Die Presse (Wien), 3.2.2000 Ankara: Mehrheitssuche für Verbleib Demirels Der türkische Präsident soll per Verfassungsänderung in seinem Amt gehalten werden. Von unserem Korrespondenten Jan Keetman ANKARA. Die türkischen Karikaturisten können aufatmen: Staatspräsident Süleyman Demirel bleibt ihnen als Thema für ihre spitzen Stifte wahrscheinlich erhalten. Auf einem Koalitionsgipfel hat Ministerpräsident Bülent Ecevit jetzt seine widerstrebenden Partner - die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) von Devlet Bahceli sowie Mesut Yilmaz von der Mutterlandspartei - überreden können, einer Verfassungsänderung zuzustimmen: Durch sie soll die bisher einmalige siebenjährige Amtszeit des Präsidenten durch zwei Amtszeiten von fünf Jahren ersetzt werden. Demirel, der bereits sieben Jahre im Amt ist, könnte damit noch weitere fünf Jahre als Präsident amtieren. Allerdings verfügt die Koalition für die Verfassungsänderung nicht über die nötige Zweidrittelmehrheit. Aber nicht nur die Opposition leistet hinhaltenden Widerstand, auch in den Reihen der Regierungsparteien gibt es eine Anzahl Skeptiker. Und wenn, wie aus einer Umfrage der Zeitung "Turkish Daily News" hervorgeht, tatsächlich nur 55 Prozent der MHP-Abgeordneten für die Verfassungsänderung stimmen, hätte diese keine Chance. Die Mutterlandspartei würde gern den eigenen Parteichef Mesut Yilmaz zum Staatspräsidenten machen. In der Partei der Nationalistischen Bewegung wiederum sind viele mit der Amtsführung von Demirel unzufrieden. Besonderen Widerspruch hat sich der Präsident mit seinem Vorschlag eingehandelt, die Akte Öcalan zunächst liegenzulassen und erst später im Parlament über die Vollstreckung des Todesurteils gegen den inhaftierten PKK-Chef abzustimmen. Demirel seinerseits dürfte mit der neuen Regelung nicht sehr zufrieden sein. Er tritt dafür ein, daß der Staatspräsident direkt vom Volk gewählt wird, weil das Amt damit mehr Gewicht hätte. Ecevit hingegen wollte nicht einen so starken Präsidenten über sich haben. Um Ecevit zu ärgern, kündigte die islamische Tugendpartei am Mittwoch deshalb an, sie werde einen Antrag auf Einführung der Volkswahl einbringen.
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