Sindelfinger, Böblinger Zeitung, 3.2.2000 Bedrohung VON WOLFGANG MOLITOR Eigentlich könnte Kay Nehm durchaus zufrieden auf das vergangene Jahr zurückblicken. Das linksterroristische Spektrum ist weitgehend zerschlagen und stellt zurzeit keine Bedrohung des Staates dar. Auch die Gewalt ausländischer Gruppierungen wie der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans hat spürbar abgenommen. Trotz des nach wie vor hohen Gewaltpotenzials ist besonders in PKK-Kreisen eine deutliche ¸¸Mäßigung'', so der Generalbundesanwalt, festzustellen. Zudem geht die Zahl der Verfahren gegen ausländische Geheimdienste und Kriegsverbrecher zurück. Und selbst im Kampf gegen das große Sorgenkind, den Rechtsextremismus, war Nehms Behörde erfolgreich - mit dem Ergebnis, das sich zurzeit keine größere rechtsterroristische Gruppe etablieren kann. Und doch blickt Nehm nicht ohne Sorge in die Zukunft. Gerade weil rechtsextreme Gruppierungen in der Regel den Organisationsgrad einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung nicht mehr erreichen, tummelt sich die braune Szene in Kleingruppen oder ruft Einzeltäter auf den Plan. Diese Aufsplitterung aber setzt der Tätigkeit des Generalbundesanwalts enge, zu enge Grenzen. Angesichts der wachsenden Gewaltbereitschaft im rechtsextremen Lager und des Zustroms von braunem Propagandamaterial aus dem Ausland wäre es daher sinnvoll, den Staatsschutzauftrag des Generalbundesanwaltes zu erweitern. Nehms Bericht hat gezeigt, dass die Bedrohung des Staates durch Rechtsextremismus neue, unkoordinierte Formen angenommen hat. Es wäre fatal, wenn sich der Gesetzgeber angesichts dieser Entwicklung unflexibel zeigte und an überholten Zuständigkeiten festhalten würde.
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