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Kiezladen fordert mehr Engagement der Bürger
Berliner Zeizung 5.12.98
Die Leute sollen "raus aus den
Fernsehsesseln"
FRIEDRICHSHAIN. "Wir dürfen
nicht zulassen, daß der Kiez zum Slum umkippt", sagt Eberhard Tauchert.
Der 57jährige leitet am Rudolfplatz den Kiezladen RuDi, dessen Träger
das gemeinnützige Berlin-Brandenburgische Bildungswerk ist. Tauchert
will, daß sich mehr Bewohner im Stralauer Kiez für ihr Viertel
engagieren. Es ist ein Problemviertel: mit Autolärm, Hundekot auf
den Trottoirs, wenig Grün und kaum Geschäften. Mehr als tausend
Menschen haben das Gebiet zwischen Stralauer Allee, Warschauer Straße
und Markgrafendamm seit 1993 verlassen. Jetzt leben noch rund 5 700 Bürger
dort.
Es reiche nicht, so Tauchert,
die "schlimmen Zustände" zu beklagen und Hilfe von irgendwoher zu
fordern. "Veränderung muß von innen kommen." Wie zum Beispiel
beim Verkehr: Seit kurzem kümmere sich eine Gruppe Interessierter
um Verbesserungen. Sie wolle unter anderem erreichen, daß die neue
Modersohn-Brücke mindestens um einen Radfahrweg verbreitert und vor
der Grundschule an der Corinthstraße eine Ampel errichtet werde.
"Auch für die Organisation von Sport- oder Kinderfreizeitmöglichkeiten
brauchen wir Freiwillige mit Ideen", sagt Tauchert. Mit dem Kiezladen,
der seit 1994 Bürgerprobleme löst und nicht nur ein Treff für
Senioren ist, will er "die Leute aus den Fernsehsesseln wegholen". Der
57jährige ehemalige Lehrer soll nach dem Willen des Bildungswerks
und des Bezirksamtes die Initiativen koordinieren. Vom Senat gibt es jedoch
dafür kein Geld. "Wir wollen den Laden zum Bürgerbüro ausbauen",
sagt Sozialstadtrat Lorenz Postler (SPD). Der Bezirk habe die Hälfte
der Personalkosten für Tauchert für 1999 aufgebracht. Wegen finanzieller
Unterstützung sei man mit den Investoren der benachbarten Oberbaum-City
im Gespräch. (sk.)
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