Neue Züricher Zeitung, 5.2.2000 Weitere griechisch-türkische Annäherung Besuch von Aussenminister Cem in Athen H. G. Athen, 4. Februar Unter grossen Sicherheitsvorkehrungen hat am Freitag der erste Besuch eines Aussenministers der Türkei in Griechenland seit 40 Jahren begonnen. Der türkische Aussenminister Cem und sein griechischer Amtskollege Papandreou unterzeichneten fünf bilaterale Verträge. Die Zeremonie im Aussenministerium fand unter dem Bild von Yannos Kranidiotis statt, dem eigentlichen Baumeister der griechisch-türkischen Annäherung. Er war stellvertretender Aussenminister, als er im letzten Jahr bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam. Unter seiner Federführung hatten im Juli 1999 die Kontakte zwischen hohen Regierungsbeamten aus Athen und Ankara begonnen. Als erstes Ergebnis konnten im Januar beim Besuch Papandreous in der Türkei vier Abkommen unterzeichnet werden. Jetzt waren es fünf Verträge, nämlich über wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit, über die Regelung des Güterverkehrs auf dem Meer und auf der Strasse, über die Kooperation an den Zöllen sowie im Bereich der Wirtschaft und Kultur. Letzteres sieht auch die Restaurierung osmanischer Kulturstätten in Griechenland sowie griechisch-orthodoxer Denkmäler in der Türkei vor. Der griechische Aussenminister Papandreou erinnerte bei der Ankunft des türkischen Gastes vor dem Hintergrund der zweiten Runde der Zypern- Gespräche in Genf daran, dass die neue griechisch-türkische Freundschaft eine Realität sei, wenn auch eine noch äusserst zerbrechliche: «In Griechenland leben wir im Schatten der Tragödie Zyperns.» Auch der Streit um das Inselchen Imia in der Ägäis oder der Fall Öcalan im vergangenen Jahr lägen wie eine Last auf der jetzigen Wiederannäherung. Nach dem Ende ihrer ersten offiziellen Gesprächsrunde, die sich wider Erwarten in die Länge zog, zeigten sich Papandreou und Cem entschlossen, das schwere Erbe hinter sich zu lassen. Fragen von Journalisten nach den heissen Eisen, etwa Zypern, die Hoheitsrechte in der Ägäis oder die Abgrenzung des Kontinentalsockels sowie des Luftraums, blieben unbeantwortet. Auch Auskünfte über eine von Griechenland angeregte gemeinsame Kommission von Völkerrechtlern und über den von Ankara geforderten militärischen Unterausschuss waren am Freitag nicht zu erhalten. Vorgezogene Parlamentswahlen im April (Reuters) Der griechische Ministerpräsident Simitis hat für den 9. April vorgezogene Parlamentswahlen angekündigt. Simitis sagte am Freitag in Athen, mit diesem Schritt solle Griechenlands Beitritt zur Europäischen Währungsunion vorbereitet werden. Für die Verhandlungen im Frühjahr brauche sein Kabinett einen neuen Regierungsauftrag. Griechenland will sich Anfang März offiziell für einen Beitritt zur Währungsunion im Januar 2001 bewerben.
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