Die Welt, 25.1.2000 Die Leichen im Keller Kommentar von Joachim Widmann Vor rund zehn Jahren ging sie nicht weniger erbittert als die Armee auf kurdische Separatisten los, dann war es lange relativ still um sie, nun entpuppt sie sich plötzlich als ein Haufen pathologischer Killer und Gangster: Mit aller Macht bekämpft Ankara heute die türkische Hisbollah als Dämon. Der Hintergrund der grausigen Funde in den Totenhäusern der als islamisch-fundamentalistisch beschriebenen Organisation ist allerdings banal. Die türkische Regierung bestreitet zwar jede aktive Zusammenarbeit oder Verbindung mit den Massenmördern. Doch ist es wenig wahrscheinlich, dass eine weit verzweigte Organisation unter den Augen der Sicherheitsbehörden jahrelang unbemerkt Mord um Mord begehen kann. Da mag das gemeinsame Feindbild PKK den Blick verschleiert haben. Dass die Hisbollah nun die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommt, ist also ein kleiner zivilisatorischer Schritt der Türkei aus ihrem Dilemma, dem Krieg gegen die Kurden. Der blockiert alles: die Entwicklung zum Rechtsstaat, eine vernünftige Minderheitenpolitik, die notwendige Demilitarisierung, die wirtschaftliche Entwicklung - kurzum: die angestrebte Europäisierung.
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