Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kaus & Steinhausen G.m.b.H. (bis 1996)

Verwaltung: Eiffestr. 80, 20537 Hamburg (Borgfelde)
Werk: Berzeliusstr. 72, 22113 Hamburg (Billbrook)

Stammkapital: 3 Mio. DM
Beschäftigte: 205 (1995, mit Tochterfirmen)
Umsatz: 130 Mio. DM (1995, mit Tochterfirmen)
Geschäftsführer: Rudolf Schüren (1975-88), Reiner Arend (1988-92), Klaus Gassner (1992-96)



Das Unternehmen ist auf dem Gebiet des Schrott- und Nichteisen-Metallhandels sowie in der Verschrottung von Munition und der Bearbeitung von Sprengstoffen tätig gewesen. Eine 95-Prozent-Kapitalmehrheit an Kaus & Steinhausen (K & S) lag bis ca. 1994 bei der Tochter des Firmengründers Karl Kaus, Dr. Lieselotte Klaproth (Bonn), danach beim Geschäftsführer Klaus Gassner. Zu der Firmengruppe von K & S gehörten als Tochtergesellschaften: Jacobs & Kaus GmbH (Hamburg, Spezialität: Kabelzerlegung), Kaus & Steinhausen Delaboriergesellschaft mbH, Werk Dragahn (Karwitz bei Dannenberg) und EBV Entsorgungs-Betriebsgesellschaft mbH (Vogelgesang/Sachsen). Das Aus für K & S kam am 26. Juni 1996 durch Eröffnung des Konkursverfahrens.

Beteiligung am Rüstungsgeschäft

K & S hat im positiv zu würdigenden Unterschied zu den meisten anderen Firmen dieses Registers ihr Geld nicht mit der Herstellung, sondern der Vernichtung von Waffen verdient. Generell sollte aber nicht übersehen werden, dass auch die Beseitigung von Waffen und Munition ein Geschäft darstellt, das aus der vorherigen Verschwendung öffentlicher Ressourcen für Rüstungszwecke resultiert. Die Ausgaben für die Munitionsvernichtung sind so gesehen keine "Kosten der Abrüstung", sondern in Wirklichkeit Zusatzkosten früherer Aufrüstung. In einem Zeitungsbericht hiess es 1994 über die Firma:9

"Kaus & Steinhausen ist einer der Grossen in Europa in der Munitionsvernichtung, der älteste Delaborierbetrieb in Deutschland, und war bei der Entsorgung von Bundeswehr-Lagermunition bis 1993 quasi Monopolist. Auch für die Armeen der Niederlande, der USA, der Schweiz und anderer Nationen arbeitet die Gruppe. Ein Geschäft ohne Ende: Alle paar Jahre muss die für den Ernstfall auf Lager liegende Munition erneuert werden. Fünf Prozent Gewinn springen für den `Zerstörer' heraus, bei Bundeswehraufträgen gilt Preisrecht."

Das Werk Dragahn der Tochterfirma Kaus & Steinhausen Delaborierungsgesellschaft mbH im Kreis Lüchow-Dannenberg war lange Zeit der bedeutendste deutsche Betrieb im Bereich der Munitionsvernichtung. 1993 wurden im Werk Dragahn 3,3 Millionen Stück Munition von acht Armeen zerlegt und entsorgt - von der Gewehrpatrone bis zur Bombe.10

Die dort ohne Emissionsschutz unter freiem Himmel praktizierte Munitionsverbrennung und die Pläne von K & S, die Dragahner Kapazitäten durch Errichtung neuer Anlagen zu vergrössern, zogen allerdings ab 1991 die hartnäckige Kritik der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg auf sich. Unter Hinweis auf die Tatsache, dass das Dragahner Gelände 1938-45 von der Hamburger Waaren-Commissions-Aktiengesellschaft (Waco) zur Herstellung von Sprengstoff, Granaten und Bomben genutzt worden war, forderte die Bürgerinitative Altlastensanierung statt Neubau.11 Dass K & S alles andere als ein ökologischer Musterbetrieb war, hatte sich schon in einem anderen Fall gezeigt: Bis 1985 hatte die Firma auch auf dem Standort Graürort bei Stade Munition entsorgt. Nach der Aufgabe dieser Betriebsstätte wurde amtlich festgestellt, dass das gesamte Gelände mit Asche und ausgeglühten Munitionsteilen hochgradig belastet war.12

Die Auflösung der NVA schien zu Beginn der 90er Jahre für K & S hervorragende Expansionsperspektiven zu bieten. 1990 gründete die Hamburger Firma gemeinsam mit dem Nürnberger Rüstungsunternehmen Diehl die EBV Entsorgungs-Betriebsgesellschaft mbH in Vogelgesang bei Torgau (Sachsen). Diehl hielt zunächst 70 Prozent am EBV-Kapital, K & S die übrigen 30 Prozent. Nach dem Ausstieg von Diehl wurde K & S 1994 alleiniger Eigentümer der sächsischen Firma. Damals arbeiteten 120 Beschäftigte der EBV an der Delaborierung von NVA-Munition; K & S besass damit die "grösste Vernichtungsanlage für grosskalibrige Rohrwaffenmunition in Europa"13. 1995 wurde gemeldet, dass die EBV seit ihrer Gründung bereits über 60.000 Tonnen unterschiedlichster Munitionsarten aus NVA-Beständen entsorgt habe.14

Allerdings bekam K & S immer deutlicher den Konkurrenzdruck anderer Unternehmen zu spüren, die in das Geschäft neu eingestiegen waren. Auch Grosskonzerne wie die DASA und Rheinmetall (u.a. über die Tochter -> Nico Pyrotechnik) hatten sich inzwischen auf dem "explodierenden Markt" der Munitionsvernichtung etabliert. Im September 1995 kam die erste Warnmeldung von K & S: Weil deutsche Munition vorrangig in den neuen Bundesländern entschärft werde, seien die 100 Arbeitsplätze im niedersächsischen Werk Dragahn in Gefahr.15 Da neue Aufträge weiter ausblieben, stellte das Werk bald darauf den Betrieb ein - K & S ging 1996 in Konkurs. Die ostdeutsche Tochter EBV wurde von einer anderen Hamburger Firma erworben: der Rieger & Winkler Verwaltungs GmbH (Bergstrasse 7, 20095 Hamburg).

Geschichte

K & S wurde um 1938/39 von Karl Kaus und Eugen Steinhausen als Schrott- und Metallgrosshandel gegründet. Der Name der Firma tauchte 1979 auch im Zusammenhang mit dem Stoltzenberg-Skandal auf, da sie mit der Firma Stoltzenberg bei der Entschärfung von ausgedienten Nebelkörpern der Bundeswehr kooperiert hatte.16




Anmerkungen:

(9) Die Welt (Hamburg) 25.8.1994.
(10) ebd.; auch Handelsblatt 12.9.1994.
(11) Für Informationen hierzu sei Wolfgang Ehmke gedankt.
(12) Niedersächsischer Landtag Drucksache 11/3371 (1988) Anlage 3, Bl. 6.
(13)Frankfurter Allgemeine Zeitung 5.1.1994.
(14) Wehrtechnik Nr. 8/1995, S. 40.
(15) Hamburger Abendblatt 20.9.1995.
(16) Spiegel Nr. 39/1979, S. 24 u. 27.