Juni 1984
Frage: Fangen wir damit an, wer ihr eigentlich seid?
Zora 1: Meinste das jetzt persönlich - dann sind wir Frauen zwischen 20 und 51, einige von uns verkaufen ihre Arbeitskraft auf dem Markt der Möglichkeiten, einige nehmen sich, was sie brauchen, andere sind noch nicht durchs soziale Netz gefallen. Einige haben Kinder, viele andere nicht. Manche Frauen sind lesbisch, andere lieben Männer. Wir kaufen in ekelhaften Supermärkten, wir wohnen in häßlichen Häusern, wir gehen gerne spazieren oder ins Kino, ins Theater, die Disco, wir feiern Feste, wir pflegen das Nichtstun. Klar - wir leben in dem Widerspruch, daß viele Sachen, die wir machen wollen, hinkriegen wollen, spontan und nach dem Bockprinzip nicht klappen können. Aber nach gelungenen Aktionen freuen wir uns riesig.
Frage: Wie seid ihr zu eurem Namen gekommen?
Zora 2: Die »rote Zora und ihre Bande« - das ist die wilde Göre, die die Reichen bestiehlt, um's den Armen zu geben. Und Banden bilden, sich außerhalb der Gesetze zu bewegen, das scheint bis heute ein männliches Vorrecht zu sein. Dabei müssten doch gerade die tausend privaten und politischen Fesseln, mit denen wir als Mädchen und Frauen kaputtgeschnürt werden, uns massenhaft zu »Banditinnen« für unsere Freiheit, unsere Würde, unser Menschsein machen. Gesetze, Recht und Ordnung sind grundsätzlich gegen uns, selbst wenn wir uns ein paar Rechte schwer erkämpft haben und täglich neu erkämpfen müssen. Radikaler Frauenkampf und Gesetzestreue - das geht nicht zusammen!
Frage: Aber es ist doch kein Zufall, daß euer Name die gleichen Anfangsbuchstaben wie der der Revolutionären Zellen hat.
Zora 1: Nein, natürlich nicht. Rote Zora soll auch ausdrücken, daß wir die gleichen Grundsätze wie die RZ haben, dieselbe Konzeption, illegale Strukturen aufzubauen, ein Netz zu schaffen, das der Kontrolle und dem Zugriff des Staatsapparates entzogen ist. Nur so können wir - im Zusammemhang mit den offenen, legalen Kämpfen der verschiedenen Bewegungen - auch subversive und direkte Aktionen durchführen. »Wir schlagen zurück!« - diese Parole der Frauen aus dem Mai 68 [2] ist heute in Bezug auf die individuelle Gewalt gegenüber Frauen unumstritten. Heftig umstritten und weitgehend tabuisiert ist sie jedoch als Antwort auf die Herrschaftsverhältnisse, die diese Gewalt erst ständig auf's Neue erzeugen.
Frage: Was für Aktionen habt ihr bisher gemacht und auf welchem Hintergrund?
Zora 2: Angefangen haben die »Frauen der RZ« 1974 mit einem Bombenanschlag auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, weil wir ja alle die Abschaffung des 218 wollten und nicht diese jederzeit manipulierbare Indikationslösung. In der Walpurgisnacht 77 haben wir einen Sprengsatz bei der Bundesärztekammer gezündet, weil von dort aus selbst diese reduzierte Abtreibungsreform mit allen Mitteln hintertrieben wurde. Dann der Anschlag auf Schering während des Duogynonprozesses. [3] Und immer wieder Angriffe gegen Sexshops. Eigentlich sollte täglich einer dieser Pornoläden brennen oder verwüstet werden! Also: wir halten es für eine absolute Notwendigkeit, die Ausbeutung der Frau als Sexualobjekt und Kinderproduzentin aus dem »Privatbereich« herauszureißen und mit Feuer und Flamme unsere Wut und unseren Zorn darüber zu zeigen.
Zora 1: Wir beschränken uns allerdings nicht auf Strukturen direkter, d.h. augenscheinlicher Frauenunterdrückung. Als Frauen sind wir ebenso von den gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen insgesamt betroffen, ob es sich nun um Stadt- oder Umweltzerstörung handelt oder um kapitalistisch organisierte Produktionsformen, also Verhältnisse, denen auch die Männer ausgesetzt sind. Wir wollen keine »linke« Arbeitsteilung nach dem Motto: die Frauen für die Frauenfragen, die Männer für allgemeine politische Themen. Die Verantwortung für die Veränderung unseres Alltags lassen wir uns nicht nehmen! Deshalb haben wir z.B. die Prachtschlitten der Anwälte vom Miethai Kaußen angezündet, die für eine ganze Reihe brutaler Häuserräumungen verantwortlich waren. Deshalb haben wir durch den Nachdruck »echter Fahrscheine«, die wir zusammen mit den RZs im Ruhrgebiet verteilt haben, ein bißchen den Nulltarif eingeführt.
Zora 2: Unsere letzten Anschläge richteten sich gegen Siemens und die Computerfirma Nixdorf. Sie treiben mit der Entwicklung neuer Herrschaftstechnologien immer ausgeklügeltere Möglichkeiten der Kriegsproduktion und der Widerstandsbekämpfung voran. Darüberhinaus ging es uns dabei um ihre Vorreiterfunktion bei der Umstrukturierung von Arbeit, vor allem auf dem Rücken der Frauen weltweit. So wie hier die Frauen in Heimarbeit, Kapovaz [4] und Teilzeitarbeit voneinander isoliert und ohne soziale Absicherung profitabler ausgebeutet werden sollen - mit den Technologien dieser Firmen - so werden die Frauen in der sog. 3. Welt bei der Produktion dieser Elektronik regelrecht verschlissen. Mit 25 sind sie total kaputtgearbeitet, ausrangiert!
Frage: Diese Verbindung zur 3. Welt, aus Ausbeutung der Frauen dort - inwieweit ist das wichtig für euch?
Zora 1: Diesen Zusammenhang haben wir bisher bei all unseren Anschlägen erklärt, so auch gegen die Frauenhändler und die philippinische Botschaft im vergangenen Jahr. Wir kämpfen nicht für die Frauen in den Ländern der Peripherie, sondern mit ihnen - z.B. gegen die Ausbeutung der Frauen als Ware. Dieser moderne Sklavinnenhandel hat ja seine Entsprechung in den ehelichen Besitzverhältnissen hier. Die Formen der Unterdrückung sind zwar verschieden, aber sie haben gemeinsame Wurzeln. Wir wollen uns nicht länger gegeneinander ausspielen lassen. Die Spaltung zwischen Männern und Frauen findet international ihre Entsprechung in der Spaltung zwischen den Völkern der 1. und der 3. Welt. Wir selbst profitieren von der internationalen Arbeitsteilung. Wir wollen unsere Verflechtung mit diesem System durchbrechen und unsere Gemeinsamkeiten mit den Frauen anderer Länder rauskriegen.
Frage: Ihr habt erklärt, wie ihr eure Praxis begreift. Warum ihr euch im Zusammenhang der RZs organisiert, geht daraus allerdings nicht hervor.
Zora 2: Hauptgrund ist erstmal, daß diese Politik von den RZs entwickelt wurde und wir finden sie nach wie vor richtig. Wir haben in unserer Entwicklung eigene Inhalte bestimmt - deswegen sind wir ja als Frauen autonom organisiert - greifen aber auf die Erfahrungen der RZs zurück. Darüberhinaus kann eine Zusammenarbeit von radikalen Gruppen den militanten Widerstand insgesamt stärken. Es gab produktive Zusammenarbeit wie die Aktionen zum Reagan-Besuch oder das Diskussionspapier zur Friedensbewegung (»In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod!«). Es gibt auch immer wieder nervige Diskussionen. Denn die Männer, die ansonsten ihren radikalen Bruch mit diesem System in eine konsequente Praxis umsetzen, sind oft erschreckend weit davon entfernt, zu begreifen, was antisexistischer Kampf heißt und welche Bedeutung er für eine sozialrevolutionäre Perspektive hat. Es ist unter uns Frauen auch umstritten, wo die Grenzen sind, an denen uns die Zusammenarbeit stärkt oder unseren Frauenkampf lähmt. Wir denken aber, daß uns mit einigen Frauen der RZs unsere feministische Identität verbindet.
Frage: Heißt das, daß ihr euch als Feministinnen versteht?
Zora 1: Ja, selbstverständlich gehen wir davon aus, daß das Private politisch ist. Deshalb sind unserer Auffassung nach alle sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse, die das sogenannte Private ja erst strukturieren und verfestigen, eine Aufforderung zum Kampf gerade für uns Frauen. Das sind die Ketten, die wir zerreißen wollen. Aber es ist zu kurz gegriffen, die Unterdrückung von Frauen hier in der BRD zum alleinigen Dreh- und Angelpunkt von Politik zu machen und andere Herrschafts- und Gewaltverhältnisse wie Klassenausbeutung, Rassismus, die Ausrottung ganzer Völker durch den Imperialismus dabei auszublenden. Diese Haltung geht der Misere niemals auf den Grund: daß nämlich Frauenunterdrückung und geschlechtliche Arbeitsteilung Voraussetzung und Grundlage für Ausbeutung und Herrschaft in jeglicher Form sind - gegenüber anderen Rassen, Minderheiten, Alten und Kranken und vor allem gegenüber Aufständischen und Unbezähmbaren.
Zora 2: Die Schwierigkeiten fangen für uns da an, wo feministische Forderungen dazu benutzt werden, in dieser Gesellschaft »Gleichberechtigung« und Anerkennung zu fordern. Wir wollen keine Frauen in Männerpositionen und lehnen Frauen ab, die Karriere innerhalb patriarchaler Strukturen unter dem Deckmantel des Frauenkampfes machen. Solche Karrieren bleiben ein individueller Akt, von dem nur einige privilegierte Frauen profitieren. Denn die Verwaltung, die Gestaltung der Macht wird Frauen in dieser Gesellschaft nur gewährt, wenn sie in diesen Positionen Interessen der Männer vertreten oder der jeweilige Aufgabenbereich Fraueninteressen gar nicht erst zuläßt.
Frage: Die Frauenbewegung war in den 70er Jahren ziemlich stark. Sie hat auf legalem Weg einiges erreicht. Stichworte dazu sind: Kampf gegen 218, Öffentlichmachung von Gewalt gegen Frauen in Ehe und Familie, Vergewaltigung als Akt der Macht und Gewalt, Schaffung autonomer Gegenstrukturen. Warum behauptet ihr dann die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes?
Zora 1: Sicher, die Frauenbewegung hat vieles erreicht, und ich finde, das wichtigste Ergebnis ist, daß sich ein breites gesellschaftliches Bewußtsein von Frauenunterdrückung entwickelt hat. Und daß Frauen ihre Unterdrückung nicht mehr individuell erfahren, sich gar selbst die Schuld an ihrer Misere geben, sondern daß Frauen sich zusammengefunden und ihre gemeinsame Stärke erfahren haben. Auch das, was durch die Frauenbewegung aufgebaut wurde, die Frauenbuchläden, die Frauenzentren, Frauenzeitungen oder Treffs wie die Sommeruni [5] und Kongresse - das alles gehört mittlerweile zur politischen Realität und ist fester Bestandteil für die Weiterentwicklung unseres Kampfes.
Zora 2: Manche Erfolge waren auch eher Ausdruck einer gesellschaftlichen Situation, in der Frauen Freiräume gewährt werden konnten; klar - als man die Frauen in die Produktion und in die Büros haben wollte, wurden mehr Kindergartenplätze geschaffen. Zur grundsätzlichen Änderung der Lebenssituation der Frau hat das nicht geführt. Dazu gehört eine kontinuierliche Bewegung, deren Ziele nicht integrierbar sind, deren kompromißloser Teil sich nicht in legale Formen zwängen läßt - deren Wut und Entschlossenheit in außerparlamentarischen Kämpfen und antiinstitutionellen Formen ungebrochen zum Ausdruck kommt.
Zora 1: Der legale Weg ist nicht ausreichend, denn die gewöhnlichen Unterdrückungs- und Gewaltstrukturen sind ja die Legalität: wenn Ehemänner ihre Frauen schlagen und vergewaltigen, dann ist das legal. Wenn Frauenhändler unsere Schwestern aus der »3. Welt« kaufen und an deutsche Biedermänner weiterverkaufen, dann ist das legal. Wenn Frauen für ein Existenzminimum eintönigste Arbeit machen müssen und dabei ihre Gesundheit ruinieren, dann ist das legal. Alles Gewaltverhältnisse, die wir nicht länger bereit sind zu ertragen und hinzunehmen, die nicht allein dadurch abzuschaffen sind, daß wir sie anprangern. Die öffentliche Bewußtmachung des Ausmaßes an Gewalt gegen Frauen ist ein wichtiger Schritt, der aber nicht dazu geführt hat, sie zu verhindern. Es ist ein Phänomen, daß den schreienden Ungerechtigkeiten, denen Frauen ausgesetzt sind, ein unglaubliches Maß an Ignoranz entgegenschlägt. Es ist eine Toleranz, die männliches Nutznießertum entlarvt. Dieser »Normalzustand« hängt damit zusammen, daß es wenig militante Gegenwehr gibt. Unterdrückung wird erst sichtbar durch Widerstand. Deswegen sabotieren, boykottieren wir, fügen Schaden zu, rächen uns für erfahrene Gewalt und Erniedrigung, indem wir die Verantworlichen angreifen.
Frage: Wie schätzt ihr die derzeitige Frauenbewegung ein?
Zora 2: Von der Frauenbewegung zu sprechen, finden wir falsch. Einerseits wird unter Frauenbewegung verstanden, was aus den alten Strukturen resultiert und davon übriggeblieben ist, von Projekten, Treffs bis hin zur Mystik. Es gibt viele Strömungen, die sich jedoch nicht fruchtbar ergänzen, sondern teilweise ausschließen und bekämpfen. Andererseits gehen neue politische Impulse von anderen Zusammenhängen aus, in denen sich Frauen als Frauen ihrer Unterdrückung bewußt werden, die radikal patriarchale Strukturen in Frage stellen und im Interesse der Frauen Politik machen - z.B. die Frauen in Lateinamerikagruppen, im Häuserkampf, in antiimperialistischen Gruppen. Deswegen stimmt auch der Satz: die Frauenbewegung ist tot, es lebe die Frauenbewegung! Denn die Frauenbewegung ist keine Teilbewegung wie die AKW-Bewegung oder der Häuserkampf, die sich überleben, wenn keine AKWs mehr gebaut werden und Spekulationsobjekte nicht länger zur Verfügung stehen. Die Frauenbewegung bezieht sich auf die Totalität patriarchaler Strukturen, auf deren Technologie, deren Arbeitsorganisation, deren Verhältnis zur Natur und ist damit ein Phänomen, das nicht mit der Beseitigung einzelner Auswüchse verschwindet, sondern erst in dem langen Prozeß der sozialen Revolution.
Zora 1: Die Frauenbewegung hat ihre Niederlage beim 218 und bei der staatlichen Finanzierung von Projekten wie der Frauenhäuser nie richtig analysiert. Es fehlt ein ablehnendes Verhältnis zu staatlicher Politik. Zusätzlich wurde die Wende in der Familienpolitik durch die Welle der neuen Mütterlichkeit [6] in der Frauenbewegung vorweggenommen. Die Klassenfrage wurde auch immer ausgeklammert, soziale Unterschiede wurden durch die Gleichheit der sexistischen Ausbeutung negiert. Das erschwert gerade in der jetzigen Krise eine Antwort auf die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und verschärfte Ausbeutung sowie auf die reaktionäre Familienpolitik. Das Fehlen einer Handlungsperspektive, um angemessen auf den Krisenangriff zu reagieren, führt zu dem Dilemma, entweder offensiv gegen die reaktionäre Politik vorzugehen oder lediglich die Entfaltung von Subjektivität in Frauenfreiräumen zu retten. Diesen Widerspruch können wir nicht theoretisch lösen und die praktische Konsequenz, z.Zt. Frauenräte/Weiberräte zu bilden, ist keine vorantreibende Lösung. Erfahrungsgemäß erreichen wir Frauen keine Macht auf Wegen, die gerade dazu da sind, Frauen auszuschließen, die patriarchale Herrschaft zu sichern und zu erhalten. Deshalb sehen wir im Weiberrat, der darauf ausgerichtet ist, Einflußnahme in Parteien und Institutionen zu organisieren, den falschen Weg.
Zora 2: Aber dazu gibt es mittlerweile auch andere wichtige Diskussionsansätze und Analysen unter Frauen, die die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung zum Gegenstand haben. So werden aus der Sicht von unten die verschärfte Ausbeutung mit Hilfe neuer Technologien untersucht, die neuen Lohn- und Arbeitsformen werden in ihren Folgen für die Frauen analysiert, die indirekten Gewaltstrukturen gegen Frauen werden immer genauer erfaßt. Der Alltagskrieg gegen Frauen - die harte Pornowelle und die zunehmende frauenverachtende Propaganda - sowie die gesellschaftliche Aufforderung zu mehr Mütterlichkeit, mehr Weiblichkeit werden von vielen Frauen deutlich erkannt und abgelehnt. Ebenso, daß die Krise und die neuen Kapitalstrategien diese rückschrittliche Frauen- und Familienpolitik zur Voraussetzung haben. Bevölkerungspolitik - und dazu rechnen wir auch die Änderung des 218 - ist der Versuch einer qualitativen Einflußnahme auf die Entwicklung der Bevölkerung. Zusammen mit der staatlich geförderten Gentechnologie ist es unter anderem Ziel, den »gesunden deutschen Mittelstand« zu vermehren - eine Auslese, die verhindert werden muß. Wir brauchen heute dringender denn je eine radikale Frauenbewegung, die die Kraft hat, ganz konkret die gesellschaftliche und sozialpolitische Einkreisung nicht nur der Frauen, sondern auch anderer Bevölkerungsgruppen wie Ausländer und Minderheiten zu verhindern und aufzubrechen. Eine Frauenbefreiungsbewegung, die die Hoffnung auf Revolution nicht nur zu einem schönen Traum verkommen läßt.
Frage: Begreift ihr euch als Teil der Frauenbewegung oder als Teil der Guerilla oder beides und wie seht ihr den Zusammenhang?
Zora 1: Wir sind Teil der Frauenbewegung, wir führen den Kampf um Frauenbefreiung. Neben den theoretischen Gemeinsamkeiten gibt es noch einen anderen Zusammenhang zwischen unserer Praxis und der legalen Frauenbewegung: nämlich den der subjektiven Radikalisierung, die auch anderen Frauen Mut machen kann, sich zu wehren, die dazu beiträgt, daß Frauen sich selbst und ihren Widerstand ernstnehmen. Das Gefühl der Stärke, wenn du sieht, du schaffst etwas, wovor du vorher Angst hattest und wenn du siehst, es bewirkt was. Diese Erfahrung würden wir auch gerne vermitteln. Wir denken nicht, daß das in den Formen ablaufen muß, die wir gewählt haben. Zum Beispiel die Frauen, die in Berlin eine Peep-Show störten, dort Frauenzeichen und Gestank hinterließen, solche Aktionen machen uns Mut, stärken uns und wir hoffen, daß es anderen Frauen mit unseren Aktionen auch so geht. Unser Traum ist, daß es überall kleine Frauenbanden gibt - wenn in jeder Stadt ein Vergewaltiger, ein Frauenhändler, ein prügelnder Ehemann, ein frauenfeindlicher Zeitungsverleger, ein Pornohändler, ein schweinischer Frauenarzt damit rechnen und sich davor fürchten müßte, daß eine Bande Frauen ihn aufspürt, ihn angreift, ihn öffentlich bekannt und lächerlich macht - also z.B. an seinem Haus steht, wer er ist, was er getan hat - an seiner Arbeitsstelle, auf seinem Auto - Frauenpower überall!
Frage: Bei euren Aktionen gefährdet ihr unter Umständen das Leben Unbeteiligter. Wie könnt ihr das verantworten?
Zora 2: Woher kommt eigentlich die Unterstellung, daß, wer mit Unkraut-Ex oder mit Sprengstoff hantiert, all das über Bord werfen würde, was für euch, für die Frauenbewegung, für die Linke wie selbstverständlich gilt? Umgekehrt! Gerade die Möglichkeit, Leben zu gefährden, zwingt uns zu besonderer Verantwortlichkeit. Du weißt genauso gut wie wir, daß wir einpacken könnten, wenn du mit deiner Frage recht hättest. Es wäre doch paradox, gegen ein System zu kämpfen, dem menschliches Leben nur so viel wert ist, wie es verwertbar ist und im Zuge dessen ebenso zynisch, ebenso brutal zu werden, wie die Verhältnisse sind. Es gibt -zig Aktionen, die wir wieder verworfen haben, weil wir die Gefährdung Unbeteiligter nicht hätten ausschließen können. Manche Firmen wissen sehr genau, warum sie sich mit Vorliebe in belebten Häusern einnisten. Sie spekulierten auf unsere Moral, wenn sie sich in Mehrfamilienhäusern niederlassen, um dadurch ihr Eigentum zu schützen.
Frage: Was sagt ihr zu dem Argument: bewaffnete Aktionen schaden der Bewegung. Sie tragen dazu bei, daß die Frauenbewegung mehr als bisher überwacht, bespitzelt wird, daß sie als terroristisch diffamiert, von der Mehrheit der Frauen abgespalten und isoliert werden könnte?
Zora 1: Der Bewegung schaden - damit meinst du die einsetzende Repression. Es sind nicht die Aktionen, die der Bewegung schaden - im Gegenteil: sie sollen und können die Bewegung direkt unterstützen. Unser Angriff auf die Frauenhändler hat z.B. mit dazu beigetragen, daß deren Geschäfte öffentlich wurden, daß sie sich bedroht fühlen und wissen, daß sie mit dem Widerstand von Frauen rechnen müssen, wenn sie ihre Geschäfte weiterbetreiben. Und wenn die Herren wissen, sie haben mit Widerstand zu rechnen, dann ist das eine Stärkung für unsere Bewegung.
Zora 2: Die radikalen Teile mit allen Mitteln abzuspalten und zu isolieren, um die Bewegung insgesamt zu schwächen, ist seit jeher Strategie der Widerstandsbekämpfung. Wir haben in den 70er Jahren die Erfahrung gemacht, wohin es führt, wenn Teile der Linken die Propaganda des Staates übernehmen, wenn sie anfangen, für staatliche Verfolgung, Vernichtung und Repression diejenigen verantwortlich machen, die kompromißlos kämpfen. Sie verwechseln dabei nicht nur Ursache und Wirkung, sondern rechtfertigen damit implizit den Staatsterror. Sie schwächen damit ihre eigene Position. Sie engen den Rahmen ihres Protests, ihres Widerstands selbst ein.
Zora 1: Unsere Erfahrung ist: um unberechenbar zu bleiben und uns vor den Zugriffen des Staates zu schützen, ist ein verbindlicher Zusammenschluß notwendig. Wir können es uns nicht mehr leisten, daß jede Gruppe alle Fehler wiederholt. Es muß Strukturen geben, in denen Erfahrungen und Kenntnisse ausgetauscht werden und der Bewegung nützen können.
Frage: Wie sollen nicht autonom/radikal organisierte Frauen verstehen, was ihr wollt? Bewaffnete Aktionen haben doch eine »abschreckende Wirkung«.
Zora 2: Warum hat es keine abschreckende Wirkung, wenn ein Typ Frauen verkauft, sondern wenn sein Auto brennt? Dahinter steckt, daß gesellschaftlich legitimierte Gewalt akzeptiert wird, während ein entsprechendes Zurückschlagen abschreckt. Mag sein, daß es erschreckt, wenn Selbstverständliches in Frage gestellt wird, daß Frauen, die von klein auf die Opferhaltung eingebleut kriegen, verunsichert sind, wenn sie damit konfrontiert werden, daß Frauen weder Opfer noch friedfertig sind. Das ist eine Herausforderung. Die Frauen, die ihre Ohnmacht wütend erleben, finden sich in unseren Aktionen wieder. Denn so, wie jeder Gewaltakt gegenüber einer Frau ein Klima von Bedrohung gegenüber allen Frauen schafft, so tragen unsere Aktionen, auch wenn sie sich nur gegen einzelne Verantwortliche richten, mit dazu bei, ein Klima zu entwickeln: Widerstand ist möglich!