Neue Züricher Zeitung, 27.1.2000 Europarat will weiteren Abbau beim Asylrecht verhindern uth. Strassburg, 26. Januar Die Parlamentarischen Versammlung des Europarats hat sich in Strassburg besorgt darüber geäussert, dass das Asylrecht in Europa immer stärker von einem Klima der Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden untergraben wird. Der lettische Berichterstatter Boriss Cilevics sagte, wenn Europas führende Rolle als Geburtsstätte des Flüchtlingsschutzes durch die ständige Herabsetzung der Standards verloren gehe, werde dieses schlechte Beispiel Nachahmer überall auf der Welt finden. Das wiederum werde unweigerlich zu einem weiteren Anstieg des Flüchtlingsdrucks auf Europa führen. Immer mehr Regierungen, so konstatiert der Bericht, hätten ihre Asylpraxis durch eine restriktive Auslegung des internationalen Rechts und die Neudefinition des Flüchtlingsbegriffs drastisch eingeschränkt. Verstärkt werde diese Tendenz durch Bemühungen der Europäischen Union (EU), ihre Asylpolitik zu harmonisieren. Im Vordergrund stehe dabei die Weigerung, Personen ohne gültige Papiere einreisen zu lassen, dies ungeachtet der Tatsache, dass die in ihren Heimatstaaten Verfolgten im Gegensatz zu Wirtschaftsflüchtlingen oft keine Ausweispapiere haben können, weil ihnen diese entzogen wurden. Als weitere Massnahmen werden die Verlagerung von Anerkennungsverfahren in andere Staaten sowie Abschreckungsmassnahmen genannt, durch die den auf eine Entscheidung wartenden Asylsuchenden das Leben möglichst unbequem gemacht wird. Die Versammlung will nun auf die EU einwirken, dass sie in ihrer Gesetzgebung Asylsuchenden dennoch ausreichenden Schutz gewährt. Auch soll der von der EU verfolgten Strategie, die eigene Verantwortung gegenüber Schutzbedürftigen zulasten von nicht der EU angehörigen Europaratsstaaten zu verringern, Einhalt geboten werden. An ihre Stelle soll ein Übereinkommen zur langfristigen Koordinierung der Asylpolitik beider Staatengruppen treten, verlangen die Berichterstatter. Der Strassburger Gerichtshof für Menschenrechte müsse zur letzten Instanz beim Asylschutz erhoben werden. Das Ministerkomitee des Europarats wird aufgefordert, einerseits die Einhaltung des Asyl- und Flüchtlingsrechts stärker zu überwachen und gleichzeitig die Standards zur Behandlung der betroffenen Personen in Zusammenarbeit mit der EU zu verbessern. Als wesentlicher Schritt dazu sollte das Asylrecht in die Menschenrechtskonvention des Europarats innerhalb eines Jahres einbezogen werden.
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