Die Presse (Wien), 27.1.2000 Ein alter Hase soll Irak zur Vernunft bringen Hans Blix, Ex-Chef der Atomenergie-Organisation (IAEO), ist Kompromißkandidat für die neue UN-Abrüstungskommission. VON CHRISTIAN ULTSCH WIEN / NEW YORK. Im wochenlangen Tauziehen um die Leitung der neugeschaffenen UN-Kommission für die Abrüstung des Irak (Unmovic) zeichnet sich ein überraschender Kompromiß ab. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates haben sich informell auf Hans Blix, den ehemaligen Generaldirektor der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), geeinigt. Der 71jährige Schwede, seit Ende 1997 äußerst aktiver Ruheständler, war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Nach Auskunft des Stockholmer Außenministeriums befand er sich am Mittwoch noch auf einem Privatausflug in arktischen Gewässern. Aus dem Hut gezaubert wurde Blix von Frankreich, das vergangene Woche gemeinsam mit Rußland und China die Kandidatur eines anderen alten Abrüstungshasen aus Schweden zu Fall gebracht hatte. Rolf Ekeus, von 1991 bis 1997 Chef der später in Mißkredit geratenen Unscom (Vorläuferorganisation der Unmovic), hatte eine ausgefuchste, zielstrebige Gangart gepflogen - und war deshalb für die Kritiker der Sanktionen gegen den Irak inakzeptabel. Weichere Linie Blix hingegen gilt als Vertreter einer weicheren Linie. Kurz bevor er sich im Jänner 1998 von der IAEO verabschiedete, hatte er der Unscom mehr oder minder deutlich vorgeworfen, die Inspektionen im Irak in die Länge zu ziehen. Früher oder später müsse jede Kommission darüber entscheiden, ob sie alle verbotenen Waffen und Materialen gefunden habe, die sie finden könne, erklärte Blix damals. Schon vor dieser Äußerung hatte sich Blix bisweilen lobende Worte seitens des irakischen Regimes eingehandelt. In seinem Versuch, die internationale Gemeinschaft zu spalten, bemühte sich Saddam Hussein nach Kräften darum, die kaum verhohlenen Reibereien zwischen Ekeus und Blix, den Chefs von Unscom und IAEO, anzuheizen. Die beiden Organisationen waren von Beginn an durch intensive Kompetenzstreitigkeiten miteinander verbunden. Als sich der UN-Sicherheitsrat 1991 darauf einigte, den Irak zur Abrüstung anzuhalten, war zunächst umstritten, wer den nuklearen Bereich übernehmen sollte. Die USA und Großbritannien tendierten anfangs dazu, die IAEO zu übergehen - deren Inspektoren war vor dem Golfkrieg das beträchtliche Atomwaffenprogramm des Irak verborgen geblieben. (Der Fairneß halber muß hinzugefügt werden, daß die IAEO nur das zu überprüfen berechtigt war, was der Irak im Zuge des Nichtweiterverbeitungs-Vertrages offengelegt hatte). Letztlich blieb die IAEO auf Drängen Frankreichs und der US-Atomlobby im Spiel, mußte jedoch mit der Rolle des Juniorpartners der Unscom vorlieb nehmen. Mit Spannung wird nun darauf gewartet, wie Bagdad die mögliche Bestellung Blix' aufnimmt. Seit den viertägigen Bombenangriffen auf den Irak im Dezember 1998 und dem anschließenden Ende der Unscom konnte sich Saddam zurücklehnen und den Dauerstreit im Sicherheitsrat beobachten. Die neue, am 17. Dezember verabschiedete UN-Resolution hat der Irak zurückgewiesen, obwohl sie eine Suspendierung der Sanktionen in Aussicht stellt, falls sich der Irak kooperationswillig zeigt. UN-Inspektoren wollte der Irak weiterhin nicht ins Land lassen. Strafaktionen brauchte Bagdad nicht fürchten, solange die UNO uneins war.
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