Berliner Zeitung, 27.1.2000 Ein Atomlobbyist soll Bagdad kontrollieren von Roland Heine Der Blick aus dem Helikopter wird dem Schweden Hans Blix für immer in Erinnerung bleiben. Als erster Ausländer flog er im Frühjahr 1986 über den zerstörten Atommeiler von Tschernobyl, die UdSSR-Behörden hatten den damaligen Chef der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEO) eingeladen. Bald darauf verblüffte Blix die Öffentlichkeit mit abwiegelnden Erklärungen, aus der IAEO hieß es später gar, nach Tschernobyl seien "keine dramatischen Auswirkungen auf die Bevölkerung oder die Ökosysteme beobachtet" worden. Sein Lavieren im Fall Tschernobyl sicherte Blix nicht nur das bleibende Wohlwollen der Atomlobby - der IAEO-Chef ging erst 1997 in Pension. Auch die offiziellen Atommächte waren mit Blix" Amtsführung derart zufrieden, dass man sich seiner nun erinnerte. Seit Dienstag wird der inzwischen 71-Jährige im UN-Hauptquartier als Chef der neuen UN-Abrüstungskommission für den Irak (Unmovic) gehandelt. Die Ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates, so heißt es, hätten sich auf Blix geeinigt, UN-Generalsekretär Kofi Annan müsse nur noch zustimmen. Damit findet aller Voraussicht nach ein lähmender Konflikt unter den Veto-Mächten um die Besetzung der Unmovic-Spitze seinen vorläufigen Abschluss. Zwar hatte der Sicherheitsrat am 17. Dezember 1999 endlich eine neue Irak-Resolution zu Stande gebracht, in der auch Ersatz für die 1999 im Streit um die Irak-Politik der Vereinten Nationen aufgelöste Abrüstungskommission vorgesehen ist. Doch enthält der Text gerade dazu wenig Details, so dass es zwangsläufig sehr von der Person des Leiters der Unmovic abhängen wird, in welcher Richtung sich die neue Abrüstungskom- mission entwickelt. Laut früheren UN-Beschlüssen haben die Inspektoren darüber zu befinden, ob Irak die im Gefolge des Golfkrieges von 1990 verhängten Abrüstungsauflagen erfüllt hat. Erst danach wollen die USA und Großbritannien die seinerzeit ebenfalls beschlossenen Embargomaßnahmen beenden. Russland, Frankreich und China verlangen dagegen die sofortige Aufhebung aller Sanktionen für den Zivilbereich. Ihr Standpunkt ist, dass Irak - soweit überhaupt kontrollierbar - alle Auflagen erfüllt hat. Vor diesem Hintergrund war erst in der vergangenen Woche der von den USA favorisierte ehemalige UN-Inspekteur im Irak, Rolf Ekeus, von Russland, Frankreich und China als Unmovic-Chef abgelehnt worden. Er stünde, so hieß es, für die bloße Fortsetzung der bisherigen Irak-Politik. Auch andere Kandidaten, darunter ein finnischer Diplomat, ein südafrikanischer Atomspezialist und ein ungarischer C-Waffen-Experte, erschienen dem einen oder anderen Ratsmitglied in dieser Position inakzeptabel. Der Schwede Hans Blix dagegen hat auf Grund seiner Vergangenheit als IAEO-Chef bei allen fünf Veto-Mächten Kredit - jede Seite glaubt, über ihn ihre politischen Vorstellungen durchsetzen zu können. Die hohe Kunst des Lavierens lernte der studierte Völkerrechtler im schwedischen diplomatischen Dienst, dem er seit 1963 angehörte. Nach einer geradlinigen Karriere wurde Blix 1978 schließlich Außenminister. Als seine Liberale Partei ein Jahr später wieder in die Opposition musste, visierte Blix umgehend einen Posten auf internationaler Ebene an. 1981 war es dann soweit, von seinem Landsmann Sigvard Eklund konnte Blix das Amt des IAEO-Generaldirektors übernehmen. Bei alledem ist die rein fachliche Eignung Blix" für das Amt des Irak-Chefinspektors unbestritten, der Schwede gilt als versierter Abrüstungsfachmann und Sicherheitsexperte. In den siebziger Jahren gehörte er der schwedischen Delegation bei der Genfer Abrüstungskonferenz an, später war er Präsident des Verwaltungsrates des Internationalen Friedensforschungsinstitutes in Stockholm (SIPRI). Auch die Gegebenheiten in Irak kennt Blix gut: Nach dem Golfkrieg von 1990 wurde die IAEO mit der Kontrolle aller irakischen Atomanlagen beauftragt. Aus den Vorgängen um Irak, so erklärte Blix seinerzeit in einem Interview, habe er hinsichtlich der Kontrollverfahren viel gelernt. Noch hat sich Bagdad, das sich bislang vehement gegen eine neue Abrüstungskommission sträubte, nicht zur späten Karriere des Hans Blix geäußert. Eine moderate Reaktion käme jedoch kaum überraschend. Seit die IAEO Irak bescheinigte, keine Kernwaffen mehr bauen zu können, ist Blix auch in Bagdad keine Unperson mehr.
|