[zurück]

Prozesserklärung
 

vom 5.4.2001 durch Alexander Gerschner, angeklagt wegen Hausfriedensbruchs
im Rahmen der Besteigung des Fernsehturms am berliner Alexanderplatz am
25.1.2000.
 

Im Januar letzten Jahres fand eine spektakuläre Aktion in Berlin statt.
Eine Gruppe Umweltschützer unternahm den Versuch, den Fernsehturm am
berliner Alexanderplatz zu besteigen und an dessen Aussenfassade ein Transparent mit
der Aufschrift"Stop Itoiz Dam"anzubringen. Zwei der Aktivisten
gehören der baskischen Umweltschutzgruppe SOLIDARIAS CON ITOIZ an, einer ist
Mitglied der deutschen Umweltschutzorganisation Robin Wood. Beide
Organisationen treten mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen gewaltfrei für ihre Ziele
ein. Die Kletterer harrten 12 Stunden bei Temperaturen unter Null Grad und zum
Teil starkem Wind in 60 m Höhe aus um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen:
Den Bau des riesigen ITOIZ-Staudammes im Baskenland. 
Lokale baskische Initiativen kämpfen seit 17 Jahren gegen das Projekt. In
der Vergangenheit war dieses Bauvorhaben mit schwerer Korruption auf höchster
politischer Ebene verbunden: Ein ehemaliger Ministerpräsident von Navarra und
ein ehemaliger spanischer Bauminister verbüßten Haftstrafen wegen des
Schmiergeldempfangs von beteiligten Baufirmen. Die Ausdauer des Widerstands hat
dafür gesorgt, daß der Staudamm von Itoiz eines der meistdiskutierten
Umweltthemen in Spanien geworden ist. Es gab Großdemonstrationen mit mehr als 15.000
TeilnehmerInnen. Lokale AktivistInnen wurden wegen gewaltfreier direkter
Aktionen gegen den ITOIZ-Staudamm mit mehrjährigen Haftstrafen belegt.
Die verantwortlichen spanischen Behörden haben im Februar entschieden, das
Aufstauen der Flüsse Irati und Urrobi mittels der bei Itoiz errichteten
Talsperren endgültig einzuleiten und damit die Anlage in Betrieb zu nehmen -
ungeachtet eines kürzlich erschienen Sicherheitsgutachtens, verfaßt von einem
international berufenen Professor der Ingenieurwissenschaften, demzufolge mit der
Inbetriebnahme des Itoiz-Staudammes höchste Risiken verbunden sind. Diese
Risiken würden in anderen EU-Ländern zum Stopp des Projektes führen.
Professor Arturo Rebollo Alonso, Autor des Gutachtens, welches seit November
großes Aufsehen in der spanischen Öffentlichkeit erregt hat, führt "sieben
Risiken mit Katastrophenfolge" an, von welchen jedes einzelne einen Stopp des
ITOIZ-Projektes rechtfertigen würde. Einer der schwerwiegendsten
Risikofaktoren ist die Instabilität des Untergrundes der größeren der beiden Talsperren
in Kombination mit der Tatsache, daß sich flußabwärts direkt am Ufer das
Atomkraftwerk ASCÓ befindet. Bei einem Bruch der Talsperre, den Prof. Rebollo für
wahrscheinlich hält, droht neben der Verwüstung des gesamten Flußlaufes bis
zum Mittelmeer und dem sicheren Tod tausender Menschen der atomare GAU in
Ascó. Auch eine vom spanischen Umweltministerium in Auftrag gegebene Risikostudie
sieht das Projekt mit "maximalem Risiko" behaftet.
Nachdem alle anderen Versuche, dieses Projekt zu stoppen, gescheitert waren,
sahen die baskischen Umweltschützer als letzte Möglichkeit nur noch den Weg,
europaweit mittels spektakulärer, medienwirksamer, dabei aber immer
gewaltfreier Aktionen öffentliche Aufmerksamkeit für ihren verzweifelten Kampf zu
bekommen. Dabei erkletterten sie bekannte Baudenkmäler, wie das Brandenburger
Tor in Berlin und den Petersdom im Vatikan.
Es geht längst nicht mehr ausschließlich um den Erhalt ihrer Heimatdörfer,
Täler und bedrohter Naturschutzgebiete. Es besteht die Gefahr, daß bei dem
durch seriöse Gutachten prognostizierten Bruch des Staudamms weite Teile Süd-
und Mitteleuropas atomar verseucht werden. Dessen sind sich inzwischen auch
andere große Umweltverbände bewußt, wie z.B. der WWF, der kürzlich eine Kampagne
zur Verhinderung dieses wahnwitzigen Vorhabens gestartet hat.
Angesichts der immensen Gefahr, die von diesem Staudammprojekt ausgeht,
halte ich eine Verurteilung für unverhältnismäßig und fordere Freispruch für mich
sowie die Einstellung aller in Spanien anhängigen Verfahren gegen die
Aktivisten von SOLIDARIAS CON ITOIZ.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.