Die Welt, 3.1.2000 Neuregelungen zur Staatsbürgerschaft noch immer umstritten Ausländerverbände stoßen sich an einzelnen Bestimmungen - Kritik an Sprachtest und Prüfung der Verfassungstreue Von Ayhan Bakirdögen Berlin - Für viele gehört das neue Staatsbürgerschaftsrecht zu den wichtigsten Gesetzen, die in den letzten Jahrzehnten in Deutschland verabschiedet wurden. Nach heftigen Diskussionen, die die damalige frisch gebackene rot-grüne Koalition bis an den Rand des Auseinanderfallens gebracht hatten, wurde das in den Grundzügen aus dem Jahre 1913 stammende deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz reformiert. Zwar hatte Rot-Grün das ursprüngliche Ziel, den hier lebenden Ausländern die generelle doppelte Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, nach der erfolgreichen Unterschriftenkampagne der Unionsparteien und der verlorenen Hessen-Wahl recht bald aufgegeben. Dennoch hat man es geschafft, aus dem früheren Abstammungsprinzip ins Territorialprinzip überzugehen (siehe Kasten). Das neue Staatsangehörigkeitsrecht wird aber auch heftig kritisiert. Vor allem der Sprachtest, der in Zukunft von Einbürgerungswilligen gefordert wird, stößt bei Migrantenorganisationen auf Unverständnis. Der Einbürgerungsbeamte kann von Antragstellern verlangen, dass sie einen Text in deutscher Sprache lesen, verstehen und inhaltlich wiedergeben. Um was für eine Lektüre es sich dabei handeln wird, ist bislang unklar. Ein anspruchsvoller Roman ist genauso denkbar wie ein Artikel aus einer Boulevardzeitung. Diese Unsicherheit stößt gerade bei der türkischen Bevölkerung auf heftige Kritik. "Bald werden sie von uns verlangen, dass wir deutsche Volkslieder singen", spotten seit Wochen türkische Medien. Nach Einschätzung des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg wird der Sprachtest vor allem ältere Menschen der ersten Generation, die nicht so gut deutsch sprechen und lesen können, davon abschrecken, Einbürgerungsanträge zu stellen. Andererseits würden Eingebürgerte ohne Sprachkenntnisse wohl überhaupt keine Chance haben, sich in einem fremden Land durchzusetzen und sich eine Zukunft aufzubauen. Im Innenministerium verweist man darauf, dass jedes Land das Recht habe, von seinen neuen Bürgern Loyalität und Interesse für seine Kultur zu erwarten. Beide beginnen nun mal mit der Sprache. Ein anderer Grund dafür, dass es vielleicht weniger Einbürgerungsanträge als erwartet geben könnte, mag die neue Regelung sein, dass Deutsche, die ihren dauerhaften Wohnsitz in Deutschland haben, keine weitere Staatsangehörigkeit mehr annehmen können. Früher beantragten eingebürgerte Ausländer später ihre alten Staatsangehörigkeiten erneut, und in den meisten Fällen erhielten sie sie auch wieder. Diese Möglichkeit steht in Zukunft ausdrücklich nur noch EU-Ausländern offen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die von einigen Bundesländern geplante Regelanfrage zur Verfassungstreue. Die Landesregierungen halten sich die Möglichkeit offen, die einbürgerungswilligen Ausländer im Vorfeld vom Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Schon befürchten einige Interessengruppen, dadurch würden Migranten zu potenziellen Kriminellen und Verfassungsfeinden erklärt.Das neue Staatsangehörigkeitsrecht Berlin - Das neue Staatsangehörigkeitsrecht ierleichtert die Einbürgerung von Ausländerkindern und verkürzt die Einbürgerungsfristen. D Hier geborene Kinder von Ausländern erhalten mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit. Bis zum Alter von 23 Jahren müssen sie sich für einen Pass entscheiden. Voraussetzung ist, dass ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt. D Erwachsene Ausländer erhalten bereits nach acht statt bisher nach 15 Jahren einen Anspruch auf Einbürgerung. Dieser Anspruch ist abhängig von ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache und einem Bekenntnis zum Grundgesetz. An den bisherigen Voraussetzungen der Straflosigkeit und der Unterhaltsfähigkeit wird festgehalten. D Der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit bei der Einbürgerung bleibt erhalten. Die Ausnahmeregelungen für besondere Härtefälle werden jedoch konkretisiert. dpa Das neue Staatsbürgerschaftsrecht: http://www.bmi.bund.de/themen/index.html |