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Im Visier des Volkszorns,neue Folge: „BAHAMAS-Fotzen“ Bekanntlich ist es einer Gruppe von 15 bis 20 Frauen und Männern gelungen, am 17.10.2000 eine Veranstaltung der BAHAMAS zur sogenannten Sexismusdebatte zu unterbinden. Die BAHAMAS-Redaktion und 120 Leute, die zuhören und diskutieren wollten, sind also nicht zum Zug gekommen. Der Charakter dieser Störung, die von ihren Urhebern wohl als gewaltfrei und phantasievoll bezeichnet werden wird - es wurde u.a. auf Trillerpfeifen gepfiffen, mit den Füßen gestampft, mit Gegenständen geklopft und schließlich die Sicherungen ausgeknipst -, bedarf eines Nachtrags. Nicht nur, daß es zu tumultartigen Situationen kam, in der drei Frauen und zwei Männer, die der BAHAMAS angehören bzw. ihr freundschaftlich verbunden sind, verletzt wurden; nicht nur, daß ausgerechnet eine Migrantin - als solche gehört sie eigentlich doch zu den Lieblingswesen der Szene - bei dem Versuch, das Licht wieder einzuschalten, getreten und gewürgt wurde und den rasenden Mob noch nicht einmal über Mikrofon zu wenigstens leicht betroffenem Innehalten bewegen konnte; ein weiterer, kaum beachteter Umstand macht für uns eine öffentliche Erklärung notwendig: Anders, als es sich der antisexistische Mainstream wohl zurechtgelegt hat, besteht die BAHAMAS-Redaktion nicht nur aus Männern. Irritierenderweise gibt es in der Redaktion auch einige Frauen. Zwei Redakteurinnen, die sich im Verlauf der Rangeleien als solche klar zu erkennen gaben, wurden nicht nur besonders heftig attackiert, es fiel von einer Frau aus dem Kreis der Störer mehrfach laut, deutlich und unwidersprochen das Wort „Bahamas-Fotze“. Wir halten das für keinen Zufall, keine im Eifer des Gefechts gefallene, entschuldbare Entgleisung, sondern sind überzeugt, daß das, was aus dieser Frau heraussprach, das gesamte „antisexistische“ Unternehmen dieser Leute charakterisiert. Die BAHAMAS gilt ihnen als klassisches Produkt weißer deutscher Männer. Sie steht für hochmütige Mißachtung der Kämpfe um Befreiung weltweit, arrogante Besserwisserei, typisch eurozentristisches Metropolendenken. Ihre Vertreter präsentieren in Wort und Schrift das, was man als männliches Diskussionsverhalten zu verabscheuen gelernt hat. Wenn einer so gearteten Gruppe Frauen angehören, so der fast schon automatische Schluß, muß es sich bei diesen um mißratene Vertreterinnen ihres Geschlechts handeln, ihr Verhältnis zum Projekt und den männlichen Genossen wird umstandslos sexualisiert. „Bahamas-Fotzen“ kann ja nur heißen, daß der Weg dieser Frauen in die Redaktion durch die Betten der sog. Leithengste geführt habe, daß in den Phantasien der „Antisexisten“ ihre Rolle in der von Sexsklavinen und verlogenen Aushängeschildern bestehen und daß sie damit schimpflichen Verrat an sich selbst und ihrem Geschlecht verüben würden. Die BAHAMAS-Redakteurinnen wurden, völlig konsequent, aufgefordert, sich „mit ihren Schwestern zu solidarisieren“. Es dann immer noch nicht getan zu haben, stempelte sie ab: zu „Fotzen“ eben. Jene also, die allenthalben das anklagende
Wort von der sexualisierten Gewalt im Munde führen und die Reduzierung
von Frauen in Wort und Tat auf ihre Genitalien anprangern, sind diesem
Denken nicht weniger verhaftet als die von ihnen dafür kritisierten
Männer. In der Zurückweisung dieser Sexualisierung liegt bereits
der Keim zu seiner Bekräftigung ex negativo.
Am Rande der nicht stattgefundenen Veranstaltung suchte eine Frau, die nicht den Störern zuzurechen ist, das Gespräch mit einem der beiden vorgesehenen Referenten. Nachdem sie mehrfach bekräftigt hatte, sie fände den dem Skandal zugrunde liegenden Artikel „zum Kotzen“, kam es mitten im Chaos zu einer Diskussion über Sexualität, die in folgender Aussage der Frau kulminierte: Der Mensch sei doch kein Tier, er sei doch ein selbstbestimmtes, weil vernunftbegabtes Wesen. Nicht nur, daß der Auftritt der Störergruppe erhebliche Zweifel an so schöner Hoffnung aufkommen ließ. In diesem fast schon verzweifelt vorgetragenen Pochen auf eine „Vernunft“, die geeignet sein müsse, das von ihr als tierisch verstandene Sexuelle im Menschen niederzuhalten, offenbarte sich ein ideologisiertes Bild von Sexualität, wie es verdrängungsbelasteter auch vor 100 Jahren nicht formuliert worden wäre. Nur wenig trennte diese Einlassung der Frau - die wir für repräsentativ für große Teile der Szene halten - von den Überzeugungen der Störer. Gemeinsam ist ihnen die Verteufelung der Sexualität als des triebhaften und durchaus aggressiven Geschehens in uns und der Versuch einer repressiven Domestizierung des Triebs durch Rationalisierungen, die den Menschen den Unterleib rauben und der Vernunft, derer sie sich bedienen sollen, die Leidenschaft. Während diese Ansicht vor den Zumutungen des Triebs zwar zurückschreckt, ihn aber nichtsdestotrotz bei Mann und Frau für wirksam hält, also verruchten Männern auch verruchte Frauen an die Seite stellen würde, gehen die „Antisexisten“ den entscheidenden Schritt weiter. Sie behaupten das Vorhandensein von vorgegebenen Geschlechtsidentitäten, die immer dem Zwang einer patriarchalen Gewalt gehorchen und auf ewig und unhinterfragbar die menschliche Gesellschaft beherrschen. Den Leuten ist qua Geschlecht ihre Rolle zugewiesen. Frau als Opfer hat anzuklagen und sich zu wehren, Mann als Täter hat sein Schicksal von der Biologie zu einer apriori agressiven Geschlechtsidentität verurteilt zu sein, beständig anzuklagen und zu kontrollieren oder wird für immer in den Orkus der Täter geworfen. Wer sich diesem Muster als Frau nicht fügt, kollaboriert mit dem Feind durch Unterwerfung, letztlich also durch die freiwillige Hinnahme potentieller Vergewaltigung. Ausgelebte Sexualität ist da genausowenig
möglich wie das Gespräch darüber. Die von tiefer Angst vor
der eigenen Sexualität geprägte Sexismusdiskussion, die ihr entstammende
Naturalisierung der Geschlechter in männlich und weiblich muß
im schlimm gemeinten Wort „Fotze“ kulminieren, wenn eine den vorgezeigten
Weg verläßt und nicht das ewige Opfer sein will, zu dem die
„Antisexisten“ sie machen wollen.
Die BAHAMAS wird die öffentliche Aussprache zum Thema Sexualität nicht zu erzwingen versuchen. Sie wollte keinen billigen Skandal und wird keinen Anlaß zur Wiederholung des beliebten Stücks geben. Interesse am „Showdown“ (Ankündigung der BAHAMAS-Veranstaltung in der Jungle World) haben immer die Interesselosen, die in ihrer wohltemperierten Welt den abwechslungsreichen Kick suchen, weil ihnen die Leidenschaft zur Kritik fehlt. Wie und in welcher Form wir die Veranstaltung wiederholen, werden wir unter Ausschluß der Öffentlichkeit mit denen beraten, die sich nicht davon abschrecken lassen auf der Abschußliste der Antisexisten zu stehen. BAHAMAS-Redakteure haben die Störergruppe als autoritären deutschen Mob bezeichnet. Diese Kennzeichnung hält die Redaktion unbedingt aufrecht. Wer sich das Mittel der Saalschlacht anmaßt und dabei sicher sein darf, daß er mit dem Ressentiment des linken Mainstreams im Einklang steht, also sich nicht wird verantworten müssen, ist Vollstrecker der autoritären Mehrheitsmeinung gegen eine ungeliebte Minderheit: eine sehr deutsche Spielart der direkten Demokratie. Die Sexismusdebatte haben wir als infantile Inquisition bezeichnet. Infantil ist es, jedes Argumentieren zu verweigern, infantil ist es, wie der Suppenkasper rhythmisch mit dem Löffel auf Holztische zu hauen, und Inqusition ist die Anmaßung der Gewissenserforschung entlang einer rigiden Richtschnur aus Verbot und Strafbedürfnis. Eine solche Zusammenrottung ist deutscher autoritärer Mob. Und der hatte immer schon einen Jargon, in dem das Wort „Fotze“ nicht fehlen darf. Trotzdem: Zu der Sache mit den „Bahamas-Fotzen“ erwarten wir doch die eine oder andere öffentliche Stellungnahme. BAHAMAS-Redaktion, Ende Oktober 2000
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