taz, 10.1.2000 Seite 5 Trotz Schengen: Grenzen dicht Weil die Behörden wegen eines "Regularisierungsgesetzes" illegale Einreisen von Ausländern fürchten, führen Belgien und Luxemburg wieder Grenzkontrollen ein Berlin (taz) - Belgien und Luxemburg machen die Schotten dicht: Ab heute führen beide Staaten wieder Kontrollen an ihren Außengrenzen durch. Hintergrund der erneuten Grenzkontrollen ist ein "Regularisierungsgesetz", das das belgische Parlament im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet hatte, nachdem es zunächst am Widerstand des rechtsradikalen Vlaams Blok gescheitert war. Mit dem heute in Kraft tretenden Gesetz will die aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen bestehende Regierung den Aufenthalt eines Teils der in Belgien lebenden Ausländer legalisieren. Nach offiziellen Angaben halten sich etwa 60.000 Menschen illegal im Land auf. In den kommenden drei Wochen haben sie die Möglichkeit, sich bei den Behörden zu melden und eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Voraussetzung ist unter anderem, dass sie seit mindestens fünf Jahren in Belgien leben oder ihr Asylantragsverfahren seit vier Jahren anhängig ist. Auch Personen, die schwer krank sind oder aus so genannten Risikoländern stammen, fallen unter die Bestimmung. Es wird erwartet, dass bis zu 20.000 Ausländer die Voraussetzungen erfüllen. Innenminister Antoine Duquesne befürchtet nun, dass internationale Banden versuchen könnten, während der Dauer der Regelung in großem Umfang Ausländer illegal nach Belgien zu schleusen. Besonders Ausländer aus Osteuropa würden mit unrealistischen Versprechungen häufig nach Belgien geschleust, sagte Duquesne am Samstag in Brüssel. Belgien und Luxemburg gehören zu den Anwenderstaaten des Schengener Abkommens. Die 1995 in Kraft getretene Vereinbarung, die außerdem von Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Österreich und Griechenland umgesetzt wird, sieht grundsätzlich einen Abbau der Personenkontrollen an den gemeinsamen Binnengrenzen vor. Vorübergehende Grenzkontrollen sind unter bestimmten Umständen jedoch vorgesehen. Nach Angaben der belgischen Polizei werden die Kontrollen in enger Zusammenarbeit mit den deutschen, niederländischen und französischen Polizeibehörden stattfinden. Betroffen seien sowohl Auto- als auch Zugreisende. An den Flughäfen werde ohnehin noch häufig kontrolliert. Wann die Kontrollen wieder wegfallen sollen, teilte Duquesne nicht mit. Belgische Menschenrechts- und Antirassismusgruppen kritisierten unterdessen die Maßnahme. Sie erwecke den Eindruck, als ob "unmittelbar eine Fremdeninvasion" bevorstehe, erklärte die Bewegung gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass. Holger Thünemann |