Neue Züricher Zeitung, 21.1.2000 Athen und Ankara auf dem Pfad des Friedens Besuch des griechischen Aussenministers in der Türkei Der griechische Aussenminister Papandreou und sein türkischer Amtskollege Cem haben am Donnerstag in Ankara mehrere bilaterale Abkommen unterzeichnet und damit die eingeleitete griechisch-türkische Annäherung besiegelt. Die beiden Politiker gelten als Architekten der Normalisierung in den Beziehungen zwischen den zwei Anrainerstaaten der Ägäis. it. Istanbul, 20. Januar Der griechische Aussenminister Georgios Papandreou weilt seit Mittwoch zu einem viertägigen Besuch in Ankara. Es ist die erste Visite eines griechischen Aussenministers in der Türkei seit 1962. Er hoffe, der nächste Besuch werde nicht erst wieder in vierzig Jahren stattfinden, sagte Papandreou beim Empfang am Flughafen seinem türkischen Amtskollegen Ismail Cem. Die beiden Politiker gelten als die Architekten der vor kurzem eingeleiteten Annäherung zwischen den zwei Anrainerstaaten der Ägäis. Unterdessen hat sich, vor wenigen Monaten noch undenkbar, zwischen Ankara und Athen ein reger diplomatischer Verkehr entwickelt. Cem will bereits im nächsten Monat nach Athen reisen. Zudem hat der türkische Regierungschef Ecevit seinen griechischen Amtskollegen Simitis nach Ankara eingeladen. Die beiden Regierungen sind wie nie zuvor darum bemüht, der Aussenwelt wie auch ihren eigenen Wählern gegenüber zu beweisen, dass sie es mit der türkisch-griechischen Annäherung tatsächlich ernst meinen. Unterzeichnung bilateraler Abkommen In diesem Rahmen sind vier bilaterale Verträge zu sehen, die während Papandreous Besuch unterzeichnet wurden. Ein Abkommen über die Doppelbesteuerung und ein weiteres zur Förderung des Tourismus sollen zu einem Abbau der gegenseitigen bürokratischen Schikanen führen. Damit dürfte sich der während der letzten Jahrzehnte erschwerte kleine Grenzverkehr zwischen den griechischen Inseln und dem türkischen Festland erleichtern. Ziel ist eine gegenseitige Annäherung der Bewohner in den gemeinsamen Grenzregionen. Für Athen von besonderer Bedeutung ist ein weiteres Abkommen zur Rückführung illegaler Immigranten. Davon sind vor allem kurdische Flüchtlinge aus dem Nordirak oder Staatsangehörige aus Bangladesh und Pakistan betroffen, die von der Türkei her in grosser Zahl illegal nach Griechenland einwandern. Für Ankara hingegen ist das unterzeichnete Abkommen zum Austausch von Informationen und zur «Bekämpfung von Banden» von vorrangiger Bedeutung. Darunter versteht man in der Türkei vor allem die Mitglieder politisch motivierter Bewegungen, wie beispielsweise die Kurdische Arbeiterpartei (PKK). Die Bezeichnung dieses Abkommens wurde mit Vorsicht gewählt, was auch zeigt, dass die Athener Regierung in Griechenland damit auf Schwierigkeiten stossen könnte. Grosse Teile der griechischen Bevölkerung haben in der Vergangenheit den Anliegen der türkischen Kurden gegenüber viel Verständnis gezeigt und die diesbezügliche Politik Ankaras kritisiert. Papandreou signalisierte mit seiner Unterschrift einen Wandel der Athener Regierung. Die vier Abkommen zwischen Ankara und Athen seien eine Hoffnung für die Zukunft, erklärte Cem nach deren Unterzeichnung. Die Beziehungen der beiden Nachbarn sind historisch belastet und wurden auch in den letzten Jahren von schweren Krisen gezeichnet. Für die Griechen ist der Zypernkonflikt noch immer die grösste Hürde für eine völlige Normalisierung. Die östliche Mittelmeerinsel ist seit dem Putschversuch der ehemaligen griechischen Junta und dem darauf folgenden Einmarsch der türkischen Truppen im Jahr 1974 geteilt. Seither leben Inselgriechen und Inseltürken im Zustand eines unerklärten Kriegs und sorgen für Spannungen zwischen Athen und Ankara. Bewegung in der Zypernfrage? Um eine Lösung auf Zypern zu erzwingen, hat Athen jahrelang die weitere Annäherung der Türkei an die Europäische Union blockiert. Dies hinterliess in der Türkei ein Gefühl von Machtlosigkeit und Wut, wobei Ankara immer wieder seinem kleinen Nachbarn mit Krieg drohte. Dass Athen beim EU-Gipfel in Helsinki im letzten Dezember die Bemühungen Ankaras für eine Annäherung an Europa unterstützte, geht wohl auf die Überzeugungskraft der amerikanischen Regierung zurück. Von politischen Beobachtern in Ankara wird nun Bewegung in der Zypernfrage erwartet. Zypern könnte, so äusserte sich der griechische Aussenminister am Donnerstag, zu einem Modell für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Griechen und Türken werden. |