Dieses Dokument ist Teil des Buches Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg, 1998
22876 Wedel, Industriestr. 23-33
Beschäftigte: 716, davon 639 in Wedel und 77 in Essen (1996)
Umsatz: ca. 160 Mio. DM (1995), 189 Mio.DM (1996)
Geschäftsführer: Rainer Grün, Gerd Eckle
Die Gesellschaft wurde zum 1. Juli 1994 von der Deutschen Aero-space AG (Dasa) gegründet und handelsrechtlich zum 1. September 1994 eingetragen. Die ESW führt einen wesentlichen Teil der Aktivitäten fort, die früher bei der -> AEG, Fachbereich Flugwesen und Sondertechnik, ab 1989 bei der -> Telefunken System Technik GmbH (TST) und ab 1992 beim Dasa-Produktbereich Energie- und Anlagentechnik angesiedelt waren. Von den knapp 1.400 Beschäftigten dieses Dasa-Bereichs in Wedel wurden ca. 630 von der ESW übernommen.
Die Dasa gründete die ESW bereits in der Absicht, sie möglichst bald günstig zu verkaufen. Doch wurde in der angestrebten Frist bis Mitte 1995 kein Käufer gefunden. Nach langwierigen Verhandlungen erfolgte im August 1996 ein Management-buy-out dergestalt, dass 20 Prozent des Firmenkapitals auf sechs ESW-Manager übergingen. Dabei erwarben die Geschäftsführer Rainer Grün und Gerd Eckle je 6,5 Prozent, vier weitere Führungskräfte die verbleibenden 7 Prozent. 80 Prozent der Gesellschaftsanteile gingen in die Hand amerikanischer und englischer Rentenfonds über - eine Beteiligung, die durch die Londoner Investitionsbank Schroders & Partner vermittelt wurde. Das unternehmerische Sagen soll aber nach Aussage von Grün allein bei dem Management in Wedel liegen.2
Von dem früher 14,4 Hektar grossen Werksgelände der Dasa hat die ESW hat etwa 40 Prozent geleast.
Die 70-80 ESW-Beschäftigte im Aussenwerk Essen arbeiten in der Entwicklung und Fertigung von hochausgenutzten Motoren und Generatoren.
Der Anteil des militärischen Geschäfts der ESW betrug 1994 ca. 70 Prozent.3 Obwohl Vertreter der ESW verschiedentlich erklärt haben, das militärische Know-how zunehmend für die Entwicklung ziviler Produkte nutzen zu wollen, wurde der Anteil der Rüstungsproduktion auch noch 1996 mit 70 Prozent angegeben.4
Zu den Kernarbeitsgebieten im Rüstungsbereich gehören: elektrische Richt- und Waffenantriebe, Stabilisierungssysteme und Düllsimulation.
Aus dem Geschäftsbericht 1994 der DASA entnehmen wir:5
"Das Arbeitsgebiet Ausrüstung, das in der neu gegründeten ESW - Extel System Wedel, Gesellschaft für Ausrüstungen GmbH konzentriert wurde, hat bei elektrischen Turm-/Waffenantrieben weltweit eine technologisch führende Stellung inne. Mit den elektrischen Turmantrieben sind wir an den Kampfwertsteigerungsprogrammen für die Panzer Leopard 2 der Bundeswehr, der niederländischen und der norwegischen Streitkräfte beteiligt. Einen entsprechenden Auftrag erhielten wir im Berichtsjahr auch aus Schweden."
Mit der Fertigung der elektrischen Turmantriebe für die zunächst 120 von Schweden bestellten Leopard-2-Panzer (der Auftrag soll evtl. auf 210 Panzer aufgestockt werden) wurde 1995 begonnen.6 Auch für das neue Grossprojekt "Panzerhaubitze 2000" soll ESW einen sehr leistungsfähigen Richtantrieb beisteürn.7
Das im Zusammenhang mit den Panzerturmantrieben häufig fallende Stichwort "Stabilisierung" bezieht sich auf die Technik, mit deren Hilfe die Bordkanone des Panzers ungeachtet heftiger Fahrbewegungen das zu vernichtende Ziel sicher erfassen kann.
Stabilisierungsanlagen liefert ESW auch für Sensorsysteme auf Marineschiffen und in militärischen Drohnen. Beim Bau des Kampfhubschraubers "Tiger" ist ESW für die Stabilisierung des Mastvisiers "Osiris" zuständig.8
Ein Riesengeschäft scheint sich ESW im Bereich Düllsimulatoren zu versprechen. "Soldat und Technik" sprach 1995 von der "Möglichkeit, dass ESW zum Marktführer in der Düllsimulation aufsteigt".9 Die Düllsimulatoren "AGDUS" sind hochgenaue Lasermesssysteme, die im Verbund mit den Originalwaffensystemen eingesetzt werden. Mit ihnen können Soldaten den Kampfeinsatz von Panzern, Panzerabwehrsystemen und Handwaffen trainieren, ohne einen scharfen Schuss abzugeben. Im Juli 1994 erhielt ESW - sozusagen als Startgeschenk des Bundes zur Firmengründung - den Serienauftrag über 5.600 AGDUS- Düllsimulatoren für Handwaffen. Gleichzeitig wurde die Option für die Lieferung von weiteren 2.400 Stück für das Gefechtsübungszentrum vertraglich geregelt.10 Für das 1. Los der AGDUS Handwaffen hatte der Rüstungsbewilligungsausschuss des Haushaltsausschusses, geleitet von dem schleswig-holsteinischen CDU-Abgeordneten Dietrich Austermann, am 29. Juni 1994 einen Betrag von 78,2 Mio. DM bereitgestellt.11 Die Übergabe der ersten Handwaffen-Düllsimulatoren fand am 7. Februar 1996 auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg statt, wo die Bundeswehr in grossem Stil Krieg spielt. Es soll allerdings, wie ein Insider berichtet hat, enorme Schwierigkeiten bereitet haben, die AGDUS-Technik in den Griff zu bekommen.
Für zahlreiche weitere Waffensysteme hat ESW ebenfalls AGDUS-Simulatoren entwickelt. Teilweise wohl schon in der Fertigung, teilweise noch in der Planungsphase befinden sich Düllsimulatoren für die Panzerfaust 3, die Panzerabwehrwaffe Milan, den Spähpanzer Marder, den Kleinpanzer Wiesel, TOW-Raketen, die Panzerabwehrrichtmine und den Spähpanzer Luchs.
Wenn der Eurofighter 2000 realisiert wird, wird ESW das Radom (die Schutzhaube für Radarantennen in der Flugzeugspitze) fertigen und für die Bordstromversorgung zuständig sein.12
Frostschutz- und Enteisungsanlagen entwickelt und fertigt ESW auch für verschiedene Militärhubschrauber (z.B. Rotorblattenteisung für den NH 90, den US-Kampfhubschrauber Apache sowie den englischen Hubschrauber EH 101 Merlin).
ESW ist Mitglied im Arbeitskreis "Wehrtechnik der Industrie in Schleswig- Holstein".
Bei Gründung der ESW rief der Wedeler Betriebsrat Mitte 1994 einen "Arbeitskreis Alternative Fertigung" mit dem Ziel ins Leben, "die Abhängigkeit vom Militärgeschäft in der ESW aufzubrechen".13
In einem Fall gelang die Übertragung der für den Kampfpanzer Leopard entwikelten elektrischen Neigetechnik auf den Zivilsektor: "Ein wichtiger Vorstoss in die zivile Anwendung militärischer Antriebstechnik gelang uns mit der Hereinnahme eines Auftrags über 50 Systeme für Neigezüge der Deutschen Bahn."14 Insgesamt jedoch ist die Abhängigkeit von der Rüstungsproduktion bei der ESW sehr hoch geblieben; und die Firmenleitung bemüht sich weiter sehr gezielt um neue Militäraufträge.
Nachtrag:
Im Juni 1997 druckte die Zeitschrift "Military Technology" ein vierseitiges Firmenporträt über ESW. Darin wird u.a. erwähnt, dass ESW auch Komponenten für den französischen Panzer Leclerc und zur Kampfwertsteigerung des isrälischen Panzers Merkava geliefert hat. Im November 1997 ist bekannt geworden, dass die Jenoptik AG (Jena/Thüringen) ESW zu 100 Prozent übernimmt. Chef der Jenoptik AG, die aus dem DDR-Kombinat Carl Zeiss hervorgegangen ist, ist der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Lothar Späth. Seit 1995 besitzt das thüringische High-Tech-Unternehmen im Hamburger Raum bereits die -> Jenoptik Impulsphysik GmbH. Bei ESW ist ein Ausstieg aus dem Rüstungsgeschäft weiterhin nicht vorgesehen. ESW-Chef Grün stellte klar: "Wir werden die Wehrtechnik weiter pflegen."14a
Anmerkungen: