Süddeutsche Zeitung, 26.1.2000 Familie Yildiz muss gehen Gericht lehnt Bleiberecht für Kurden im Kirchenasyl ab Von Uwe Ritzer Ansbach - Für Heribert Schmidt, den Vizepräsidenten des Ansbacher Verwaltungsgerichtes, ist die kurdische Familie Yildiz "das typische Beispiel einer gelungenen Integration". Aber weil das Gericht eine Entscheidung "frei von politischen und gefühlsmäßigen Betrachtungen fällen" müsse, sah die 20. Kammer des Gerichtes unter Schmidts Vorsitz gestern keine Möglichkeit, der seit elf Jahren in Deutschland und seit viereinhalb Jahren im Kirchenasyl im mittelfränkischen Weißenburg lebenden Familie ein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik zu gewähren. Ihr Asylfolgeantrag wurde zurückgewiesen und damit sind ihre Chancen auf einen legalen Verbleib im Lande auf den Nullpunkt gesunken. Nun mehren sich die Anzeichen, die auf ein absehbares Ende des zweitältesten bayerischen Falles von Kirchenasyl hindeuten. Der zuständige Pfarrer Thomas Miederer kündigte an, dass der Kirchenvorstand der evangelischen Andreas-Gemeinde darüber auf seiner nächsten Sitzung Anfang Februar konkret beraten werde. Denn der Beschluss im Jahre 1995, die kurdischen Asylbewerber in Obhut zu nehmen und so vor der Abschiebung in die Türkei zu bewahren, war bis zu dem Tag befristet, an dem sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Das ist nunmehr faktisch der Fall. Zwar besteht die theoretische Möglichkeit einer Berufung gegen das Ansbacher Urteil, die Hürden für deren Zulassung sind jedoch sehr hoch. Aligül Yildiz, der älteste Sohn der Familie, der nach Eheschließung mit einer Deutschen vor drei Jahren das Kirchenasyl verlassen durfte und seitdem legal hier lebt, kann sich nicht vorstellen, dass seine Eltern und die verbliebenen drei Geschwister im Alter von neun, 18 und 21 Jahren ihr selbst gewähltes Gefängnis freiwillig Richtung Türkei verlassen. Wie es weitergeht? "Wir sind ganz in den Händen der Kirchengemeinde." Das Verwaltungsgericht sah es gestern nach mehrstündiger Verhandlung als nicht erwiesen an, dass die umfangreiche Berichterstattung über diesen Fall in deutschen und türkischen Medien für die Yildiz im Falle ihrer Rückkehr an den Bosporus eine zusätzliche Gefahr darstelle, weil dadurch erst recht die Sicherheitskräfte und der Geheimdienst auf sie aufmerksam geworden seien. So hatten die Antragsteller argumentiert. "Gefahr politischer Verfolgung", so Vorsitzender Richter Schmidt in der Urteilsbegründung, "besteht nur, wenn die Betroffenen in herausgehobener Stellung in separatistischen Organisationen" gegen den türkischen Staat aktiv seien. Das sei bei der Familie Yildiz aber nicht der Fall. Zynische Aussage Die Türkei sei zwar kein Rechtsstaat nach unseren Maßstäben, als EU-Beitrittskandidat, aber um ein gutes Verhältnis zum Westen bemüht. Daher werde der Staat der Familie nichts tun, zumal deren in Deutschland lebende Angehörige von hier aus notfalls öffentlich Alarm schlagen könnten. Aligül Yildiz empfand diese Aussage als zynisch. "Wenn ihnen etwas passiert, kommt der Alarmschlag zu spät." Damit sind im vielleicht bekanntesten deutschen Fall von Kirchenasyl die juristischen Würfel wohl endgültig zu Ungunsten der Betroffenen gefallen. Sogar der Deutsche Bundestag stellte sich auf die Seite der Familie.
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