. Die bei der Feldherrnhalle Gefallenen nannte
Hitler "meine Apostel, (...) ihr seid auferstanden im Dritten Reich" In
fast jeder Rede benutzte Hitler das Wort 'Vorsehung': "Die Vorsehung führt
uns, wir handeln nach dem Willen des Allmächtigen."(zit.n. Klemperer,1993,
S.119) Die Pseudoreligiösität des Faschismus manifestierte sich
somit zum einen in den christlichen Redewen- dungen und zum anderen in
den predigtartigen Ansprachen sowie dem altarmäßigem Aufbaus
des Redepults. Mehr noch als Hitler selbst, trugen seine UnterstützerInnen
zu dieser Religiösität bei, indem sie Hitler zum Gott erkoren.
So wurde sein Geburtsort zum Wallfahrtsort der deutschen Jugend und Goebbels
drückte die Vergottung Hitlers am 20.4.41. so aus: "Wir brauchen nicht
zu wissen, was der Führer tun will - wir glauben an ihn." Hitlers
Buch "Mein Kampf" galt als die Bibel des Nationalsozialismus.(vgl. u. zit.n.
Klemperer, 1993, S,121ff) -Das Volk glaubte an den Führer Wie kam
es zu diesem Glauben an den Führer? Auf der einen Seite trugen die
eben geschilderten religiösen Elemente des Nationalsozialismus, die
an das Gefühlsmäßige, an das Irrationale appelierten, dazu
bei. Auf der anderen Seite äußerten die Nazis viele Versprechen,
von denen einige erfüllt wurden (z.B. Rückgang der Arbeitslosigkeit,
wobei es für die Glaubwürdigkeit unerheblich war, wie oder warum
diese Versprechen erfüllt werden konnten). Viele Ver- sprechen der
Nazis waren so zeitüberspannt und komplex, daß sie und damit
ihre Erfüllung nicht nach- vollziehbar waren, dadurch, daß kleinere
Versprechen eingelöst wurden, wurde die Regierung glaub- würdig.
Um die Versprechen einlösen zu können, bzw. um weiter regieren
zu können, brauchten die Nazis die Unterstützung durch die Bevölkerung.
Besonders im ökonomischen Sektor waren es Befehle, die die Voraussetzungen
für die Realisierung der Versprechen ausmachten. (Befehle dulden keine
Widerrede und sind somit eine verordnete Sprachlosigkeit. Der Befehl als
verbale Gewalt eliminiert die HörerInnenent- scheidung, benötigt
aber auch diese HörerInnen zur Ausführung). Der Befehl war ein
beliebtes Stilmittel der Nazis. Um zu vermeiden, daß Befehle verweigert
wurden, wurde mit Strafe gedroht (bzw. ausgeführt) und zur Denunziation
aufgerufen. Die BürgerInnen wurden zur Denunziation angehalten, dadurch
konnte sprachli- ches Handeln zur Lebensbedrohung werden. Aus Selbstschutzgründen
paßten viele ihr sprachliches Handeln dem Erwünschten an. Victor
Klemperer bezeichnete die Sprache im Faschismus als langsam wirkendes Gift,
das fast alle Menschen im Dritten Reich vergiftete. Dies geschah u.a. "über
die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er (der Nazismus)
in millionenfachen Wiederholungen aufzwang und die mechanisch und unbewußt
übernommen wurden." Er schreibt weiterhin: "Sprache dichtet und denkt
nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein
ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter
ich mich ihr überlasse."(Klemperer, 1993, S.21) So entstanden auch
von NS-Kritikern Aussagen wie: Juden und Deutsche; ist ihre Frau Deutsche
(ungläubige Frage an einen Juden);der jüdische Krieg; Aussagen
über Sippe. Vgl. dazu heute: Schwulitäten, Negerküsse, getürkt,
Asylanten. So übernahmen auch die GegnerInnen und Opfer des Faschismus
diese Sprache, die die Sprache durch Wortwerte und Worthäufigkeiten
veränderte und kaum eigene Begriffe schuf. Neue Begriffe wurden im
Nationalsozialismus hauptsächlich durch Wortkombinationen mit den
Worten 'Reich' und 'Volk' geschaffen. Davon waren viele Worte funktional
bedingt, dadurch daß diese Institutionen geschaffen wurden, so z.B.
Reichsautobahn, Reichsgau... Durch Wortschaffungen mit dem Wort 'Volk'
wurde sentimentalisiert: Volksfest, Volksgenosse, Volksgemeinschaft, Volkskanzler...(vgl.
Klemperer, 1993, S.37; vgl. Sauer, in Ehlich 1989, S.110) Viele Worte erhielten
im Nationalsozialismus neue Bedeutungen, bzw. Wertungen: -einzelne Worte
wurden überstrapaziert, so z.B. 'historisch', welches als Beschreibung
für jeden Feiertag, jede Führerrede etc. herhalten mußte.
-einzelne Sprachelemente versächlichten das Geschehen, wodurch dieses
harmloser klang: Menschen wurden liquidiert, bzw. niedergemacht; 16 Stück
Gefangene wurden gemacht... -viele Worte verharmlosten den Sinn: Wehrsport
(Wehrpflicht war verboten, Wehrsport war Pflicht für sog. arische
Studenten); freiwillige Winterhilfe statt Zwangssteuer; sichergestellt
statt beschlagnahmt; holen statt unauffällig fortschaffen oder einsperren;
desinfizieren klingt sauberer als ermorden; eine Gruppe der Endlösung
zuführen klingt mehr nach Fußballspielen als nach Ermorden.
-wertende Begriffe wurden von Gegenständen auf den Menschen bezogen:
wertvoll, minderwertig... -das Leben wurde mechanisiert: aufziehen, gleichschalten,
zu vollen Touren auflaufen, spurt schon wieder -religiöse Sprachelemente
wurden verstärkt benutzt: ewig, Vorsehung...(vgl. Klemperer, 1993,
S.36, S.41, S.51ff, S.159f, S.164, S.199) Die abstumpfende, alltägliche
Wirkung der Geschehen wurden durch ebensolche Worte noch verstärkt.
-Armut und Einheitlichkeit der Sprache. Obwohl der nationalsozialistische
Faschismus sehr komplex war, war seine Sprache arm. Denn sie orientierte
sich an dem immer gleichen Vorbild. So wurde die freitägliche Goebbelsrede
zum Maßstab dessen, was in der folgenden Wochen in der Zeitung zu
stehen hatte. Alle Schriften und Publikationen mußten NS-treu sein,
sonst wurden sie verboten oder zerstört. Aber auch aus seinen Lebensäußerungen
und Hinterlassenschaften sprach eine schreckliche Einheitlichkeit: "Aus
der maßlosen Prahlerei seiner Prunkbauten und aus ihren Trümmern,
aus dem Typ der Soldaten, der SA- und SS-Männer, die er als Idealgestalten
auf immer andern und immer gleichen Plakaten fixierte, aus seinen Autobahnen
uns Massengräbern."(Klemperer, 1993, S.16 u. S.28) Diese Einheitlichkeit
war die des Großen, Starken und Mächtigen. -Die Sprache im Faschismus
diente der Beschwörung der Menschen. Ob diese gesprochene oder geschriebene
Sprache war, alles in ihr war Anrede, Aufruf, Aufpeitschung. Die Reden
und Schriften des Propagandaministers waren identisch, waren stilistisch
dazu geeignet herausgeschrien zu werden. Auch Hitler Reden waren mehr krampfhaftes
Schreien als sachliches Reden(vgl. Klemperer, 1993, S.29 u. S.59). Mit
den Reden der Nazis sollte nicht an den Verstand appelliert werden, "sondern
der Redner will den Hörer an einen ganz bestimmten Punkt bringen,
aber ohne daß dieser rational überzeugt wird, geistig mitgeht;
der Hörer soll zum Glauben gebracht werden. Die Rede nimmt beschwörende
Form an, sodaß eventuelle Kritik und Ablehnung des Hörers durch
den eindringlichen Schwall der Worte überrannt werden."(Minnerup in
Ehlich, 1989, S.234) -Abkürzungen: "Kein vorhergesehener Sprachstil
macht einen so exorbianten Gebrauch von dieser Form wie das Hitlerdeutsch.
Das moderne Kurzwort stellt sich überall dort ein, wo technisiert
und wo organisiert wird. Und seinem Anspruch auf Totalität gemäß
technisiert und organisiert der Nazismus eben alles."(Kemperer, 1993, S.100)
Durch die Masse der Abkürzungen wird die Technisierung und Organisierung
einer Sprache und damit eines Systems repräsentiert und Organisation
bedeutet Kontrolle. -Fanatismus: "...da der Nationalsozialismus auf Fanatismus
gegründet ist und mit allen Mittteln die Erziehung zum Fanatismus
betreibt, ist 'fanatisch' während der gesamten Éra des Dritten
Reichs ein superlativisch anerkennendes Beiwort gewesen. Es bedeutet die
Übersteigerung der Begriffe tapfer, hingebungsvoll, beharrlich, genauer:
eine glorios verschmelzende Gesamtaussage all dieser Tugenden, und selbst
der leiseste pejorative (abwertende) Nebensinn fiel im üblichen LTI-Gebrauch
des Wortes fort."(Klemperer, 1993, S.65) 'Fanatisch' fand in fast allen
Treuegelöbnissen an den Führer Eingang. 'Fanatisch' ist eine
Superlative. Superlativen waren ein häufiges Stilmittel der Nazis.
Entgegen der sonst üblichen, nüchternen Kriegsberichterstattung,
setzten die Bulletins der Nazis gleich "superlativisch ein und steigerten
sich dann, je mißlicher die Lage wird, ins so buchstäblich Maßlose,
daß sie das Grundwesen der Militärsprache, die disziplinierte
Exaktheit, in das genaue Gegenteil verkehren, ins Phantastische, ins Märchenhafte."(Klemperer,
1993, S.230) Das häufige Benutzen von Worten wie 'unvorstellbar',
'zahllos', 'total' als Zahlemhöchstwert; Redewendungen wie: 'wir können
den Krieg noch dreißig Jahre führen' und die vielfache Verwendung
der Zahl '1000' (tausendjährige Reich), als auch des Wortes 'ewig'
als religiöse Aufhebung der Dauer und letztendlich das Wort einmalig
als Umkehrung zeugen von diesem Größenwahn. "..der Superlativ
ist das nächstliegende Wirkungsmittel des Redners und Agitators, er
ist die Reklameform schlechthin. Deshalb hat ihn auch die NSDAP unter Ausschaltung
aller Konkurrenz im Verfügungswege sich allein vorbehalten." So war
Geschäften der Gebrauch des Superlatives durch ein Rundschreiben verboten
worden: z.B. statt geschulteste Fachkräfte durfte geschulte Fachkräfte
geschrieben werden. Auch das Präfix 'Welt' zeugt von diesem Superlativ:
"Die Welt hört auf den Führer". Aber auch durch bloßes
Aufzählen der Länder, die angeblich alle zuhörten, wurde
dieser Effekt geschaffen.(vgl. Klemperer, 1993, S.230ff) Hitler benutzte
in seinen Reden viele Sekundär-Attribute, die der Maximierung/Intensivierung
dienten. Statt 'sehr', 'besonders' benutze er 'unerhört', 'einzigartig',
'einmalig', 'tausend-/millionenfach'. Seine Rhetorik wollte bewußt
nicht informieren, sondern überwältigen. Modifikationen wurden
nicht benutzt und nicht steigerungsfähige Gradative (einmalig, einzig,
riesig...) weiter gesteigert, bzw. Steigerungen durch Komparative erzeugt:
"Noch gigantischer als..." Auch die ständige Lautstärke half,
das amorphe Massenpublikum in einen Rauschzustand zu versetzen.(Volmert
in Ehlich, 1989, S.143ff) -Vielfach verwendeten die Nazis auch Schleierworte,
besonders ausgeprägt in den Kriegsjahren. Aus 'Niederlage' wurde 'Rückschlag';
den Gegnern gelangen allenfalls 'Einbrüche' statt 'Durchbrüche'
und statt zu fliehen wurde sich vom Feind abgesetzt. Nicht zu leugnende
Schwierigkeiten wurden zu Engpässen, später zu Krisen, aus denen
sich freigekämpft (d.h.geflohen) wurde.(Klemperer, 1993, S.241f) "Denn
überall führt anhaltendes Übertreiben zwangsläufig
zu immer weiteren Formen des Übertreibens, und die Abstumpfung und
die Skepsis und die schließliche Ungläubigkeit können nicht
ausbleiben."(Klemperer, 1993, S.235) Durch den inflationären Gebrauch
der Worte kommt es zu einem Entwertungsprozess. Aus der Analyse des Dudens
im Nationalsozialismus ergab sich, daß "das Hauptgewicht der nationalsozialistischen
Sprachbeeinflussung (...) auf der neuen Sinngebung oft alter bekannter
Worte [liegt]."(Sauer in Ehlich 1989, S.112) Beispiel: Faschismus 1929:
rücksichtsloser Nationalismus in Italien 1934: schärfste nationale
Erneuerungsbewegung in Italien 1941: die von Mussolini begründete
italienische nationalstaatliche Bewegung. "Was Hitler furchtbar genau kennt
und in Rechnung stellt, ist stets die Psyche der nichtdenkenden und in
Denkunfähigkeit zu erhaltenden Massen. Das Fremdwort imponiert, es
imponiert um so mehr, je weniger es verstanden wird; in seinem Nichtbegriffenwerden
beirrt und betäubt es, übertönt eben das Denken. Schlechtmachen
würde jeder verstehen; diffamieren verstehen weniger, aber auf durchweg
alle wirkt es feierlicher und stärker als schlechtmachen."(Klemperer,
1993, S.268) "Die Absicht der 'negativen Propaganda' war klar: durch Lächerlich-
und Verächtlichmachung, durch Diffamierung, Hohn und Haß sollte
die 'rücksichtslose' psychische Vernichtung des Gegners durchgeführt
werden - bis zur angestrebten physischen Vernichtung war es dann nur noch
ein kleiner Schritt."(Bork, zit.n. Minnerup in Ehlich, 1989, S.224) FrauenLesbengruppe
im Omega