Tagesspiegel, 4.2.2000 Zypernkonflikt Volksgruppenführer Denktasch bleibt störrisch Susanne Güsten Der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Rauf Denktasch hatte eigentlich im Genfer Intercontinental reserviert - doch als er hörte, dass auch der griechisch-zyprische Präsident Glafkos Klerides in diesem Hotel absteigen wollte, ließ er sich flugs ins Richmond umbuchen. Nun hält sich Klerides nicht zufällig in derselben Stadt auf wie Denktasch, sondern zu Verhandlungen mit dem Zyperntürken über eine Einigung auf der seit einem Vierteljahrhundert geteilten Mittelmeerinsel. Die Episode illustriert, wie weit eine Lösung der Zypernfrage noch entfernt ist - auch wenn die Vereinten Nationen als Schirmherren der neuen Zypern-Runde demonstrativen Optimismus an den Tag legen. Die internationale Gemeinschaft ist entschlossen, den Konflikt auf der Insel bald zu den Akten legen zu können. Weil sich dafür auch Deutschland immer stärker engagiert, kommt Rauf Denktasch nach der Genfer Runde am nächsten Freitag erstmals in die Bundesrepublik. Die in dieser Woche in Genf aufgenommenen Gespräche sind bereits die zweite Runde in der jüngsten UN-Initiative zu Zypern, nach einer ersten Verhandlungsrunde in New York im vergangenen Dezember. Doch auch in Genf wollen sich die beiden Zyprer noch nicht einmal ins Gesicht sehen, weshalb UN-Generalsekretär Kofi Annan bei den Verhandlungen vermittelnd zwischen ihnen hin- und herpendeln muss. "Die Gespräche werden äußerst kompliziert; wir werden sie hier in Genf nicht abschließen können", räumte Annan nach den ersten Treffen erschöpft ein, fügte aber optimistisch hinzu: "Wir setzen uns für eine Lösung noch in diesem Jahr ein - und ich denke, wenn wir hart genug arbeiten, können wir das auch erreichen." Eine Einigung auf Zypern noch in diesem Jahr - das wäre eine Sensation. Denn derzeit bewerten Diplomaten es schon als Durchbruch, dass Denktasch und Klerides sich überhaupt zur selben Zeit am selben Ort aufhalten. "Normalerweise stellt immer eine Seite unverschämte Forderungen, woraufhin die andere Seite den Brocken hinschmeißt", sagt ein Diplomat. "Deshalb kann man die Tatsache gar nicht überschätzen, dass beide Seiten sich noch an dem Prozess beteiligen." Prompt bekamen sich die beiden Zyprer auch am dritten Tag der Pendelgespräche auch schon in die Haare: Denktasch warf Klerides eine Verletzung der Spielregeln vor, nachdem dieser eine öffentliche Erklärung abgegeben hatte, obwohl eine Nachrichtensperre vereinbart war. Dass der Verhandlungsprozess überhaupt zu Stande kam, liegt vor allem an dem verbesserten Klima zwischen den Schutzmächten der beiden zyprischen Volksgruppen, der Türkei und Griechenland, das seit den Erdbeben in beiden Ländern im vergangenen Sommer sehr viel milder geworden ist. Zu mehr als der Initialzündung für die UN-Gespräche dürfte das Tauwetter in der Zypernfrage aber kaum ausreichen, glauben Diplomaten auf beiden Seiten. Viel wichtiger werde deshalb der Druck von außen auf die Konfliktparteien. Neben den USA, die sich schon lange für eine Einigung auf der Mittelmeerinsel einsetzen, wollen sich künftig auch die Europäer stärker engagieren. Seit dem EU-Gipfel von Helsinki, der die Türkei als EU-Beitrittskandidatin anerkannte, eine Lösung für Zypern aber zugleich zur Beitrittsbedingung erklärte, ist der Zypernkonflikt endgültig zum europäischen Problem geworden. Die Bundesrepublik, die sich neuerdings besonders für die türkische Annäherung an Europa engagiert, wird deshalb erstmals den türkisch-zyprischen Volksgruppenführer Denktasch empfangen. Der nicht anerkannte "Präsident" von Nordzypern wird nach der zehntägigen Genfer Runde am 11. Februar zu einem Treffen mit Bundesaußenminister Joschka Fischer in Deutschland erwartet. Offiziell firmiert Denktasch dabei als gewählter Vertreter der türkisch-zyprischen Volksgruppe. Mit der Einladung will die Bundesregierung zum einen den Willen der EU unterstreichen, sich für eine Lösung auf Zypern einzusetzen. Zum anderen soll Denktasch damit demonstriert werden, dass dies eine Lösung mit ihm - und nicht ohne oder gar gegen ihn und seine Volksgruppe - sein soll.
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