junge Welt, 17.1.2000 Wem gehört die UCK? Die Rolle der Geheimdienste bei Vorbereitung und Durchführung des NATO-Krieges. Von Erich Schmidt-Eenboom und Klaus Eichner (I) (Die Expertise wurde zur Vorbereitung des Internationalen Tribunals über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien erarbeitet. jW veröffentlicht sie - aus Platzgründen leicht gekürzt - in zwei Teilen) Einer der Ausgangspunkte der aktuellen globalen USA- Strategie ist der National Security Strategy Report (Bericht zur Nationalen Sicherheitsstrategie) vom 30. Oktober 1998 mit der Zielvorgabe: »Kern der amerikanischen Strategie ist es, unsere Sicherheit zu erhöhen, unseren Wohlstand zu mehren und Demokratie und Frieden überall in der Welt zu fördern. Wesentlich zur Erreichung dieser Ziele ist amerikanisches Engagement und die Vorherrschaft in der Weltpolitik.« Beim »United States European Command« (EUCOM) in Stuttgart- Vaihingen ist der künftige Einflußbereich der USA auf einer Karte eingezeichnet. Er reicht vom südlichen Afrika bis nach Weißrußland und zur Ukraine. Die weitere Aufteilung Jugoslawiens ist hier beschlossene Sache, weil die jugoslawische Teilrepublik Montenegro bereits als eigenständiger Staat eingezeichnet ist. In Gesetzentwürfen für den US-Kongreß vom August 1999 zur Brandmarkung der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien als terroristische Staaten sind Montenegro und Kosova (die albanische Version für den Kosovo) ausgenommen. Nicht erst seit 1991, dem Beginn der Sezession Jugoslawiens, gehört die Balkanregion und insbesondere das Territorium der BR Jugoslawien zu den von Geheimdiensten am intensivsten aufgeklärten und mit einem dichten Netz von Agenten durchdrungenen Regionen Europas. Das ist Resultat der geostrategischen Ziele vieler Interessenten, insbesondere der USA und der Bundesrepublik Deutschland. Operationsgebiet Kosovo, Albanien und die UCK Um die in dieser Region wurzelnden geopolitischen Probleme zu erkennen, ist ein historischer Rückblick erforderlich, nicht jener auf das Amselfeld im Jahre 1389, sondern der kurze auf das Albanien in den ausgehenden 80er Jahren. Mit dem Austritt aus der jahrzehntelangen Selbstisolation Albaniens nach dem Tode Envar Hodschas im April 1985 öffnete sich in dem kaum entwickelten Land zugleich ein Machtvakuum, in das zwei Mächte vorstießen. Die Türkei sandte Militär- und Geheimdienstberater und lieferte den Glaubensbrüdern Militärgerät. Der Besuch von Franz Josef Strauß 1987 in Albanien, in dessen Gefolge Wirtschaftsverträge abgeschlossen wurden, und die anschließende Visite von Außenminister Hans-Dietrich Genscher markieren eine westdeutsche Gegenoffensive. Seither genießen die Regierungen in Tirana die militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland. Der BND war seit dem Ende der 80er Jahre sichtlich bemüht, den wachsenden türkischen Einfluß in Tirana auszupendeln und dürfte auch bei der Kooperation mit der UCK maßgeblich von dem Motiv geleitet worden sein, den Einfluß der 1912/13 von dort ausgesperrten Türkei auf dem Balkan möglichst gering zu halten. Seit Anfang der neunziger Jahre kooperieren und konkurrieren Bonn und Washington bei der Etablierung ihrer jeweiligen Einflußzonen im Balkan. Ihre Geheimdienste haben dabei sowohl zusammen- als auch gegeneinander gearbeitet. Nach Angaben des amerikanischen Geheimdienstexperten John Whitley wurde die verdeckte Unterstützung der Kosovarischen Rebellenarmee als gemeinsame Operation der CIA und des Bundesnachrichtendienstes (Foto: In der BND-Zentrale in Pullach bei München) geleitet. Die Aufgabe, die UCK zu erschaffen und zu finanzieren, sei ursprünglich Deutschland zugefallen. Diese Entwicklung ist unter dem Gesichtspunkt zu bewerten, daß den westlichen Regierungen und ihren Geheimdiensten seit Mitte der 90er Jahre die Verstrickung der UCK mit kriminellen Syndikaten in Albanien, der Türkei und der EU bekannt ist. Dazu liegen sehr präzise Erkenntnisse über die albanische Führungsrolle im Drogenhandel und über die Finanzierung der UCK, ihre Bewaffnung und Ausrüstung mit Drogengeldern vor. Die beiden deutschen Geheimdienste MAD (Militärischer Abschirmdienst) und BND (Bundesnachrichtendienst) haben den Konflikt im Kosovo durch Lieferungen von Rüstungsmaterial angeheizt. Mit der Wende war die gegenüber dem Westen eingesetzte moderne Abhörtechnik des MfS der DDR in Rußland verschwunden. Jedoch fielen die zur Inlandsüberwachung des DDR- Telefonnetzes eingesetzten Geräte älterer Bauart der Bundeswehr ebenso wie Funkgeräte bei der Übernahme der Liegenschaften in großen Mengen in die Hände und landeten in westdeutschen Depots. Das MAD-Amt in Köln hatte bereits 1991 einen Teil der MfS-Technik sowie Observationstechnik aus den Altbeständen der Nachrichtenschule der Bundeswehr an den albanischen Geheimdienst geliefert - ein klarer Verstoß gegen das MAD- Gesetz. Dieses Material hat später die kosovo-albanische Untergrundarmee UCK erhalten. Gemanagt wurde dieser Deal durch den BND-Residenten in Tirana, der auch die Ausbildung von Mitarbeitern des albanischen Geheimdienstes SIKH an dieser Technik organisierte. Dazu schrieb der französische Geheimdienstexperte Roger Faligot in der in Brüssel erscheinenden Zeitschrift European vom 24. September 1998: »Sowohl der deutsche zivile als auch der militärische Geheimdienst sind damit befaßt, albanische Terroristen auszubilden mit dem Ziel, den deutschen Einfluß auf dem Balkan zu zementieren.« Nach diplomatischen und geheimdienstlichen Quellen in Paris habe das Engagement der deutschen Geheimdienste im Kosovo-Konflikt im Februar 1996 begonnen. Das fällt zusammen mit dem Amtsantritt von Hans Jörg Geiger als BND-Präsident. Eine seiner ersten Entscheidungen war, eines der größten regionalen BND- Zentren in Tirana zu errichten. Die dortigen BND-Mitarbeiter arbeiten eng mit der Führung des albanischen Geheimdienstes SIKH zusammen. BND- Mitarbeiter sollen an der Rekrutierung für die UCK beteiligt gewesen sein, die BND-Residentur in Rom war verantwortlich für die Informationsbeschaffung unter den albanischen Flüchtlingen, die über Triest und Bari flohen, der BND beschaffte weitgehend die Kommunikationstechnik der UCK und bildete UCK-Kämpfer daran aus. Auch der MAD und das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr lieferten Ausrüstungen und Waffen und organisierten die Ausbildung. Hinter den Kulissen haben deutsche zivile und militärische Nachrichtendienste die Ausbildung und Ausrüstung der Rebellen unterstützt und dabei die Zielstellung verfolgt, den deutschen Einfluß auf dem Balkan zu vergrößern. Nach Aussagen des französischen Generals a. D. Pierre-Marie Gallois will Deutschland Jugoslawien destabilisieren: »Die Kosovo-Krise führte zu einem Gegensatz zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Washington wußte, daß die Ausrichtung der Kosovaren auf eine militärische Konfrontation mit Milosevic, wie die Deutschen sie haben wollten, einen Bumerang-Effekt auf den gesamten Balkan haben würde. Die Bewaffnung der kosovarischen Separatisten, die die Unabhängigkeit des Kosovo anstrebten, hat zu einer ernsthaften Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst und der US- amerikanischen CIA geführt. Erst als eine weitere Eskalation unvermeidlich schien, übernahmen die USA das Ruder von den Deutschen«. Soweit die Recherchen des französischen Journalisten. Hintergrund des Streits: Aus US-amerikanischer Sicht war die UCK bis vor kurzem schlicht eine terroristische Organisation. Dennoch habe der BND der UCK Unterstützung gewährt, die sehr weitgehend gewesen sei. Ähnlich wie in den vorangegangenen Sezessionskriegen Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas habe es Hilfen gegeben bei der Auswahl des militärischen Führungspersonals, der Schulung von Kampfverbänden und bei der Ausrüstung mit Kommunikationsmitteln. Zur Duldung und Unterstützung kosovarischer Kriegsvorbereitungen in der Bundesrepublik hat das Belgrader Außenministerium am 8. März 1999 dem deutschen Außenminister Joseph Fischer ein Memorandum überreicht, das diese Aktivitäten von der Rekrutierung über die Geldwäsche bis zu illegalen Waffenlieferungen detailliert beschreibt, aber unbeantwortet blieb. Der Leitung des BND war von Anfang an klar, daß sie mit ihrer Unterstützung der UCK zugleich einen Paten des kosovarischen Separatismus unterstützen. Albanien hatte im September 1990 eine Kosovo-Republik anerkannt, ihr Unterstützung zugesagt und spätestens mit der Erklärung von Sali Berisha gegenüber »El Pais« am 26. März 1992, Albanien werde Heimat aller Albaner, den Anschluß-Separatismus auch offen unterstützt. Der BND nahm zur militanten kosovarischen Opposition in der Bundesrepublik etwa 1992 erste Kontakte auf und entwickelte schnell gute Beziehungen zu ihr. Sein Startvorteil gegenüber den anderen westeuropäischen Nachrichtendiensten lag darin, daß ein zahlenmäßig und politisch gewichtiger Teil der UCK-Führer in Deutschland agierte und sich die Bundesrepublik zur europäischen Drehscheibe erkoren hatte. Als Partner der UCK war der BND von Anfang an über die Entwicklungen im Kosovo gut unterrichtet. Amerikanisierung der UCK als Bodentruppe Die nachrichtendienstliche Hauptrolle in Albanien spielt spätestens seit der Machtübernahme durch den albanischen Ministerpräsidenten Pandeli Majko die Central Intelligence Agency (CIA), die die UCK unter ihre Fittiche genommen hat, sie politisch aufwertet und als Reservoir für Agententätigkeiten und die Zielaufklärung im Kosovo einsetzt. Den Beginn erster CIA-Aktivitäten zugunsten der UCK datieren Eingeweihte bereits auf das Jahr 1992. Mit zunehmender Wichtigkeit der Rebellenarmee hat die CIA den BND entmachtet, ähnlich wie ab dem Dezember 1994 in Zagreb, als der US-Geheimdienst die von Pullach über Jahrzehnte an die politische Macht geführte Ustascha- Bewegung unter seine Fittiche nahm. Kontakte bestehen zwar weiterhin zwischen UCK-Führern und ihren Ziehvätern in Pullach, aber seinen Einfluß hat der Bundesnachrichtendienst auch deshalb verloren, weil die Bundesrepublik Deutschland zumindest öffentlich an den G-8-Beschlüssen zur Entwaffnung der UCK festhielt, während sich die USA - nachrichtendienstlich allemal - die Option offengehalten hatte, die Rebellenarmee zu ihrer Bodentruppe zu machen. Mit der »Amerikanisierung« der UCK einher ging die Aufwertung des nachrichtendienstlichen Elements innerhalb der Rebellenarmee. Xhavit Haliti, hoher Offizier des albanischen Nachrichtendienstes SIGURIMI zur Betreuung der Enveristen im deutschen und Schweizer Exil, trat im Februar 1999 in Rambouillet als einer der Vertreter der UCK auf, und UCK-Chef Hashim Thaci hatte seine Karriere als Geheimdienstchef der UCK begonnen. Auf Weisung des Nationalen Sicherheitsberaters Sandy Berger hatte die CIA bereits Monate vor den Bombenangriffen mit der Ausarbeitung von Plänen begonnen, wie die UCK zu einem ernsthaften Gegner der jugoslawischen Armee aufgerüstet werden könne. CIA-Chef George Tenet erklärte in einer Lagebeurteilung im Februar 1999, daß es beim Ausbleiben einer Friedenslösung nach dem Winter zu einer massiven Verschärfung der militärischen Auseinandersetzungen im Kosovo käme, da die UCK inzwischen weit besser ausgebildet und ausgerüstet sei als zuvor. Die Lage sei auch deshalb viel gefährlicher als im Bosnien-Krieg, weil die Kriegsparteien hier nicht erschöpft seien. Dem Armed Services Committee des Senats erklärte der CIA-Chef, Belgrad werde versuchen, die UCK ein- für allemal auszuschalten, während die Rebellen die Fähigkeit gewonnen hätten, den serbischen Streitkräften größere Verluste zuzufügen. Das bereits entwickelte Konzept des US- Auslandsnachrichtendienstes zur verdeckten Bewaffnung und Ausbildung der UCK war im April 1999 noch zwischen CIA und Nationalem Sicherheitsrat umstritten und wurde in dieser Zeit mehrfach überarbeitet. Kurze Zeit später hatte Präsident Clinton einen zweiteiligen Geheimplan autorisiert, demzufolge die CIA die Regierung in Belgrad sabotieren und die UCK ausbilden soll. Aber auch die BRD blieb nicht untätig. Mit Beginn der Bombardierungen Jugoslawiens hat der BND einen Krisenstab eingerichtet, in welchem zwanzig Mitarbeiter, gestützt auf die Zuarbeit aller Abteilungen des BND, zum Teil mehrmals täglich Lageberichte für das Auswärtige Amt, das Bundesverteidigungsministerium und das Kanzleramt fertigen. Ein Journalist der Süddeutschen Zeitung schätzt dazu ein: »Es fällt auf, daß der BND in seiner Berichterstattung sehr zurückhaltend ist. Viele der Geschichten über angebliche Massengräber und Greueltaten der Serben werden von Pullach als nachrichtendienstliche Desinformationen bewertet, mit denen Politik gemacht werde.« Da viele der Quellen des BND aus dem Kosovo geflohen sind, sind die Auswerter des BND sehr stark von der selektierten Auswahl von Bildern von amerikanischen Aufklärungssatelliten, von Ergebnissen der elektronischen Aufklärung sowie von Informationen aus den noch bestehenden Kontakten zur UCK abhängig. Die daraus resultierende Materialfülle ohne inhaltliche Substanz führt wieder einmal zu der Schlußfolgerung, daß der Geheimdienst verstärkt Innenquellen in den Führungszirkeln Jugoslawiens gewinnen muß, (SZ, 14. April 1999). Geld für die Opposition und Sabotage Mindestens seit Beginn der NATO-Bombardements traf sich jeden Morgen der außenpolitische Stab der USA. Unter Leitung des Präsidenten versammeln sich im Weißen Haus: der Clinton-Berater für »Nationale Sicherheit« Samuel Berger, der Vizepräsident Al Gore, CIA-Chef George Tenet, Verteidigungsminister William Cohen und Außenministerin Madeleine Albright. Danach strahlten die großen amerikanischen Fernsehstationen die täglichen Propaganda-Tiraden des US-Präsidenten gegen den jugoslawischen Präsidenten Milosevic aus, verbunden mit der Aufforderung, ihn zu stürzen. Clinton hat die CIA beauftragt, Operationen zum Sturz von Milosevic durchzuführen. Gleichlautende Informationen sind in den amerikanischen Zeitschriften Newsweek und TIME erschienen. So sollen CIA-Computerhacker ausländische Vermögenskonten des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic manipulieren. Außerdem soll die UCK von amerikanischen Militärberatern in Sabotage unterrichtet werden. Dabei geht es in erster Linie um die Sabotage der jugoslawischen Zivilstruktur: Kappen von Telefonleitungen, Sprengen von Häusern, Zerstörung der Benzinreserven und Diebstahl von Lebensmitteln. Weiterhin soll für die Opposition Geld bereitgestellt werden. Nach ersten Angaben handelt es sich um 35 Millionen Dollar, um Dissidenten in der Regierung und den Streitkräften Jugoslawiens zu mobilisieren. An den serbischen Grenzen werden sechs Sendestationen Informationen für die Opposition ausstrahlen. Eine als »Top Secret« eingestufte Studie eines Balkan- Institutes der CIA (deren Authentizität derzeit nicht eingeschätzt werden kann) mit dem Titel »Förderung der Demokratie in Jugoslawien« vom 10. Dezember 1998 beinhaltet eine Aufschlüsselung der 35 Millionen Dollar auf folgende »demokratische Institutionen«: - Öffentliche Medien: zehn Millionen Dollar - Inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO): fünf Millionen Dollar - Gewerkschaften: eine Million Dollar - Erziehung: fünf Millionen Dollar - Unabhängige Justiz: eine Million Dollar - Politische Parteien: zehn Millionen Dollar - Wahlkommissionen: eine Million Dollar - Jugendorganisationen: zwei Millionen Dollar |