Süddeutsche Zeitung, 25.1.2000 Anstoß zur Entspannung Iran will nach sportlichen auch diplomatische Beziehungen zu den USA Selbst die geringste Bewegung im erstarrten Verhältnis zwischen Iran und den USA erregt Aufsehen. Von Außenminister Kamal Charasi wurde am Montag die Äußerung übermittelt, Teheran sei zu Verhandlungen über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen bereit. Diese Gespräche müssten auf der Grundlage von "gegenseitigem Interesse und Gleichberechtigung" stattfinden. Offenbar sieht Charasi die zweite Voraussetzung noch nicht erfüllt, denn unter Anspielung auf den jüngsten Fall von Fußball-Diplomatie fügte er hinzu: "Im Fußball sind beide Seiten gleich stark, in der Politik nicht." Das erste Freundschaftsspiel zwischen beiden Ländern seit der iranischen Revolution hatte in der vorletzten Woche in Kalifornien 1:1 geendet. Charasis Wort fiel nach einer Konferenz der Organisation der Anliegerstaaten des Indischen Ozeans am Wochenende in Oman. Auch wenn ein solcher Rahmen dazu geeignet ist, Kooperationsbereitschaft hervorzuheben, verdient die Äußerung Aufmerksamkeit, zumal sie nicht der einzige Versuchsballon ist. Schon bevor die diplomatischen Beziehungen repariert werden, könnte nach iranischen Vorstellungen auf der Insel Kisch eine amerikanische Handelsvertretung oder sogar ein Konsulat eröffnen. Die Insel, die im nördlichen Golf etwa 20 Kilometer vor der iranischen Küste liegt, ist eine Freihandelszone. Wegen zollfreier Preise und warmem Winterwetter ist Kisch für Perser ein beliebtes Ausflugsziel. Auch die Sitten sind dort weniger streng: Kellner tragen Krawatten. Der Leiter der Verwaltung von Kisch sagte der Teheraner Wirtschaftszeitung Abrar-e-Ektesadi, falls die Amerikaner einen entsprechenden Antrag stellten, würde er ihn mit Empfehlung an Charasis Ministerium weiterleiten. Ohnehin könnten Amerikaner genau wie Angehörige aller Nationen ohne Visum Kisch besuchen. Dass ernsthafte Schritte der Annäherung zwischen Washington und Teheran noch vor den iranischen Parlamentswahlen vom 18. Februar getan werden, ist freilich unwahrscheinlich. Bedeutsamer als freundliche Worte ist deshalb in diesem Zusammenhang die Erbitterung, mit der Gegner der Aussöhnung das mögliche Ergebnis der Wahl beurteilen. So sagte Charasis Vorgänger, der frühere Außenminister Ali Akbar Welajati, vor wenigen Tagen, Amerika als Erzfeind der Islamischen Republik wäre hoch erfreut, wenn die Reformer eine große Mehrheit erhielten und die Konservativen die Kontrolle über das Parlament verlören. Welajati ist heute außenpolitischer Berater des geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei, um den sich die konservativen Widersacher des Reform-Präsidenten Mohammed Chatami scharen. "Die Amerikaner wollen ein Parlament, das zahm ist und gegenüber ihnen und den Supermächten, welche die Welt beherrschen, einen weichen Kurs einschlägt", sagte der ehemalige Minister der rechten Zeitung Dschumhuri Islami. Die Reformer beschuldigte Welajati, ihnen fehle die nötige "Festigkeit", um eine Neuaufnahme der Beziehungen zu Washington zu verweigern. "Die USA und Israel bleiben die gefährlichste Bedrohung für die Region und die Welt", warnte Welajati die Wähler. Die Beziehungen sind abgebrochen, seit radikale Studenten am 4. November 1979 die amerikanische Botschaft in Teheran besetzten. Rudolph Chimelli
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