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Her mit dem schönen
Leben
/ September 1997
Beim Blick auf den in
den letzten Jahren zu beobachtenden patriarchalen Rollback und dem gesamtgesellschaftli-chen
Rechtsruck, gibt auch `die´ Linke kein gutes Bild ab. Mehrheitlich
nimmt sie an diesen Prozessen teil
Konkreter Anlaß
für diesen Text war für uns ein Flugblatt
mit dem Titel “PC oder Lust am Leben“ das im Sommer 97 im Mainzer
Haus Mainusch die Runde machte. Dieses Flugi ist nur ein weiteres Beispiel
für die Übernahme von (`neu´-)rechten Argumentationen,
die derzeit in viele gesellschaftliche (Herrschafts-) Diskurse eingebracht
werden und auch vor “linken» Zusammenhängen nicht halt machen.
Unser Text soll weniger
ein Beitrag zur männlichen antipatriarchalen Theoriebildung sein;
mehr ein bescheidener Versuch, gegen die herrschenden Verhältnisse,
die sich zunehmender Legitimität “erfreuen“, zumindest noch einigermaßen
überzeugend argumentieren zu können.
Der Begriff “PC“ begegnet
uns im allgemeinen als “Totschlagphrase“, die dazu dient, emanzipatorische
Politikvorstellun-gen als totalitär, dogmatisch, lustfeindlich, etc.
zu stigmatisieren. Dabei ist es auffällig, daß “PC“ begrifflich
nicht konkret bestimmt wird. Die Unschärfe des Begriffs erlaubt pauschale
Aussagen, Unterstellungen und Diffamierungen. Diejenigen, die “PC“ als
“Kampfbegriff“ nutzen, legen sich damit nicht fest und können bei
Kritik und Nachfragen jederzeit umdeuten, wor-auf sich die Bezeichnung
eigentlich bezieht.
An dieser Stelle wollen
wir darauf hinweisen, daß der “PC-Diskurs“ in der BRD ursprünglich
als eine Argumentationslinie auftauchte, die sich in der Neuen Rechten
bzw. der sich gerade etablierenden deutschnationalen Rechten verorten läßt.
(z.B. Anti-PC-Kampagne der “Jungen Freiheit“) Darauf werden wir später
noch ausführlicher eingehen.
PC-Diskurs und neuer Antifeminismus
Der PC-Diskurs und Antifeminismus
kleben zusammen. Denn häufig richtet sich das “Argument“ gegen ein
Politikverständnis und politische Praxen, die auf eine Zerstörung
patriarchaler Herrschaft gerichtet sind, also z.B. feministische Theoriebildung,
Parteilichkeit mit Überle-benden sexualisierter Gewalt, Kampf gegen
Zwangsheterosexualität und Kleinfamilienideologie. Gerade die Forderung
von Frauen an Männer, sich ihren eigenen Anteilen an struktureller
sexistischer Unterdrückung
auseinanderzusetzen, wird
mit häufig mit dem “PC“-Vorwurf abgebügelt.“Lustfeindlich seid
ihr“ heißt es. Um dann mit dem Vorwurf aufzuwarten, neue, diesmal
linke (sexual-)moralische Kategorien installieren zu wollen, die vor allem
Männem die Freiheit nehmen sollen, “lustvoll“ und frei all das auszuleben
was Mann gerade will. Das heißt also eben auch Sexismen frei ausleben
zu können, ohne jegliche Verantwortung für das eigene Verhalten
zu übemehmen. Hier wird die Gleichung: Feministische Forderungen =
PC = Einschränkung individueller Rechte und Freiheiten aufgestellt.
Dabei ignoriert eine solche
Haftung (bewußt?) patriarchale Herrschaftsverhältnisse und reproduziert
männliche Macht- und Unterdrückungsmuster. Die Freiheit und die
Lust, die hier verteidigt werden, ist die Freiheit von Männern, von
Herrschaft profitieren zu können und ihre strukturell begründeten
Privilegien “lustvoll auszuleben. “Lust“ schließt für uns in
diesem Zusammenhang auch z.B. eine Lust an Herrschaft, Unterdrückung,
Erniedrigung, Gewalt, .. ein.
Die LUSTfrage...
Vor diesem Hintergrund können
wir nicht anders, als die pauschale Forderung nach “Lust am Leben“ erst
mal in Frage zu stellen. Wir sehen “Lust“ in einem patriarchalen Kontext
nicht als etwas Positives, Wertfreies. Vielmehr impliziert “Lust“ in diesem
Zusammenhang zunächst einmal Unterdrückung, zumal dieser Begriff
männlich bestimmt ist.
Oft dient der Verweis auf
die (individuelle) “Lust“ Männern als Legitimation für z.B. sexistische
Anmache / Witze usw.. Sprüche wie z.B.: “Ich hatte da halt Lust drauf“,
“Mir war grad danach“ blah,blah, sind Teile eines scheinbar unerschöpflichen
Reservoirs von TYPischen Ausreden. Damit wird das patriarchale Unterdrückungsverhältnis
ignoriert und das eigene Verhalten, losgelöst von dessen gesellschaftlicher
Funktion dargestellt.
Die männliche Freiheit,
die Sau rauslassen zu können, kommt nun als Prinzip “Lust am Leben“
daher. Kritik an männlichem Dominanzverhalten wird als “lustfeindlich“
und wie auch sonst, dogmatisch-pc-knigge abgetan, wenn nicht ins Lächerliche
gezogen. Damit machen Typen sich und ihr patriarchales Verhalten unangreifbar.
Sie greifen damit auf ein “altbekanntes“ -und bewährtes Muster zur
Sicherung ihrer Privilegien zurück.
Da wir “Lust“ nicht losgelöst
von ihrem patriarchalen Kontext sehen können, kann für uns eine
Forderung nach “lustvollem Leben“ nur mit einer schaden Kritik und Ablehnung
von Dominanzstrukturen und Hierarchien verbunden sein.
“Her mit dem schönen
Leben“ kann überhaupt nur dann eine emanzipatorische Forderung sein,
wenn damit die Vorstellung von Herrschaftsfreiheit einhergeht, da sonst
immer die Frage bleibt, wer hier schön lebt und auf wessen Kosten.
...und der Angriff gegen Männergewalt
und Mackerstrukturen
Ein emanzipatorisches Politikverständnis
(ganz grundsätzlich: der Kampf um eine umfassende gesellschaftliche
Befreiung) beinhaltet für uns eine konsequente Ab-lehnung jeglicher.
Form von Unterdrückung, von Diskriminierung, von Herrschaft. Das Patriarchat
sehen wir als ein grund-sätzliches Unterdrückungsverhältnis.
In diesem Sinne heißt das primär für uns als Männer
bewußt zu versuchen männliche Privilegien, die wir (all-)täglich
(re-)produzieren, zu hinterfragen und aufzu-geben.
Einen antipatriarchalen
Anspruch zu ver-treten, heißt für uns zunächst und zuallererst,
uns und unser eigenes männlich-dominantes / sexistisches Verhalten
vor allem für Frauen und auch für andere Männer angreifbar
zu machen. Damit gehen wir gerade nicht davon aus, daß wir einen
individuellen Weg hin zum wahren Antisexisten gefunden haben. Der ist in
einer patriarchalen Gesellschaft schlicht unmöglich.
In diesem Zusammenhang steht
auch erstmal die Feststellung, daß Grenzen für uns nicht horizontal,
im Sinne einer Abgrenzung “guter Antisexisten“ von “bösen Obersexisten“
verlaufen, sondern vertikal, d.h. daß wir davon ausgehen daß
alle Männer in patriarchale Strukturen ver-strickt sind. Die Konstruktion
von “Obersexisten“ ( oder wahlweise -Rassistlnnen verschleiert, daß
oft im alltägli-chen Verhalten und “normalen“ Verhält-nissen
(beispielsweise: Hetero- Zweier-beziehung, Familie) sexistische Unter-drückung
stattfindet. Die eigene Verstricktheit in Unterdrückungsstrukturen
wird heruntergespielt und/oder verleugnet. Und von bösen Oberschweinen
kann mann sich mit gutem Gewissen abgrenzen, ohne sich selbst und die eigenen
Mackerstrukturen in Frage stellen zu müssen
Herrschaftsstrukturen abzulehnen
und - im Sinne einer Utopie befreiter Verhältnisse -überwinden
zu wollen, bedeutet gerade auch Männergewalt und Mackerstrukturen
als Ausdruck des patriarchalen Unter-drückungsverhältnisses anzugreifen.
Uns wird (in oben genanntem
Flugi) unterstellt, das Angreifen sexistischer Verhaltensweisen wäre
ein Ausdruck von “Selektion (in den “eigenen“ Reihen), Elitebewußtsein
und Kaderdenken“. Es ginge uns schlicht darum, “die politische und moralische
Führung in der Szene“ erlangen zu wollen.
Hier wird völlig ahistorisch
und wenig reflektiert mit Begriffen wie Selektion und Kaderdenken um sich
geschmissen -diejenigen, die tatsächlich “selektiert“ wurden/werden,
für die Selektion zu einer oft tödlichen Realität wurde/wird,
werden von den Verfasserlnnen des Flugis für ihre plumpe Argumentation
instrumentalisiert.
Solche Gleichstellungen
kotzen uns schlicht an.
Von dem Verständnis,
antipatriarchale Positionen als Ausdruck “elitärer Machtpolitik“ zu
begreifen, ist es auch nur ein kurzer Schritt, z.B. die Definitionsmacht
von Frauen in Frage zu stellen, darüber was sexuelle Gewalt, Sexismus,
etc. ist. Im Sinne vermeintlicher “Freiheit“ bestim-men dann wieder Männer,
wo Grenzen zu ziehen sind, wo sexualisierte Gewalt beginnt. Die Verdrehung
von Opfer/Täter ist damit perfekt, wo Männer sich als Opfer totalitärer
Ideologien darstellen. Die Definitionsmacht bezüglich sexueller Gewalt,
die von Frauen erkämpft wurde, wird wiederum völlig von ihren
gesellschaftlichen, also patriarchalen Bedingungen losgelöst und zum
Despotismus einiger Frauen über Männer erklärt. Die Normalität
sexueller Gewalt wird geleugnet oder ausgeblendet und es wird “Objektivität“
eingefordert. Daß diese Objektivität eine männliche ist,
bleibt natürlich ebenso außen vor (“sich nicht so anstellen“,
“das is‘ doch normal“, “Kavaliersdelikte“, etc.).
Diejenigen die hier die PC-Keule
schwin-gen, stabilisieren nicht nur (bewußt) Herr-schafts- und Unterdrückungsverhältnisse,
sondem gehen noch drüber hinaus, indem sie versuchen den Widerstand
dagegen
als elitäre Machtpolitik
zu stigmatisieren. Es wird nicht mehr von der Realität einer Dominanzgesellschaft
mit vielfachen Un-terdrückungsmechanismen - also z.B. Patriarchat
oder Rassismus - und den damit einhergehenden hegemonialen Diskursen (Normalität!)
ausgegangen, sondern da-von, daß es erst die VertreterInnen antipatriarchaler,
antirassistischer etc. Politik sind, die Dominanz in die ach so tolle Welt
einführen.
Uns geht es nicht um das
Etablieren neuer Machtverhältnisse oder moralischer Dogmen, wie es
durch Begriffe wie “Elitebewußtsein und Kaderdenken“ sug-geriert
wird, sondern um das Bekämpfen des bereits VorHERRschenden.
Die Anti-PC-Strategie der
Neofaschistlnnen
Die Funktion der PC-Argumentation
wird noch einmal besonders deutlich daran, daß dieser Begriff seine
heutige Populari-tät in der BRD durch den gezielten Einsatz in bürgerlich-konservativen
Medien wie der FAZ erhielt und von neofaschistischen Kreisen begeistert
aufgegriffen wurde. Die Rechte hat nämlich gut erkannt, daß
es sich hier um eine Gelegenheit handelt, emanzipatorische Politik zu diffamieren
und die Positionen ihrer eigenen rassistischen, sexistischen, behindertenfeindhichen
etc. Herrschaftsideologien zu stärken.
So hat - um Beispiele zu
nennen - PC in zwei der erfolgreichsten neofaschistischen Projekte der
letzten Jahre einen zentralen Stellenwert. In dem Sammelband ‘Die selbstbewußte
Nation‘ von Rainer Zitelmann - dem “Glaubensbekenntnis“ der Neuen Rechten
für die 90er - sind ‘politisch Korrekte‘ das Synonym für die
politischen Gegnerlnnen schlechthin: Feministinnen, Antirassistlnnen, Linke.
Und die Wochenzeitung ‘Junge
Freiheit‘ hat 1996 eine Werbe- und Propagandakampagne mit Aufklebem und
Plakaten durchgeführt, auf denen schlicht zu lesen war: political
correctness nein danke, Junge Freiheit.
Die Absicht ist leicht zu
durchschauen:
Dem eigenen Klientel ist
schon klar, wer die ‘politisch Korrekten‘ sind und zudem versucht sich
das rechte Schmierblatt in der Öffentlichkeit als modern und undog-matisch
darzustellen. Sowohl die Neofaschistlnnen, als auch die bürgerliche
Presse konstruieren mittels PC eine an-gebliche Hegemonie linker Dogmen,
gegen die sie sich selbst als progressiv abgrenzen, so daß herrschende
Unterdrückungsverhältnisse entweder nicht thematisiert (also
als gegeben akzeptiert) oder bewußt forciert werden.
und die Linken?
Die Rechte hat es mit der
Etablierung von “PC“ als politischem Stigmawort und dessen Funktion, emanzipatorische
Inhalte als totalitär und verbohrt zu diffamieren, soweit geschafft,
daß dieser Begriff „... selbst in linksaltemativen (oder vielleicht
richtiger vormals linksaltemativen) Kontexten“ dazu dient, bestimmte linke
Grundpositionen in Frage zu stellen oder auch anzugreifen (s.o.). Auch
in linken Zusammenhängen finden sich Angriffe gegen vermeintliches
“PC“-Verhalten:
“Wenn heute in der Linken
Argumentati-ons- und Verhaltensmuster bestehen, die nicht mehr selbst hinterfragt
werden, dann ist das ein Ergebnis der politisch korrekten Tabuisierung.
Gegen so etwas zu polemisieren ist in Ordnung. Was wir letztendlich
kritisieren, ist die in der Linken stattgefundene, reduktionistische Verwendung
von “p.c.“ als dogmatischer Verhaltenskodex, welcher nur noch zur Selbstbestätigung
in den eigenen Lebenszusammenhängen dient.“
Die Kritik an solch einem
Verhalten finden wir richtig. Allerdings haben wir auch hier massive Probleme
mit der Verwendung des “PC“-Begriffs und den Zuschreibungen wie Tabuisierung
oder dogmatischer Verhaltenskodex. Solche Begrifflichkeiten finden sich
klar in Argumentationen der
Rechten wieder (die sich
im übrigen als Tabubrecherlnnen in der Öffentlichkeit darstellen).
Zudem ist “PC“ in der BRD zunächst einmal eine Konstruktion der Rechten,
um linke Politik zu diffamieren (s.o.). Deren “Kritik“ an “PC“ meint eben
nicht nur vermeintlich “totalitäre und intolerante Geisteshaltungen“,
sondern überhaupt das Festhalten an bestimmten linken Grundpositionen.
Wir finden es gefährlich, wenn selbst in linken Zusammenhängen
eine Terminologie verwendet wird, die eher aus rechten Zirkeln stammt und
die den common sense gegen feministische und antirassistische Positionen
mobilisieren soll.
Außerdem war und ist
“PC“ in linken Zu-sammenhängen in der BRD niemals ein positiver Bezugsrahmen
gewesen. Political Correctness ist ein Konstrukt des politischen Gegners.
Klar haben wir auch Probleme
mit sowas wie linker Nabelschau - das jedoch unter Bezugnahme auf PC abzubuchen,
ist einfach zu polemisch und billig. Gerade solche Punkte werden schon
ohne “PC“-Bezug seit Jahren bearbeitet und kritisiert. PC ist und bleibt
für uns ein Stigmawort, das sich gegen emanzipatorische Politikvorstellungen
richtet - unabhängig davon, wer es gebraucht.
Natürlich kann es berechtigte
Kritik an unhinterfragten, erstarrten linken Dogmen geben, wie z.B. seitens
der Feministinnen am marxistischen Hauptwiderspruchsdenken oder seitens
schwarzer Frauen an der weißen Frauenbewegung.
Eine solche Kritik sollte
aber differenziert und nicht pauschalisierend oder gar Unterdrückung
leugnend sein.
Einige autonome Mainzelmänner
Dokumentation:
Alle Fehler im Original
PC ODER LUST AM LEBEN?
Mit dem Begriff PC wollen/können sich ja viele nicht
mehr identifizieren - warum,wissen die Betroffenen wohl selbst am besten.
Da das politische Denken und der politische Anspruch aber der gleiche geblieben
ist, nennen wirs einfach PVC (politcal very correct). Humor ist, wenn man
trotzdem lacht, gell??
Auf den ersten Blick ist PVC ein durchaus lobenswertes
Unterfangen, wenn man davon ausgeht, daß durch etwas mehr Bewußtsein
vielleicht ein konsequenterer Umgang mit all den Vollidioten gefunden wird,
die nicht selten unsere Wege kreuzen: Hirnlose Schläger, Faschofreunde
genauso wie Obersexisten. Für die sollte hier tatsächlich kein
Platz sein. Doch der bewußtseinsfördemde Anstoß ist längst
verdrängt worden durch die Selektion in den eigenen Reihen in Arschloch
und Nicht-Arschloch oder schlaue und dumme Linke.
Entweder man streitet sich schon vor irgendwelchen Aktionen
und kommt gar nicht erst dazu, etwas auf die Beine zu stellen. Oder die
Angelegenheit war tatsächlich mal erfolgreich,aber da sich ein Grund
bekanntlich immer findet, kippt die Gruppe X der Gruppe Y kübelweise
Gülle über den Kopp.
Was aber ist PVC ? Nein,nein kein Fußhodenbelag
!!! Es ist eine Verharmlosung von Selekti-on, Elitebewußtsein und
Kaderdenken. Im Grunde genommen geht es um die politische und moralische‚
Führung in der Szene und ist damit Ausdruck von elitärer Machtpolitik.
Jeder Mensch, der zur richtigen Zeit das Richtige sagt und der auf den
Plena (Vollversammlungen) noch schnell ein paar nicht vorhandene Probleme
diskutieren muß oder vorgegebene Phrasen herrunterleiert, ist sich
des Wohlwollens und dem Schulterrubbeln der Szene sicher.
Wer sich nicht anpassen will wird eingeteilt in Formbare
(„die noch nicht soweit sind“) und Nicht-Formbare, wobei ein gewisses Maß
an Überheblichkeit nicht von der Hand zu weisen ist. Die Nicht-Formbaren
werden durch Wortverdrehungen oder Fremdwortakrobatik als Rassisten/Sexisten
„entlarvt“, z.B. kurze Haare = Nazi oder deutsche Schlagerparty = Sexismus,
und was will man schon gegen solche Totschlagargumente ausrichten. Da wird
kulturell vieles in Frage gestellt, angefeindet und teilweise sogar verboten,
was sich nicht szenetypisch als phrasendreschend und lustfeindlich darstellt.
Abgebrochene Konzerte, Rausschmisse und Hausverbote werden als „Sieg des
fortschrittlichen Denkens“ gefeiert.
Wer sind die Vertreter dieses Denkens? Sie tragen in
passendem Outfit ihre eigene Selbstgefäl-ligkeit auf die Straße,
vereinnahmen ganze Demos und Kampagnen und versuchen letztendlich der Szene
ihre eigene Symbolik aufzupflanzen. Damit reklamieren sie für sich
die moralische und politische Führerschaft in der Szene. Wer sich
bei der Arbeit in ca. 170 politischen Gruppen im eigenen Anspruchsdenken
verstrickt hat, dem bleibt am bitteren Ende immer noch die Frauenen- oder
Männergruppe, wo er/sie (so schreibt es die Etikette vor) wirklich
mit jeder noch so abstrusen Diskussion ernstgenommen wird und wo man jeden
für alles verantwortlich machen kann, nur nicht sich selber.
Das eigene politische und persönliche Scheitern,
die innere Unzufriedenheit wird dann in ande-re Orte hineingetragen und
auf andere projeziert. Es ist ein Ausdruck der tiefen linken Depressi-on,
der fortschreitenden Perspektivlosigkeit und zudem der Versuch, die eigenen
und gemeinsa-men Niederlagen und Bedeutungslosigkeiten zu überspielen.
Das ist real existierender PVC.
Dabei erweist sich dies als geradezu klassisches politisches
Eigentor. Oder soll es auf Dauer wirklich nützlich sein, die eigenen
Leute zu diffarmieren oder auszugrenzen? In den Rundum-schlägen und
Hetzkampagnen gehen vor allem auch die wenigen positiven Aspekte genauso
verloren wie der Blick für die gesellschaftliche Realität. Mit
dieser Art von Politik liegt die PVC-Linke in einer langen Iraditton der
Selbstzerfleischung. Dies gipfelt in dem Versuch, einen szenetypischen
Einheitsmenschen zu schaffen, bei dem das individuelle Denken ausgeschaltet
werden soll.
Die Größe und Stärke einer politischen
Bewegung mißt sich eben nicht an der Parteidisziplin sondern sie
findet ihren Ausdruck in Meinungsvielfalt und der Fähigkeit, trotz
Unterschiedlich-keiten gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Sicher
kann nicht alles tolerierbar sein und man muß Grenzen gegenüber
Schwachköpfen ziehen, aber es bleibt die Frage wann und wo die-se
gezogen werden. Eine Hausordnung nach der anderen an die Türen der
Linken Zentren zu heften und dann bei Nicht-Befolgung Else-Kling-mäßig
durch das autonome Treppenhaus zu zetern ist vielleicht der einfachste
aber auch der allerdümmste Weg. Als Auswirkung von PVC breitet sich
ein totalitärer Geist unbemerkt aus und die Gefahr der Bedeutungslosigkeit
wird im-rner größer.
Wir jedoch werden noch trinken und tanzen, wenn an euch
keiner mehr denkt!!!
Gez.: Keine Unbekannten ‚sondern Jens, Ines und Marc
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