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Wer stört hier die Ruhe?!
 
In den letzten Wochen und Tagen kam es im Berliner Bezirk Friedrichshain des öfteren zu massiven Polizeieinsätzen. Begründet wurde dies meist mit "Ruhestörung".


Wie aus zuverlässigen Quellen bekannt wurde, existiert ein Amtshilfeersuchen des Umweltamtes an die Berliner Polizei, worin die Polizei gebeten wird, bei Lärmbelästigungen aus der Rigaer Straße 83/84 sofort in die Häuser reinzugehen und die Anlage zu beschlagnahmen.
Seit dem 9.8. gibt es die Auflage für die Rigaer Straße 83/84 von 20°° bis 7°° keine Tonträger und Musikinstrumente abzuspielen (OT), sowie nicht laut zu streiten, Flaschen zu werfen und Hunde bellen zu lassen.

Dienstag auf Mittwoch, 3./4.8.99: Die Bullen drangen durch Eintreten der Hoftür in die Rigaer Straße 84 ein, ohne um Einlaß zu bitten, obwohl der Lautsprecheraufforderung, die "laute" Musik auszumachen, längst Folge geleistet wurde. Obwohl die Beamten bestätigten, daß im Haus kein Lärm ist, beschlagnahmten sie auf Befehl des Einsatzleiters eine ausgeschaltete Musikanlage aus einem dunklen leeren Zimmer, dessen Türe zufällig nicht abgeschlossen war. Währenddessen ging nun im Nachbarhaus (Rigaer 83) wirklich Musik an. Ein kleiner Cassettenrecorder wurde ins Fenster gestellt. Mittlerweile waren auch schon mehrere Menschen gekommen, um zu schauen, was der Bullenaufmarsch sollte. Letztendlich standen den 200 Personen etwa 100 Bullen gegenüber. Unter brutaler Gewaltanwendung wurde dann die Straße geräumt, wodurch sich Rangeleien mit den Bullen entwickelten. Die gegenüberliegende unbeteiligte Cocktailbar wurde auch in die Bullenaktion mit einbezogen, was natürlich in der polizeilichen Pressemitteilung nicht erwähnt wurde. Durch die Provokation der Bullen flogen dann auch Flaschen und Steine, meist auf abfahrende Wannen. Insgesamt sollen sieben Bullen verletzt worden sein. Wahrscheinlich sind die Bullen gestolpert, als sie in die Menge reingerannt sind. Jeder wollte ja als erster reinprügeln. Von den zehn Festgenommenen soll einer noch immer im Knast sitzen.

Donnerstag, 5.8.99: Spät abends fuhren zwei Six-Packs vor die Rigaer Straße 94. Die Hemdbullen wollten eine Ruhestörung unterbinden. Doch leider war nichts zu hören. Auch beim zweiten Besuch war es ruhig. Trotzdem standen kurz später fünf Six-Packs, zwei Wannen und eine Zivi-Gurke vor dem Haus. Zweimal rannten etwa zwanzig Bullen mit Helm und einer riesigen Brechstange auf den Hof, um nach fünf Minuten wieder erfolglos rauszukommen. Sie waren wohl die einzigsten, die da die Ruhe störten. Nach etwa einer Stunde war der Spuk auch schon wieder vorbei.

Montag, 9.8.99: In der Rigaer Straße 94 fand ein tolles Punk-Konzert statt. Nachdem sie in den Tagen zuvor ja schon wegen "Ruhestörung" durch den Kiez gerockert sind, hielten sie sich diesmal erstaunlich zurück. Ein Zivi-Wagen parkte in Sichtweite und nur selten schlich mal ein Six-Pack durch die Straße. Doch die Ruhe trügte: Als das Konzert zu Ende war (die Musik war auf der Straße übrigens nicht zu hören), bog eine Wanne nach der anderen vom Bersarinplatz her in die Rigaer Straße. Die 18 (!) Wannen hielten an, die Weißbehelmten sprangen heraus und rannten in den Hof der Rigaer 94. Dann das übliche Spielchen: Leute rumschubsen, Anlage beschlagnahmen, Platzverweise erteilen.

Mittwoch, 11.8.99: So gegen 17.00 Uhr sperrten zwei Wannen die Rigaer Straße zwischen Proskauer und Gabelsberger Straße. In der Proskauer Straße stand der Rest des Fuhrparks, weitere acht Wannen sowie ein LKW mit großer Ladefläche. Die Insassen waren aber schon tätig. Durch die Proskauer 11 gelangten sie auf die Dächer und schleppten ohne Ende Steine herunter. Bei solchen Aktionen soll sich wohl der Nachbar denken, die BewohnerInnen seien gefährlich und haben Steine auf das Dach geschleppt, um sie auf die Bullen zu werfen. Fotos beweisen jedoch, die Bullen haben einfach Schornsteine abgerissen, um die Steine als Beweismittel zu präsentieren. Es gibt auch die Info, daß sich am Tag zuvor schon Bullen die Dächer angeschaut haben sollen.

Mittlerweile gleicht der Kiez rund um die Rigaer Straße einem grün-weißen Truppenübungsplatz. Tag und Nacht schleichen die Wannen und Ziviwagen durch die Straßen. Häuser werden mit Taschenlampen abgeleuchtet. Es herrscht mal wieder Ausnahmezustand im Kiez. Das kennen wir ja schon.

Dienstag, 17.8.99:[Quelle: Mitteilung der BewohnerInnen]
Nach wochenlangem Polizeiterror ist es still geworden in der Rigaer Strasse. Am Dienstag, den 17.8. stehen seit Stunden zwei Zivis vorm Haus und warten vergeblich auf eine Ruhestörung...
'Deutschland denken, heißt Auschwitz denken'
Sie haben doch was gefunden, die Riga 84 wird mit Polizisten in Kampfuniform gestürmt. Das Transparent hing seit Monaten am Haus. Trotzdem sahen sich die Cops gezwungen, es zum Todestag von Rudolf Heß mit der Begründung "Gefahr im Vollzug" sicherzustellen. Der Einsatzleiter ist der Meinung, daß es eine Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland sei. Vielleicht kann er nicht so weit denken, daß das Verbot des Hinweises auf die GEschichte eines Landes (Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit) die Annahme nahelegt, er wolle die Vergangenheit nicht wahrhaben oder gar leugnen. Es ist wieder nötig, auf Auschwitz hinzuweisen.
Ginge es nach den MachthaberInnen, wäre die Geschichte längst umgeschrieben. Es paßt ihnen nicht, daß wir ein Medium haben, um unsere Sichtweisen mitzuteilen. Sie wollen nichts von ihrer faschistischen Vergangenheit hören und versuchen mit Zwang unkontrollierte Äußerungen zu verhindern.
Wir wollen faschistische Strukturen aufdecken und gemeinsam dagegen kämpfen.

Die Cops haben unser Transpi geklaut. Wir haben aber ein Neues - unsere Nachbarn auch - Du vielleicht auch bald, bis die ganze Stadt davon voll ist.
Wir lassen uns das Maul nicht verbieten. Nie wieder Deutschland!

Mittwoch, 18.8.99: Um 20.00 Uhr fand am Bersarinplatz eine Demo unter dem Motto "Gegen nächtliche Ruhestörung" statt. 400-500 Leute zogen mit Trillerpfeifen oder anderen Lärminstrumenten durch den Kiez. Die Leute hatten jeden Menge Spass!
Die Bullen kurvten jedoch noch die ganze Nacht durch die Rigaer Strasse. Gegen Mitternacht hielten zwei Wannen bei der Liebigstrasse, die Bullen steckten eine Leiter zusammen, kletterten an einen Balkon im ersten Stock der Liebig 14 und rissen ein Transparent mit der Aufschrift Deutschland denken heisst Auschwitz denken herunter. Na, sie werden damit nur erreichen, dass für jedes geklaute Transpi zehn neue rausgehängt werden.

Montag, 23.8.99: Nachdem es nun einige Tage ruhig war, kamen morgens die Baubullen in die Rigaer Strasse 84. Später am Nachmittag, so gegen 14°° Uhr, fuhren fünf Wannen und ein Sixpack vor. Die Bullen drangen ins Haus ein und bauten eine Türe aus.

Dienstag, 24.8.99: Gegen die am Tag zuvor von Bullen aus der Rigaer Strasse 84 ausgebaute Türe demonstrierten etwa 150 Menschen. Sie zogen als Trauermarsch für die "ermordete Türe" vom Bersarinplatz zum Rathaus Friedrichshain. Etwa 200 Bullen waren im Einsatz. Später in der Nacht soll es noch eine nette Freibier-Party in der Rigaer 84 gegeben haben.