Süddeutsche Zeitung, 26.1.2000 Tülay Oguz darf bleiben Kempten schiebt misshandelte Frau nicht in Türkei ab Von Christian Schneider München - Der jahrelange Rechtsstreit der Stadt Kempten mit der jungen Kurdin Tülay Oguz um deren Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland hat ein positives Ende gefunden. Wie der Münchner Anwalt der Kurdin, Werner Dietrich, am Dienstag mitteilte, hat das Ausländeramt der Stadt Kempten eingelenkt und seiner Mandantin eine Aufenthaltsbefugnis mit Arbeitsmöglichkeit für zwei Jahre erteilt. Laut Dietrich hat die Stadt zugesichert, beide Genehmigungen jeweils zu verlängern. Mit dieser Entscheidung, der ein viereinhalbjähriger Rechtsstreit voranging, hat die Stadt Kempten offensichtlich eine Empfehlung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in München aufgegriffen. Der hatte im Zuge des Verfahrens schon im September vorigen Jahres der Allgäu-Stadt nahe gelegt, er würde es begrüßen, wenn eine menschliche Lösung aus Sicht der Klägerin ohne Urteil gefunden werden könnte. Nachdem die Stadt Kempten jetzt eingelenkt hat, hat Tülay Oguz ihre Klage vor dem VGH zurückgezogen. Das Schicksal der Mutter zweier kleiner Kinder hat bundesweit die Öffentlichkeit bewegt. Die heute 30-jährige Kurdin hatte 1991 im Allgäu ihren ebenfalls kurdischen Ehemann geheiratet. Es war der Beginn eines Martyriums. Die junge Frau wurde nicht nur von ihrem Mann, sondern auch von ihrem Schwiegervater und anderen Familienangehörigen regelmäßig geschlagen und schwer misshandelt. Tülay Oguz wurde zeitweise wie eine Sklavin behandelt. Auch nach der Geburt ihrer Tochter wurde die Frau weiter verprügelt. Tülay Oguz trennte sich schließlich von ihrem Mann und ließ sich scheiden. Doch der vorbestrafte Kurde kam wieder zu ihr und weigerte sich mehrere Wochen lang, die Wohnung seiner ehemaligen Frau zu verlassen. Tülay wurde während dieser Zeit erneut schwanger. Nach ihrer Scheidung drängte die Ausländerbehörde der Stadt Kempten Tülay Oguz, sie müsse Deutschland verlassen. Bestärkt wurde die Stadt in ihrem Vorgehen gegen die Kurdin laut Anwalt Dietrich vom bayerischen Innenministerium, das ebenfalls auf Abschiebung gedrängt habe. Eine Petition im Landtag gegen die Abschiebung wurde von der CSU abgelehnt. Die ausländerpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Elisabeth Köhler, bezeichnete die Entscheidung der Stadt Kempten als "einen meiner schönsten Erfolge". Die Grünen-Abgeordnete hat sich in den letzten Monaten nachhaltig für das Bleiberecht von Tülay Oguz in Deutschland engagiert. Sie sei "beeindruckt" von der Entscheidung des Kemptener Ausländeramtes, sagte Köhler am Dienstag gegenüber der SZ. Die Behörde habe, gegen den Widerstand des Innenministeriums, ihren Ermessensspielraum voll genützt und sich zu einer "vernünftigen und menschlichen Lösung durchgerungen". Für Elisabeth Köhler ist der Fall damit exemplarisch. Es habe sich gezeigt, so sagt die Abgeordnete, dass den Ämtern vor Ort "im Rahmen bestehender Gesetze durchaus politische Handlungsoptionen offen stehen". Sie würde es begrüßen, wenn sich mehr Ausländerbehörden in Bayern in solchen Härtefällen für Menschlichkeit entscheiden würden, fügte Köhler hinzu.
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