Dieses Dokument ist Teil des Buches Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg, 1998
Hauptsitz: München
Unternehmensbereich
Transport- und Verkehrsflugzeuge: 21129 Hamburg (Finkenwerder),
Kreetslag 10
Beschäftigte in Finkenwerder: 5.500 (1985)
Hamburgs grosses Flugzeugwerk, das 1933 als Tochterfirma von -> Blohm + Voss gegründet worden war, war seit 1969 eine Betriebsstätte des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), München. Die Eigentumsverhältnisse von MBB waren höchst verschachtelt und änderten sich oft. Ende 1985 verteilten sich die Kapitalanteile auf 13 verschiedene Gesellschafter. Siemens, Thyssen, Bosch, Allianz-Versicherung, Dresdener Bank und Bayerische Vereinsbank waren mit jeweils 4 - 5 Prozent beteiligt, die ursprünglich tonangebenden Namensgeber Messerschmitt, Bölkow und Blohm kamen zusammen noch auf 8,4 Prozent. Die höchsten Anteile hielten: der Freistaat Bayern (23,6 Prozent), das Land Hamburg (18,2 Prozent über die -> Hamburger Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung), das Land Bremen (10 Prozent) sowie der französische Staatskonzern Aerospatiale (10 Prozent). Hamburg wurde im Aufsichtsrat von MBB durch die sozialdemokratischen Senatoren Alfons Pawelczyk und Volker Lange vertreten.5
Spätestens 1987 nahm die Daimler-Benz AG mit den Gesellschaftern Verhandlungen über eine mögliche Mehrheitsbeteiligung an MBB auf. Nach der im September 1989 von Wirtschaftsminister Haussmann unter Auflagen erteilten Sondergenehmigung konnte Daimler-Benz MBB zum Kern seiner Aerospace-Sparte machen. Konsequenz für Hamburg: Das MBB-Werk Finkenwerder wurde Anfang 1990 Sitz der bis dahin in München ansässigen Deutschen Airbus GmbH, die heute -> Daimler-Benz Aerospace Airbus GmbH heisst.
Bei MBB Hamburg stand seit 1970 die Teilefertigung für den Airbus im Mittelpunkt der Produktion. Von einer rüstungsfreien Zone konnte jedoch keine Rede sein. Abgesehen von den Planungen für eine Airbus-Militärversion (hierzu -> Daimler-Benz Ärospace Airbus GmbH), wirkte MBB Hamburg an der Produktion des deutsch-französischen Militärtransporters Transall C-160 mit. Als "äusserst mobiles taktisches System" ermöglicht die Transall die rasche Verlegung von Truppen und Ausrüstung; auch Fallschirmjäger können aus ihr abgesetzt werden. Von den 169 Maschinen der ersten, 1967-72 ausgeführten Transall-Serie gingen 90 an die deutsche Luftwaffe, 50 an Frankreich, 20 an die Türkei und - entgegen aller Dementis - 9 an Südafrika. Eine zweite 1978-85 realisierte Serie umfasste 35 Flugzeuge: 29 Transall-Maschinen erwarb Frankreich (davon 4 für die Atomstreitkräfte), 6 gingen an Indonesien.6
Gerne hätte MBB auch dem Iran 12 Transall-Maschinen verkauft. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte MBB auf eine entsprechende Anfrage vom November 1984 mit, die Militärflugzeuge könnten allenfalls nach Beendigung des iranisch-irakischen Kriegs geliefert werden. Für MBB war dies kein Grund, die Verhandlungen mit dem iranischen Rüstungsamt DIO abzubrechen. Noch im März 1986 bestätigte die iranische Seite in einem Schreiben an MBB Hamburg, dass man in eine langfristige Kooperation - einschliesslich späterer Transall-Lizenzproduktion im Iran -eintreten wolle. Zu einem Vertragsabschluss kam es dann jedoch nicht, zumal der amerikanische Fernsehsender ABC die Sache Anfang 1987 publik machte.7
Transall-Maschinen sind seit den 70er Jahren bei verschiedenen Militäroperationen zum Einsatz gekommen, etwa bei der türkischen Zypern-Invasion 1974 und bei den französischen Afrika-Interventionen (z.B. im Tschad), vermutlich auch bei den südafrikanischen Vorstössen nach Angola. Die deutschen Transall sind der Öffentlichkeit durch Einsätze bei humanitären Missionen (Abwurf von Lebensmittelpaketen) bekannt geworden. Vorrangig ist aber ihre Bedeutung als "Rückgrat des militärischen Lufttransports".8 Regelmässig wurden und werden sie zur Versorgung deutscher Luftwaffeneinheiten im Ausland genutzt. Umfangreiche Logistikaufgaben übernahmen sie während des 2. Golfkriegs 1991 zugunsten der Anti-Irak-Koalition und bei der Somalia- Interventon 1994. Mit einem 1983 beschlossenen, umfangreichen Instandsetzungs- und Modernisierungsprogramm für die deutschen und türkischen Transall wurde das Werk Lemwerder (Niedersachsen) betraut. Durch die noch nicht abgeschlossenen Massnahmen sollen die Flugzeuge mindestens bis zum Jahr 2010 einsatzfähig bleiben.
Ein Zeichen setzte 1988 das Hamburger Thalia-Theater unter Intendant Jürgen Flimm, als es ein Sponsoring-Angebot von MBB ablehnte. Gegen Zahlung eines Betrags von 75.000,- DM hatte MBB im Programmheft zu Hebbels "Nibelungen" und auf den Plakaten genannt werden wollen. Das Ensemble wollte sich aber bei einer Inszenierung, die sich auch mit dem deutschen Militarismus befasste, nicht ausgerechnet vom führenden deutschen Rüstungskonzern fördern lassen.9 Diese Haltung brachte dem Theater einige Anfeindungen ein.
Anmerkungen: