Frankfurter Rundschau, 6.1.2000

Kommentar

Video-Krieg

Der "Fernsehbeweis" und die verfälschte Wirklichkeit hinter den Aufnahmen der Nato

Von Arnd Festerling

Da steht einer hinter seinem Pult, in Uniform, mit vielen Sternen auf der Schulter, und er erzählt den Menschen etwas vom Krieg. Und weil Worte nicht ausreichen, zeigt er Filme, Videos vom Krieg, und alle wissen nun, wie es war. Aber schließlich war alles doch etwas anders, anders als es der oberste Nato-General in Europa, Wesley Clark, gesagt hat, anders als es die Videos gezeigt haben. Das aber sagt den Menschen niemand. Was wissen die Menschen nun? Sie wissen, dass es gemächlicher zuging bei diesem einen Angriff, bei diesen zwei Bomben, die 14 Menschen töteten. Sie wissen, dass Computer Fehler machen können, auf die auch Generale und andere Fachleute hereinfallen. Und sie wissen, dass Videos genauso nah an der Realität sind wie Worte, oder eben genauso weit weg. Im Golf-Krieg haben die Kriegsparteien den Videobeweis in die Berichterstattung eingeführt: Die Leuchtspurgeschosse über dem nächtlichen Bagdad von unten aufgenommen, die Ziele der Bomben und Raketen von oben aufgezeichnet. Hinterher wusste jeder scheinbar alles, was es zu wissen gab. Schließlich konnte jede Seite jedes ihrer Worte bebildern. In Kosovo nahm die Aufnahme des Kriegs von oben noch mehr Raum ein: Bilder aus Fliegern, aus kamerabestückten Bomben.

Und nun erfahren wir, dass Computer diese Bilder bearbeiten und alle reinlegen können, die ihnen glauben, selbst die Leute vom Fach. Das macht unbehaglich: Dass es so ist und - vielleicht noch mehr - dass es uns keiner sagt.