Kurier (A), 3.2.2000 Zustrom der "Illegalen" hält weiter an Zwei Großaufgriffe in Wien und NÖ: 71 Menschen aus der halben Welt nach Österreich geschleppt / Alarmierende Vorjahresbilanz Die Zahlen sind alarmierend und sprechen für sich: Sind 1998 insgesamt 19.653 illegale Grenzgänger in Österreich aufgegriffen worden, so waren es im Vorjahr mehr als doppelt so viele. Genaue Zahlen dürfen die Behörden aus bürokratischen Gründen nicht nennen. Einem Schlepper-Experten der "Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus" (EBT) zufolge "wurden pro Monat etwa 4000 Illegale aufgegriffen". 91 Prozent der Befragten gaben wirtschaftliche Gründe für ihre Flucht an. Wie berichtet, wird fast die Hälfte der Emigranten erst im "Hinterland" gestellt. Jeder Vierte verweigert die Aussage, wo und wie er ins Land gekommen ist. Den jüngsten Großaufgriff machte am Mittwoch kurz nach Mitternacht die Besatzung eines Streifenwagens in Wien-Simmering. In der Wildpretstraße fiel den Beamten eine Gruppe Afghanen auf. Kaum hatten die Ordnungshüter ihr Auto angehalten, wurde die Gruppe größer und größer. Schließlich drängten sich 42 Menschen um die Funkstreife - und baten um Asyl. "In der Gegend haben wir in jüngster Zeit schon mehrere Afghanengruppen aufgegriffen. Offenbar werden sie von den Schleppern über die Ostautobahn bis zur Stadtgrenze gebracht", meint ein Fremdenpolizist. Die Afghanen werden in der Bundesbetreuung untergebracht (siehe Bericht unten). Ebenfalls nach Traiskirchen gebracht wurden 29 wenige Stunden zuvor in Bruck/Leitha, NÖ, gestellte Flüchtlinge. Sie sind der Gendarmerie Dienstagabend in der Nähe der ehemaligen Zuckerfabrik praktisch in die Arme gelaufen. Es handelte sich um 13 Iraker, drei Syrer, drei Türken und zehn Chinesen, die per Lkw über die grüne Grenze gebracht worden waren. Unter ihnen waren auch zwei bedauernswerte Opfer, die einfach abgeladen wurden: Ein Querschnittgelähmter, der sich vor Schmerzen krümmte, und eine Frau mit kaputtem Knie. In NÖ hat die Stapo im Vorjahr 4543 "Illegale" (plus 73,1 Prozent im Vergleich zu 1998) und 330 Schlepper registriert. Eklatante Steigerungszahlen waren 1999 unter anderem auch in Kärnten zu verzeichnen: 4356 Aufgriffe entsprechen einem Plus von 104 Prozent. Zudem wurden sieben Mal mehr Schlepper gestellt - insgesamt 450. In der Steiermark gingen den Behörden 1999 111 Schlepper ins Netz, 1344 illegale Grenzgänger wurden aufgegriffen. Die steirischen Steigerungsraten im Vergleich: 1997 wurden 332 "Illegale", 1998 bereits 702 gefasst. Um das Dreifache gestiegen ist 1999 die Aufgriffsrate von "Illegalen" in Tirol: Insgesamt 6147 Menschen (unter ihnen 400 Schlepper) wurden gestellt. Viele Asylwerber tauchen unter Ein Großteil jener illegalen Grenzgänger, die in Österreich um Asyl ansuchen wollen, wird nach Traiskirchen, NÖ, gebracht. Dort befindet sich nicht nur eine Außenstelle des Bundesasylamtes, sondern auch die mit Abstand größte Betreuungsstelle für Asylwerber in Österreich. Mittwochfrüh befanden sich in der Betreuungsstelle 855 Personen verschiedener Nationalitäten. "Täglich kommen zwischen 30 und 105 Personen dazu", schildert Wilhelm Hutterer, Leiter der Betreuungsstelle. Die Menschen bekommen Unterkunft und Verpflegung und werden auch medizinisch versorgt. Maximal 1000 Personen werden aufgenommen. Kommen mehr, werden sie auf private Unterkünfte in ganz Österreich verteilt. Asylwerber haben Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Das Verfahren darf in 1. Instanz maximal sechs Monate dauern. 1999 haben rund 7500 Personen im Bundesasylamt in Traiskirchen einen Asylantrag gestellt. "Der Ansturm ist groß, aber diesen Zustand haben wir schon seit etwa eineinhalb Jahren", sagt eine Sprecherin des Bundesasylamtes. Im Durchschnitt werde in etwa zehn bis zwölf Prozent der Fälle Asyl gewährt. Allerdings tauchen auch viele Flüchtlinge vor Abschluss des Verfahrens unter: "Pro Woche verschwinden zwischen 50 und 100 Personen", sagt Hutterer. Man könne die Menschen aber nicht einsperren, weil sie sich aufgrund der Aufenthaltsberechtigung frei in Österreich bewegen dürfen. Beim Bundesasylamt kennt man das Problem: "Viele Leute sehen Traiskirchen anscheinend nur als Zwischenstation auf ihrer Reise nach Holland oder Deutschland an. Sie nehmen den Antrag nicht wirklich ernst. Bei uns bindet das aber dennoch viele Ressourcen."
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