junge Welt, 12.1.2000 Hungerstreik in BRD-Zellen Hamburg: DHKP-C-Funktionär begann »Todesfasten«. Türkische und kurdische Gefangene solidarisch Dem seit Ende November letzten Jahres in deutschen Gefängnissen andauernden Hungerstreik von Anhängern der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP-C) haben sich weitere Gefangene angeschlossen, darunter Anhänger anderer linker türkischer und kurdischer Organisationen. Neben dem PKK-Gefangenen Nihat Durmus beteiligt sich in Hamburg jetzt auch der Sympathisant der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) Imam Hür an der Aktion. Damit sind allein in der Bundesrepublik 15 Häftlinge im Hungerstreik, unter anderem in Hamburg, Berlin und Aachen. Ferner haben Gefangene aus der DHKP-C in Frankreich, Belgien und der Türkei den Beginn eines Solidaritätshungerstreiks angekündigt. Die Proteste richten sich gegen die Isolationshaft für die Gefangenen aus der DHKP-C in Deutschland und gegen die europaweite Kriminalisierung der Organisation. Auslöser waren die Haftbedingungen des vom Staatsschutzsenat am Hamburger Oberlandesgericht am 30. November 1999 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Ilhan Yelkuvan. Der Funktionär der DHKP-C befindet sich seit der Urteilsverkündung im unbefristeten Hungerstreik, um damit die Aufhebung seiner länger als ein Jahr dauernden Isolationshaft durchzusetzen. Der 33jährige ist 23 Stunden am Tag völlig isoliert sowie zahlreichen Einschränkungen beim Einkauf, Postverkehr und in der Besuchsregelung unterworfen. Während der Staatsschutzsenat weiterhin eine Aufhebung der Sonderhaftbedingungen ablehnt, kündigte Yelkuvan an, er werde in den nächsten Tagen mit dem »Todesfasten« beginnen. Er bezieht sich damit auf eine von linken Organisationen in türkischen Militärgefängnissen begründete Widerstandstradition. Vier weitere Gefangene wollen seinem Schritt folgen. Bei der letzten Aktion dieser Art in der Türkei - gegen die Einführung des Isolationszellensystems - starben 1996 zwölf Häftlinge. Gefängnisleitung und Gericht reagieren nach Angaben aus Solidaritätskreisen mit zunehmenden Schikanen gegen Yelkuvan. Bei Zellenrazzien seien CDs zerbrochen, Bilder und Stifte beschlagnahmt und die Zelle gezielt verwüstet worden. Während der letzten Durchsuchung habe man die Jacke des Gefangenen zerrissen, mit der Begründung, man suche nach einem Kassiber. Nun erwartet den Hungerstreikenden für den Fall, daß er das Bewußtsein verliert, die Zwangsernährung. Der Gesundheitszustand des seit dem 7. Dezember hungerstreikenden Erdogan Cakir in der Justizvollzugsanstalt Aachen hat sich in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert. Sein Magen nimmt keine Flüssigkeit mehr an. Die Gefängnisleitung versucht, Cakir mit einem Einkaufs- und Telefonverbot zum Abbruch des Hungerstreiks zu zwingen. Solidaritätskreise befürchten, daß die von der Aktion betroffenen Haftanstalten versuchen könnten, eine Ausweitung der Proteste zu verhindern, indem sie noch härter gegen die Gefangenen vorgehen. Jörg Hilbert, Hamburg |