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Que Se Vayan Todos

- Argentinas Popular Uprising -


Ein Augenzeugenbericht des finanziellen Zusammenbruchs und der fortschreitenden Grasswurzelrebellion

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Die Macht der Piqueteros

Geboren aus Frustration über die Korruption und die ständigen politischen Kompromisse der offiziellen Gewerkschaften sowie die Unfähigkeit der politischen Parteien sie zu vertreten, entstanden die Piqueteros (der Name bezieht sich auf ihre Taktik der Strassenblockaden) in den ausgeschlossenen und verarmten Gemeinschaften in der Provinz. Sie sind vor allem arbeitslose ArbeitererInnen, die sich in ihren vorstädtischen Stadtteile autonom organisiert hatten, diese Nachbarschaften sind der Schlüssel zum Gefühl von Ort und Identität vieler ArgentinierInnen. Mit der Forderung nach Arbeit, Lebensmitteln, Bildung und Gesundheitsvorsorge begannen sie direkte Aktionen Mitte der 90er indem sie Autobahnen über das Land blockierten. Die Aktion, Warenströme zu blockieren, wurde als Schlüssel um wirtschaftliche Aktivitäten zu unterbrechen gesehen; da sie arbeitslos waren, war die Möglichkeit zu streiken für sie nicht mehr gegeben, durch Strassenblockaden jedoch konnten sie weiterhin einen enorm störenden Effekt auf das wirtschaftliche System erzielen. Einer von ihnen erklärte: "Wir sehen, dass die Art, auf die Kapitalismus operiert, die Zirkulation von Waren ist. Autobahnen zu versperren, ist der Weg den Kapitalisten am meisten weh zu tun. Daher - da wir nichts haben - ist unser Weg, sie die Kosten zahlen zu lassen und zu zeigen, dass wir nicht aufgeben und für ihre Ziele sterben, ihnen Schwierigkeiten zu bereiten durch versperren der langen Wege der Verteilung."
"Wir blockieren die Strassen. Wir machen diesen Teil der Straße zu unserem: Wir benutzen Holz, Reifen und Benzin zum brennen.", ergänzt Alejandro enthusiastisch. Er ist ein junger Piquetero, das schwarz-rotte Banner der MTD (Bewegung arbeitsloser ArbeiterInnen) um seinen Hals gewickelt trägt er den drei Fuss (90cm) langen Holzknüppel, der zum Symbol dieser Bewegung wurde. "Wir machen es so, weil es der einzige Weg ist, sie zu zwingen uns zu beachten. Stünden wir protestierend auf dem Gehweg würden sie über uns hinwegtrampeln." Diese Taktik hat sich als ausserordentlich erfolgreich erwiesen. Ganze Familien beteiligen sich an den Blockaden und bauen gemeinsame Küchen und Zelte in der Mitte der Straße auf. Viele der TeilnehmerInnen sind jung und über 60% sind Frauen. In den letzten Jahren hat diese lose verbundene autonome Bewegung es geschafft tausende von zeitlich begrenzten Niedriglohnjobs, Beihilfen für Lebensmittel und andere Konzessionen des Staates zu sichern. Die Polizei ist wegen der öffentlichen Unterstützung, die sie bekommen oft nicht in der Lage, die Sperren zu räumen. Die Autobahnen verlaufen oft entlang der Slumviertel an den Rändern der Städte, wo immer die Drohung, dass bei Repression gegen die Piqueteros tausende Leute zur Unterstützung auf die Strasse strömen und weit ernstere Konfrontationen entstehen, besteht.
Im August 2001 schaffte es eine landesweite Mobilisierung von Piqueteros 300 Autobahnen im ganzen Land zu blockieren. Mehr als 100.000 arbeitslose ArbeiterInnen nahmen teil und die Wirtschaft war wirksam lahmgelegt. Tausende wurden verhaftet und fünf Personen getötet aber die Bewegung kam weiter in Schwung und hat mit ihrem Gebrauch nicht-hierachischer Organisierung von Unten Neuland betreten.
Der Geist von Autonomie und direkter Demokratie, wie er in den städtischen Nachbarschaftsversammlungen existiert, wurde von den Piqueteros bereits vor Jahren praktiziert, da sie ein ähnliches gesundes Misstrauen jeder E xekutivkraft gegenüber hegen. Jede Gemeinde hat ihre eigene, in den Nachbarschaften verankerte, Organisation und alle politischen und strategischen Entscheidungen werden in Piquetero-Versammlungen getroffen. Wenn die Regierung entscheidet, während einer Aktion zu verhandeln, senden die Piqueteros keine Delegierten um die offiziellen Verhandlungsfüher zu treffen, sondern verlangen, dass diese Offiziellen zu den Blockaden kommen, so dass alle Leute gemeinsam ihre Forderungen diskutieren und entscheiden können ob sie bevorstehende Angebote annehmen oder ablehnen. Zu oft haben sie infizierte, gekaufte, korrupte oder anderweitig von der Macht vergiftete Führer und Delegierte gesehen, so dass sie entschieden, dass der Weg dies zu umgehen radikal horizontale Strukturen seien.
Die primären Forderungen sind in der Regel die Schaffung einiger, auf Zeit staatlich geförderter Jobs. Wenn diese gesichert sind, entscheiden die Piqueteros an Hand des Nutzens und dem Zeitaufwand der Leute bei den Blockaden, wer diese Jobs erhält. Wenn nicht ausreichend Jobs vorhanden sind, arbeiten sie abwechselnd und teilen die Löhne. Im Regelfall folgen andere Forderungen: die Zuteilung von Essensrationen, die Freilassung einiger von hunderten im Knast sitzenden Piqueteros, öffentliche Investitionen in die lokale Infra-struktur, wie Strassen, Gesundheits- und Erziehungswesen. Ein Freund zeigt uns eine Videosequenz von einer engagierten Frau bei der letztwöchigen, von den Piqueteros verübten Firmenblockade. Sie sitzt hinter einer Barrikade aus brennenden Bäumen, und erklärt: "Ja, das hier ist gefährlich, natürlich ist es gefährlich! Aber wir müssen kämpfen; wir können nicht nach hause gehen, weil niemand etwas hat, was er nach hause mitbringen kann... Arbeits-plätze, Essen für unsere Kinder, die Schulen, die jetzt verschwinden, die Krankenhäuser,... sehen sie, wenn ich hier verletzt werde, und ich gehe in ein Krankenhaus; sie haben nicht einmal die Verbände um mir zu helfen. Wenn wir den Kampf also beenden, werden all diese Dinge verschwinden...wir müssen weiterkämpfen!"
In einigen Teilen Argentiniens haben die Piqueteros quasi-befreite Zonen errichtet, wo ihre Mobilisierunsmöglichkeiten weitaus grösser sind, als alles ,was die lokale Regierung an Möglichkeiten hat. In General Mosconi, einer vormals reichen Ölstadt weit im Norden, die heute an einer Arbeitslosenquote von über 40% leidet, hat die Bewegung die Dinge in die eigenen Hände genommen, und betreibt über 300 Projekte, einschliesslich von Bäckereien, Gärtnereien, Kliniken und Anlagen zur Wasserreinigung.
Was außergewöhnlich ist, ist dass diese radikalen Aktionen, die von einigen der meist ausgegrenzten und verarmten Menschen in Argentinien verübt werden, die dabei äußerst militante Taktiken und Vorstellungen benutzen - brennende Barikaden, blockierte Strassen, vermumte, mit Knüppeln drohende DemonstrantInnen -, keine anderen Bevölkerungsschichten abgeschreckt haben. Im Gegenteil! Es gibt UnterstützerInnen aus der ganzen Bandbreite der Bewegung.
"Wenn die Leute verärgert werden, reagieren sie mit Blut, Feuer und Schweiss", erklärt ein junger Piquetero, der ein vors Gesicht gebundenes "Punk´s Not Death"-T-Schirt als Maske verwendet."Wir haben sieben GenossInnen in Placade Mayo verloren. Sie hatten keine politische Überzeugung oder Ideologie. Sie waren einfach junge Argentinier und waren für die Freiheit. Dann hat die Regierung erkannt, dass die Bevölkerung sie zum Teufel jagen wollte.... Die, die an der Macht sind, sind sehr betrübt, dass sie uns nicht mehr wie früher herumkommandieren können. Jetzt sagen die Leute "es reicht!". Wir haben alle sozialen Klassen, von ArbeiterInnen zu Arbeitslosen zusammengebracht, um zu sagen. "genug ist genug!" zusammen mit Menschen, die 100.000$ auf der Bank haben, sie aber nicht abheben können, mit Leuten, die sich kaputtgeschufftet haben, um zu überleben, zusammen mit uns, die wir vielleicht nicht einmal genug zu essen haben. Wir sind alle Argentinier, alle unter der selben Fahne, und wollen nicht, dass das Ganze noch mal geschieht." Eine junge Piquetera namens Rosa fasst sich etwas genauer: "Wenn Frauen nicht mehr genug Mittel haben, um ihre Kinder zu ernähren, dann wird die Regierung gestürtzt, egal was für eine Regierung es ist!"

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