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Schau mir in die Augen, Kleines!
 

"Nur im Stupor [Starre, Teilnahmslosigkeit] der lebendigen von ihm vergewaltigten Frau kann er seine Macht
erleben, indem er sie in sexuelle Lust transponiert." (Ingrid Strobl (1))


Dies ist ein Text über Vergewaltigung und den Umgang damit in der sogenannten Szene, diesmal in Berlin
(Ladies, ein bitteres Grinsen steht Euch gut, jetzt). Es ist ein Text im Kampf um Definitionsmacht.
 

"[Ehefrau]: l informed him that I was scared of him. "Oh yes, Steven, you were pleased. You felt pleasure
seeing the dead girl's body." [Ehemann): "You're pleased saying this. We're getting to know each other.²"


"Es"- Das Unbenennbare

In "unseren" bürgerlichen gutmenschelnden Köpfen (Körpern?) ist Vergewaltigung
etwas, das eigentlich nicht wirklich passiert. Und wenn "es" passiert, dann irgendwo anders, jedenfalls nicht bei
"uns". Outta hell. "Wir" sind schließlich reinweiße, bessere Menschen mit Kinderstube und "es" ist bei "uns"
nicht da. Eben aufgeklärt und vernünftig. "Wir" sehen zwar und lesen, wie "es" gegen Frauen zunimmt, in
Hamburg wurde im April eine 17-jährige in der S-Bahn vergewaltigt, während andere Fahrgäste zusahen - aber
das ist S-Bahn: Spießer-area, das ist nicht bei "uns" im Casablanca, autonomen Zentrum. Das sind quasi
Entgleisungen- von denen "wir" Kenntnis nehmen, messages aus einer anderen Wirklichkeit. Bei "uns" werden
Konflikte schließlich durch Redeprozeduren gelöst, sogenannte Auseinandersetzungen.

Abgrenzungsmechanismen. Das gutkonstruierte Selbst und das abgründige Andere. Der Mensch (=der Mann
als Norm) ist gut und Sexualität ist unschuldig. Die Erde ist eine Scheibe. Sex, wie gesellschaftlich
zurechtgebogen, das letzte Residuum eines disziplinierten Bedürfnisses: Kreativität. Bitte, laßt doch den Sex in
Ruhe. Was soll das feministische lustfeindliche Lamentieren. Sex ist schließlich geil und die Zeiten sind hart.
Quod erad demonstrandum "2).

Was ist eigentlich Vergewaltigung?
 

"Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, wie Gewalt gegen Frauen im Strafgesetzbuch reduzierend bezeichnet
wird. ist Alltag, daß dies auch für die sogenannte Subkultur gilt, ist ebenfalls hinlänglich bekannt. Ebenso wie
das Unvermögen, sexuelle Gewalt gegen Frauen zu diskutieren und persönlich oder gemeinsam zu verhindern.
Vergewaltigung hat etwas mit Gewalt und Sexualität von Männern zu tun. Über beides wird viel geredet, aber
nur oberflächlich oder in Witzeleien....] Mittels der Trennung in sich selbst und die Vergewaltiger und durch die
strafrechtlichen Normierungen und Definitionen werden Vergewaltigung und Vergewaltiger zum Tabu. Darüber
spricht man nicht bzw. es ist jedem klar: Sowas macht man nicht. Aber welche Männer vergewaltigen denn
dann??? Da fest steht, daß Vergewaltiger Freunde, Genossen, Väter, Bekannte, "ganz normale Männer aller
Gesellschaftsschichten sind, scheint die Vorstellung von den Vergewaltigern als "den anderen" schlicht falsch zu
sein!" (Jedi-ritter für das Gute - gegen das Böse)' 
 
Und wenn "es" bei "uns" passiert, so ist es heikel. Und dann
treten die Abgründe der Realität vor "unsere" Augen. Und sofort setzt die Verdrängung ein: "Kann das wirklich
stimmen?", "da weiß man ja auch nicht, was da dran ist (=was man hat)." Jargon wie aus einem Helge
Schneider-Dialog... "Das kann doch nicht sein - der ist doch ein lieber Typ und ein guter Genosse. da bilden
wir ersteinmal einen Stuhlkreis und diskutieren das aus und beschließen einen Beschluß." Das Unvorstellbare
hat keine Kategorie in "unseren" erkenntnisreichen Köpfen (Körpern?). Sprachlosigkeit die Reaktion. We're so
fucking good, Alter. We're so fucking holy. Sagte schon Ideal in den 80ern. Remember? 

Schwein

Du denkst ich bin der softe Typ
der die Frauen gut versteht
der heimlich Gedichte schreibt
und zur Selbsterfahrung geht
so sensibel, so charmant
gerade richtig zum verlieben
du hast mich noch nicht erkannt
mein wahres ich ist schwer durchtrieben.
Ich habe unbändige Lust fies und gemein zu sein
es macht mir einen Höllenspaß
so wie ein Schwein zu sein
ich lüg dich an mit einem Lachen
das fällt dir gar nicht auf
ich kann noch ganz andre Sachen machen
da kommst du gar nicht drauf. (Ideal, 1981)

Vergewaltigung ist Gewalt, die sexualisiert ausgedrückt und verhandelt wird. Sexualisierte Gewalt.
Vergewaltigung ist neben anderen ein Mittel um Herrschaft auszuüben, auszubauen oder zu zementieren.
Vergewaltigung hat nur in der veröffentlichten Meineidung etwas mit der Sexbestie im Busch (Waldmetapher,
schau nach im Theweleit, boy) oder den unkontrollierbaren sexuellen Instinkten des Mannes zu tun (Subkulturell
übersetzt: Free Will/ie, Charles Manson). Vergewaltigung hat nichts mit Sexualität, aber viel mit Hierarchie und
Macht/Ohnmacht zu tun. Erzwungene Penetration und andere Formen von Vergewaltigung sind neben vielen
anderen ein Mittel, mit dem der Mann sich seiner Superiorität, insbesondere im Konfliktfall, versichert und
erneut herstellt(5). Vergewaltigung ist ein Mittel, um Kontrolle und Dominanz herzustellen, insbesondere dann,
wenn sie bedroht erscheint. Vergewaltigung ist "normal". Sie ist nichts weiter als eine alltägliche Form der
Herstellung und Zementierung von Geschlechterrollen und hierarchien.

In den USA ist das Bewußtsein über die Existenz von sexualisierter Gewalt fortgeschrittener als in der BRD.
Hier sind einige aktuelle Zahlen von dort:
 

1 von 3 Frauen wird während ihrer Lebens vergewaltigt. 1 von 10 Männern wird als Erwachsener sexuell
angegriffen. Nur 2% aller angezeigten Vergewaltigungen sind unbegründet. 91% der Vergewaltigungen sind
geplant. 97% aller Vergewaltiger sind Männer. Über 85% aller Vergewaltigungen werden durch Bekannte des
Opfers begangen. Von 1000 Vergewaltigern, werden nur 3 eingeknastet(6).
 
"Es"- Gewalt nimmt zu - auf allen Ebenen!

Vergewaltigung ist strukturell vergleichbar mit den Übergriffen weißer Jungmänner gegen "Ausländer". Sexismen
und Rassismen verweisen auf ein politische Machtgefüge, in dem Dominanz ökonomisch, politisch und kulturell
durch ein Surplus an Partizipationsmöglichkeiten belohnt wird. Machtgefüge, die sich zeigen in den Fahrten
weißer Männer ins Land der Sexsklavinnen - Thailand (Fickbomber und Fidschisklatschen). Jeder Schuß ein
Ruß - jeder Stoß ein Franzos. Sieg und Niederlage. Konstruktion von eigener Stärke durch Schwächung und
Herabsetzung des Anderen.

Das Männer-Handbuch

Er hatte mir eine Rose auf dem Rummel geschossen, das Porzellan zerplatzte. Die Rose zitterte hin und her.
Richtig ansetzen und schießen. Dann Schenken. Dann Besitzen... Es gibt, wie ihr wißt, ungeschriebene
Handbücher für Männer, hier die Rezension von Jack Hoyles, der 25-jährig eine Haftstrafe von 17 Jahren in
einem Hochsicherheitstrakt verbüßt und noch 10 Jahre vor sich hat:
 

"Dein ganzes Leben lang wird dir beigebracht, gewalttätig zu sein, deine Probleme zu verdrängen und keine
Gefühle zu zeigen. deine Eltern geben dir die ersten Lektionen, wie du ein Mann bist.: "Heul nicht. Rede nicht
über Gefühle. Geh nicht zu nah an andere Männer heran. Du bist nicht verletzt. Du bist ein Schwuler, eine
Tunte, ein Arschficker, ein Homo. Steh auf und kämpfe, Schwächling. Dann hörst du die nächste Lektion, wie
du ein Mann bist, von deinen Freunden in der Clique. "Wenn dir eine Frau auf dem Kopf rumtanzt, gib ihr eins
auf den Kopf. Frauen sind hier. Also können wir soviel wie möglich vögeln. Frauen sind böse. Sie wollen, daß
Du sie schlägst. Sie mögen es. Sie wollte es von mir." Dieses Handbuch, daß noch niemand gesehen hat, ist
sehr hilfreich, weil es dich 100 und eine Möglichkeit lehrt, dich selbst und Frauen zu mißbrauchen. Das Buch ist
großartig, weil es sagt, daß es richtig ist, Frauen zu mißbrauchen, und es gibt sogar ein Kapitel, wie wir uns
selbst rechtfertigen können. Also tragen wir keine Verantwortung, haben keine Schuld und haben es nicht nötig,
uns zu verändern, da die Information von Mann zu Mann weitergegeben wird, daß dies ein akzeptables
Verhalten ist. [...] Laß uns nicht die Gesellschaft im allgemeinen vergessen, und die Rolle, die sie in diesem
berühmtberüchtigten und ungeschriebenen Buch über Gewalt und dem Blick auf Frauen als
(Fleisch-)Sexobjekte spielt. Die Medienmogule pumpen jeden Tag hunderte von Morden, Schlägereien und
andere Formen von Gewalt in unser Leben durch die Gedankenkontrolle.[...] Uns wird gesagt, daß es
akzeptabel ist, gewalttätig zu sein aber auch, daß wir, wenn wir gewalttätig sind, eingesperrt werden. [...] Es
gibt noch mehr Verwirrung. Auf der einen Seite wird uns gesagt, daß es richtig ist, dicht und gewalttätig zu sein
und keine Gefühle zu zeigen, während ich auf der anderen Seite eine Beziehung zu meiner Partnerin, Chrissie,
habe. Sie sagt: "Rede mehr, sei nicht so abweisend und zeige, was du fühlst. Es ist wie ein Krieg zwischen zwei
starken Botschaften an jeder Seite des Herzens. Wenn Du Frauen als Menschen begegnest, verlierst Du deine
Kumpel und wirst einsam. Gerade so, wie du die Liebe deiner Eltern verloren hast, wenn du Gefühle zeigtest
und weintest. Am Ende verlierst Du dich selbst in dieser Verwirrung. Ich weiß, daß ich da irgendwo bin, unter
all dem, was ich im Austausch für Liebe und Anerkennung lernen mußte. [...] Man muß Stellung beziehen
gegenüber diesem verrückten Buch mit seinen verrückten Regeln und Ausreden und nach seinem wahren ich
suchen, unter all dem Scheißdreck, den man lernen mußte. Sein wahres ich wird ihn aus der Dunkelheit führen
in die er geführt worden war. Sein wahres ich wird Licht bringen, wenn er nur den ersten Schritt tut und seinen
eigenen Weg geht. Dann kann er sich wahrhaft als Mann bezeichnen,(7)"
"Daß Männer von den sexuellen Herrschaftsverhältnissen schweigen, ist logisch. Ihr autis1isches und
usurpatorisches sexuelles Verhalten, das ihnen im Verlauf der Festigung und Erweiterung patriarchaler Macht
zum scheinbar natürlichen Bedürfnis wurde, ist Teil ihrer Identität, dessen Aufgabe ihre Identität als solche
bedroht. Das Frauen davon schweigen, liegt unter anderem an ihrer Identifikation mit dem Aggressor und
dessen Theorien. Und an der Angst der Sklavin vor den Frösten der Freiheit." (Ingrid Strobl)


Darüber spricht man nicht!

Anstatt den Mut zu sehen, den eine Frau aufbringt, wenn sie einen Täter benennt, reagiert der Großteil ihrer
Umwelt mit komplettem Unverständnis und Unbehagen. Psychologisch einfühlsam erklärt ist das ein simpler
Verdrängungsakt, Abgründe sind immer auch persönlich bedrohlich, always look an the bright side of life,
hinzukommt jedoch hier, daß die Verdrängung sich vervielfacht, in die betroffene Frau hineinwirkt, ihre Realität
wird ausgeschnitten und in den trash hineinverlagert, ihre Erfahrung verschwiegen und weggepackt, ihre Existenz
vernichtet, sie zum Schweigen gebracht. Doch keine Frau benennt Vergewaltigung grundlos, sie hat zuviel zu
befürchten. Eine lebenslange Stigmatisierung, den (unaus-) gesprochenen Angsthaß der Männer und mancher
Frauen auf die Nestbeschmutzerin, die fortwährende Wiederholung ihres Traumas. Oder, noch perfider und
reaktionärer, Beschuldigungen vor der Justiz wie im Fall HBW. (Das muß man sich mal klar machen, die
betroffenen Frauen benennen die Täter noch aus einem politischen Bewußtsein heraus nicht vor der Staatsjustiz.
Und die achso linken Täter zeigen die Frau bei der Klassenjustiz wegen übler Nachrede (o.ä.) an.) Aber das ist
ja naheliegend - Bullen und Staatsanwälte sind Männer. "Herr Wachtmeister, Herr Wachtmeister". Ihr
Schlafmützen und Nachtwächter!

Während Benennung von Rassismus und der Kampf gegen Rassisten und Faschisten als (Helden)tat bewertet
wird, ist die Benennung eines Vergewaltigers, damit die Benennung der Existenz von Patriarchat und
patriarchaler sexualisierter Gewalt, etwas zwiespältiges. Das ist dann ja auch so klebrig-persönlich. Und da, wo
es zwiespältig und widersprüchlich wird, beginnt das Schubladenprinzip im Stammhirn: Benennende Frauen
werden irgendwie durch die ihnen qua Körper zugeschriebenen Eigenschaften wie Emotionalität, Verletzlichkeit
und Sensibilität (das ist der alte Hysterie-Topos, 'freudvoll lach') zu solchen Aussagen getrieben. Sie sind quasi
nicht Subjekte des Benennungsaktes (des Sprechens als Handlunq und intentionale Tat, als Positionierung
innerhalb eines von Männern dominierten Diskurses). Sie werden dahin getrieben, sie können eben nicht
anders. Es ist jedenfalls nicht ihre Intelligenz, ihr Mut, ihr Rebellinnentum und Kampfgeist. (Und liegt an dem
jeweiligen Verhältnis zum vergewaltigenden Mann, womöglich hat sie sich zuwenig einfühlend um den Typ
gekümmert...blabla). Reaktionen der Herren der autonomen Männerbünde, allzu oft beobachtet. Einmal mehr.

Es macht den Anschein als bestehe die (Männer)-Szene aus profilierungswilligen und z.T. sehr klugen
Szene-Kleinstaatsanwälten, die sich "verhalten" (aber immer schön leise und verhalten) ohne Verantwortung zu
übernehmen, um "sich eine Position zu bilden". Immer hübsch abstrakt bleiben, meine Herren, nur nichts
anbrennen lassen. Was für eine Position? Was für eine Position unabhängig von der Benennung der
benennenden/betroffenen Frau? Könnten, um einen Vergleich zu bemühen, Rassisten unter sich eine
rassismuskritische Position entwickeln? Maßlose Torheit!

Für die benennende/betroffene Frau ist jede "Positionsbildung" ein Schlag ins Gesicht, eine Relativierung, ein
In-Frage-stellen ihrer Glaubwürdigkeit. Jedes mal neu das Trauma erleben - ich werde angezweifelt - ich bin
schuld - es liegt an mir. Um so länger dieser Prozeß anhält, desto eindringlicher für die Frau - der Zweifel
zerstört. Und immer wieder muß sie sich versichern: Ich habe es erlebt, es ist Realität, es ist meine Realität.
Wenn sie Glück hat, weiß sie, wie es läuft. Sie weiß, die Struktur des Täters bestand vor ihr, das Patriarchat
bestand vor ihr, die Erziehung/Zurichtung der Jungen zu Männern bestand vor ihr. Vielleicht weiß sie, daß ihre
eigene Zurichtung darin besteht, immer wieder zu verzeihen, zu schweigen, die Arme zu öffnen. Die
Frauenhäuser sind voll von Frauen, die abermals verziehen haben. Sie weiß, was sie erlebt hat und nie mehr los
wird, sie immer prägen wird. Vielleicht kann sie es schaffen, sich davon zu befreien und zu kämpfen. Liebe und
Kraft!

Und wenn es nicht an ihrer Person liegt, so muß man mal die Beziehung unter die Lupe nehmen. Dann beginnen
die gutgeschulten Szenekleinstaatsanwälte die Beziehung zu sezieren (Im Teilen und zertrennen waren sie schon
immer gut, die Herren in Weiß). Da findet man dann solche Zynismen wie den hier: Verständlich, daß der Typ
gewälttätig wird, es handelt sich bei der Vergewaltigung quasi um einen Befreiungsschlag des in der Beziehung
gefangenen Mannes, um seine Autonomie zurückzuerlangen. Da steckt dann die alte ödipale Angst vor
emotionaler Verbindlichkeit und Verantwortung (wird von Männern gern als Abhängigkeit bezeichnet) auch
noch drin. Dabei waren "wir" mit den Begriffen Abhängigkeit/ Unabhängigkeit schon mal weiter (zumindest auf
dem Papier, jaja):
 

"Der Ursprung der Wertsetzung der Unabhängigkeit liegt nicht in kapitalistischer, feudalistischer, rassistischer,
imperialistischer... Unterdrückung. Der Ursprung der Wertsetzung der Unabhängigkeit ist der Beginn des
historischen Mannes". Er konstituiert sich in der Negierung der Frau - als eigenständig, frei und unabhängig. Alle
anderen Ausbeutungsformen haben den "unabhängigen Mann" zur Grundlage. Vielleicht entstehen sie aus der
Notwendigkeit, die nicht existente Bedingung einlösen zu wollen, für einzelne und ein paar mehr Exemplare des
männlichen Geschlechts: den Lehnsherrn oder die Arbeiterklasse. Vielleicht ist nur auf der Grundlage dieser
"Unabhängigkeit" Abhängigkeit möglich- und notwendig. [...] Warum "der Mann" es nicht ertragen kann, von
uns abhängig zu sein und alles unternimmt, nicht mehr als "Produkt" gesehen zu werden - ich weiß es nicht. Das
möge der revolutionäre Mann beantworten, so es eine gemeinsame Entwicklung geben soll." (Vom Mythos der
Unabhängigkeit)(8)


Das Vergewaltigungsparadigma: Erfahrungen

Das sind Reaktionen, die desillusionieren und schmerzen. Sistas, wundert Euch nicht, es ist der normale
Verhaltenskanon:
 

  •  Männer, welche mit Charme sich mühen, Dich zu trösten, und eigentlich doch nur eine Fick wollen. 
  • Männer, die suchen, ob es irgendetwas geben könnte, in Deiner Vergangenheit, daß Dich sozial/politisch/persönlich unglaubwürdig machen könnte.
  • Männer, die Dich fragen, ab Du Dich gewehrt hast... 
  • Männer, die Verständnis für den Täter und Vergewaltiger signalisieren, weil Du "eine starke Frau" bist, gegen die der Mann sich eben nur körperlich gewalttätig behaupten könne. 
  • Männer, die den Täter schützen als Freund (obwohl Freundschaft als Unterstützung im emanzipatorischen Prozeß bedeuten würde, ihn mit seiner Tat zu konfrontieren). 
  • Männer, die "um den Weg zurück in die Szene offen zu halten", die Vergewaltigung als bloße Gewalt relativieren (Komisch, auch ganz schön creepy, das). Daß das Ausschluß von Frauen bedeutet, ist ihnen wohl nicht klar oder weniger wichtig. 
  • Männer, die auf den Vergewaltiger zeigen, als sei diese Struktur ihnen total fremd. Nach dem Motto da das Monster. 
  • Männer, die dem Täter, den Rat geben, "sich doch eine andere zu suchen", also die nächste potentielle Vergewaltigung noch unterstützen. Und natürlich auch das übliche Muster von Männern reproduzieren bei Konflikten eben umzusteigen/umzuschalten. ("Sind wir down wegen Fraun, werfen wir fünf Antifrust"(Ideal)) 
  • Frauen und Männer, die das Verhalten des Opfers beurteilen, ohne sich die komplizierten psychologischen Mechanismen des Vergewaltigungstraumas klarzumachen. 
  • Frauen, die um die Bestätigung von ihnen nahestehenden Männern bangen und deshalb die Aussagen des Opfers/der benennenden Frau infrage stellen. 
  • Frauen, die nicht Stellung beziehen, aus Angst als "lustfeindlichen Emanzen" zu gelten. 
  • Frauen, die schweigen und schweigen und schweigen... 
Das Vergewaltigungsparadigma
 
 "Das Vergewaltigungsparadigma ist am besten zu veranschaulichen durch die Art, wie die Polizei,  die Gerichte und die Öffentlichkeit durchweg mit Vergewaltigung umgehen. Die Reaktion dieser  Einrichtungen auf Opfer von Vergewaltigung legt das Gefüge frei, in dem sexuelle Gewalt und  Sklaverei gedeihen. Von einem vergewaltigten Opfer wird erwartet, daß es übermächtigen  Faktoren zum Trotz - zu denen Betrug, List, physischer Zwang und Gewalt, Manipulation und  Todesangst zählen - heil entkommen ist. Kann sich die Frau der Situation, in der die       Vergewaltigung stattfindet, nicht entziehen, so wird angenommen, daß sie irgendwie an dem   Überfall mitschuldig war. Folglich wird er nicht mehr als Überfall betrachtet, und sie ist nicht  wirklich ein Opfer. Ihre Viktimisation wird, je nach dem Wert ihres Wortes, der Beurteilung ihres   Charakters, der Keuschheit ihres vergangenen Geschlechtslebens, ihrer Art sich zu kleiden, dem Funkeln in ihrem Auge und dem Lächeln auf ihren Lippen, bewiesen oder widerlegt. Jedes Vergewaltigungsopfer wird als ein in sich abgeschlossenes Gesellschaftsstudium behandelt, um          festzustellen, warum Männer Frauen das antun, was sie ihnen antun. Keine weitere Analyse  gesellschaftlicher Machtfaktoren oder männlichen Verhaltens braucht in Erwägung gezogen werden. Nichts außerhalb ihr selbst, nicht einmal ihr Angreifer, erklärt die Vergewaltigung. Dies ist  das Vergewaltigungsparadigma."(9)

 
 "Frauen, die vergewaltigt oder sexuell versklavt wurden, sind weniger Opfer als vielmehr Überlebende. Überleben ist die Kehrseite von Opfersein. Es beinhaltet Willen, Tätigkeit, Initiative  von seiten des Opfers. Jede Frau, die in einer Situation sexueller Gewalt gefangen ist, muß Momententscheidungen über ihr Überleben treffen. Sie muß alles, was sie an Reserven hat, um auf  die Situation einzuwirken, aus sich herausholen. Wenn ihr Mann sie nach mehreren Ehejahren  plötzlich zu schlagen beginnt [...], muß sie entscheiden, ab sie an einem kritischen Punkt angelangt          ist, ob sie ernsthaft bedroht wird oder ob auch dies vorübergehen wird. Sehr wahrscheinlich; hat  sie wenig Übung darin, mit einer solchen Art von Trauma umzugehen, und mag glauben - wie viele Vergewaltigungsopfer vor ihr - daß passives Hinnehmen der beste Weg sei, um die Sache durchzustehen." (10)


Genau darum geht es. Nicht länger passiv hinzunehmen, sondern zu handeln. Der erste Schritt ist  die Benennung, das ist kein Jammern sondern eine Tat, welche in einer Äußerung eines Anspruchs  besteht: ein claim, am Diskurs und Definition nicht nur teilzuhaben, sondern ihn selbst zu  bestimmen. Und das ist, in Zeiten wie diesen, bereits kämpfen. Und das ist Rebellion. Und Mut.  Anagan!

 In Erinnerung an: Mia Zapata (vergewaltigt und ermordet 7. Juli 1993) Namenlose Frau aus der  Anti-Castor-Bewegung (vergewaltigt und nach Selbsttötung im März 1997 gestorben) Dank und  Respekt an: die unermüdliche Pastaköchin; alle, die da waren und sind; & Louise Colet, Simone de Beauvoir, Verena Stefan, Valerie Solanas, Helene Cixous, Andrea Dworkin, Ingüd Strobl, Audre Lorde, Kathleen Hanna, Kathy Acker, Anne Clark, Lydia Lunch, all tough and passionate ladies and sisters (and correct brothers) worldwide!

          Muschi Untermaier, März/Okt. 1997

          1) Ingrid Strobt. Die Angst vor den Frosten der Freiheit in: Metropolengedanken und Revolution.
          Texte zur Patriarchats-, Rassismus, Internationalismusdiskussion, Berlin 1991 (ID-Archiv),
          S.13-25, S.21 2) Kalhy Acker."The Language Of The Body im Internet unter etheory (http
          J/www.ctheory.com/a-language_of_the_body.htm) (3) Lateinisch: Was zu beweisen war,
          (Message auch des Arranca!-Sexualitätsheftes So.96). (4) Jedi-Ritter. Harte Zeiten,
          Gewaltstrukturen. Zum bürgerlichen Staat und dem patriarchalen Geschlechterverhältnis, 1992 (5)
          meint auch W. Wieck in seinem Buch: Männer lassen lieben, in dem er am Schluß daraufhinweist,
          Frauen sollten den Männern schon n bißchen therapeutisch zur Seite stehen, also schon son
          bißchen nett sein... (6) Beiheft zu Hardcore-Sampler "Give me Back", Label: ebullition, Kontakt:
          Sonia Skinrud; PO Box 680; Goleta, CA93116 (7) Jack Hoyles: "Wie kein Mann sein?" in:
          Schwere Jungs- Männer und/im Knast (Sonderausgabe des Männenrundbriefs Mai 1996,
          Herausgeberlnnen: Männer-Medienarchiv c/o Schwarzmarkt Hamburg/Männerarchiv c/o
          Papiertiger Berlin/Gefangeninitiative e.V. Dortmund) (8) Vom Mythos der Unabhängigkeit oder:
          das bestürzende Bild der Bedingung Mann zu sein - ein Versuch in: Metropolengedanken und
          Revolution. Texte zur Patriarchats-, Rassismus-, Internationalismusdiskussion, Berlin 1991
          (ID-Archiv), S 73-80, S.79f.. (9) Kalhleen Barry Sexuelle Versklavung von Frauen (leider habe
          ich nur eine Kopie, also suchen...) 15)"Kathleen Barry: Sexuelle Versklavung von Frauen