yahoo, 30. Januar 2000, 03:19 Uhr Özdemir regt Amnestie für illegal lebende Ausländer an Frankfurt (dpa) - Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Özdemir, hat angeregt, über eine Amnestie für illegal in Deutschland lebende Ausländer nachzudenken. Die Politik müsse sich dringend mit der häufig schlimmen Situation jener Ausländer auseinander setzen, die ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebten, sagte Özdemir der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Einbezogen werden sollten aber nur solche Ausländer, die sich schon seit Jahren im Land aufhielten, so der Grünen-Politiker. Darmstädter Echo, 31.1. Der lange Weg bis zur Abschiebung von Straftätern Arbeitsgruppe im Polizeipräsidium befasst sich mit kriminell gewordenen Ausländern Für Kriminaloberrat Kurt Hable ist es eine "alte Weisheit": Im Umfeld der Drogenszene begehen relativ wenige Täter verhältnismäßig viele Straftaten. Den Drogenmarkt in Darmstadt beherrschen nach Erkenntnissen der Fahnder Nordafrikaner - Algerier und Marokkaner - sowie Türken. Somit stellen diese Nationalitäten den größten Teil jenes Klientels, mit dem sich die Arbeitsgruppe "Ausländische Intensivtäter" befasst. Die AG - bestehend aus zwei Polizisten und einem Mitarbeiter des Ausländeramts der Stadt - arbeitet in dieser Besetzung seit knapp zwei Jahren zusammen. Ihre Aufgabe ist es, alle rechtlich zulässigen Maßnahmen zu treffen, um die Intensivtäter möglichst schnell abzuschieben. Der Begriff schnell ist relativ: Es gibt Fälle, mit denen sind die Beamten ein halbes Jahr oder länger beschäftigt, es gibt andere, die weniger langwierig sind. Ein Marokkaner beispielsweise, 83-mal straffällig geworden, beschäftigte die AG mehr als ein Jahr (dazu unten mehr). Dass die Gruppe, wie Hable lobt, "effektiv und erfolgreich" arbeitet, dafür sprechen Zahlen: Bislang sind 72 Straftäter - allesamt Männer im Alter zwischen 15 und 35 Jahren - abgeschoben worden, denen die Ermittler insgesamt 2000 Straftaten zuordnen. "Das sind immerhin 15 Prozent aller Straftaten eines Jahres in Darmstadt", bemüht Hable einen Vergleich. Wenn Polizeihauptkommissar Josef Georg von der Arbeitsgruppe sagt, bei den 2000 Vergehen handele es sich nur um in Hessen bekannt gewordene Fälle, liegt die Vermutung nahe, dass die Straftäter ihren Wirkungskreis nicht auf dieses Bundesland beschränkten. Georg und seine Kollegen haben in relativ kurzer Zeit gute Kontakte aufgebaut zu anderen Behörden und Organisationen, die bei Abschiebungen eine Rolle spielen: Justiz, Generalkonsulate, Bundesgrenzschutz. Dies, der kurze Dienstweg im Haus und der direkte Draht zu den Kollegen der "AG Lui", die sich in der Rauschgiftszene umtun, sind die Garanten des Erfolgs. Zu den Hindernissen auf dem Weg dorthin zählt im Umgang mit Algeriern die Tatsache, dass deren Identifikation häufig Probleme bereitet. "Sie haben im Gegensatz zu Marokkanern so gut wie keine familiären und sozialen Bindungen", erläutert Georg. Das erschwert die Nachforschungen, bei denen es auch darum geht, den ausländerrechtlichen Status der Straftäter zu klären: Gibt es eine Aufenthaltsgenehmigung, läuft ein Asylverfahren, hat die Ausländerbehörde eine Duldung ausgestellt? Immerhin gibt es seit geraumer Zeit in Gießen eine Zentrale Ausländerbehörde, die die Passbeschaffung beim algerischen Konsulat in Berlin vorantreibt. Wie auch immer geartet der Fall ist, "die Identifizierung muss gewährleistet sein", sagt Josef Georg. Viel sagend fügt er hinzu, es sei eigentlich "Hausaufgabe" des Straftäters selbst, dies zu tun. Praktisch gesehen verlängert dieser seinen Aufenthalt, so lange er nichts dazu beiträgt, seine wahre Identität preiszugeben. So lange ist eine Abschiebung nicht rechtens. Andererseits kann die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Straftäter zugunsten der Abschiebung einstellen. Das Gericht muss dem zustimmen, falls schon Anklage erhoben worden ist. Das letzte Wort auf dem langen Weg hat schließlich der Flugkapitän. Der Pilot muss mit dem Transport des Straftäters einverstanden sein. Lehnt er ab, muss eine andere Fluggesellschaft aufgetrieben werden. Kriminaloberrat Kurt Hable sagt, die Masse derer, mit denen es die Arbeitsgruppe zu tun hat, seien Einzeltäter. Sie verbinde einzig ihr kriminelles Handeln. Hables Kollege Harald Krüger, Leiter der Regionalen Kriminalitätsbekämpfung, weiß zwar, dass der Drogenhandel derart ausgeklügelt organisiert ist, "dass, wenn einer weg ist, der nächste nachrückt". Doch er hat den Eindruck, steter Tropfen höhle den Stein. "Die Klientel ist ausgedünnt, die Fälle von Straßenkriminalität sind eindeutig rückläufig." Krügers Fazit: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Eine Stafette zum Konsulat nach Berlin Der Fall eines 30 Jahre alten Algeriers verdeutlicht, vor welchen Problemen die Ermittler häufig stehen. Der Mann, als abgelehnter Asylbewerber erstmals 1994 in seine Heimat abgeschoben, war zurückgekehrt und als Asylbewerber erneut abgelehnt worden. Wegen Rauschgifthandels, sexueller Nötigung und Widerstandes war er der Darmstädter Polizei in 15 Fällen bekannt. "Er hielt sich illegal in Deutschland auf und hatte sich auch nicht um eine Duldung bei der Ausländerbehörde gekümmert", stellt Polizeihauptkommissar Josef Georg von der Arbeitsgruppe "Ausländische Intensivtäter" fest. Die Bemühungen der Ausländerbehörde der Stadt, dem Mann einen Pass zu beschaffen, waren erfolglos. Nachdem die Darmstädter Arbeitsgruppe Kontaktadressen des Algeriers überprüft hatte, was dem Mann nicht verborgen blieb, tauchte dieser unter. In Frankfurt nahmen Polizisten den Dreißigjährigen bei einem Drogengeschäft fest. Zwischenzeitlich war die Kopie des algerischen Führerscheins des Mannes, Gegenstand eines abgeschlossenen Gerichtsverfahrens wegen Trunkenheit am Steuer, zum Amtsgericht Darmstadt gelangt. Auf dieser Grundlage gab das algerische Generalkonsulat in Berlin seine Zusage, sich um ein Pass-Ersatzpapier zu bemühen - die Grundlage für die Abschiebung. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt und die Staatsanwaltschaft Darmstadt stimmten dem Ansinnen der Arbeitsgruppe zu. Es folgte die Anfrage an den Bundesgrenzschutz wegen der für den Flug notwendigen Sicherheitsbegleitung. "Dann kam es zu einer nicht alltäglichen Aktion", erläutert Georg: Mit Hilfe einer Stafette - per ICE von Frankfurt nach Berlin, am nächsten Tag per Flugzeug zurück - beantragten die Ermittler für den Nordafrikaner einen Pass beim algerischen Konsulat, das das Ersatzpapier sofort ausstellte. Georg: "Das dauerte 30 Stunden, normal sind zwei bis drei Wochen." Schließlich stellte ein Arzt die Flugtauglichkeit des Mannes fest. Anderntags - nach fast sechsmonatiger Arbeit an diesem Fall - teilte der Bundesgrenzschutz mit, der Mann sei abgeschoben worden. Wolfgang Horn
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