Süddeutsche Zeitung, 7.2.2000 Anschlag wegen einer Karikatur In Teheran wurde der Amtssitz des Präsidenten attackiert - Hintergrund ist offenbar der Streit über die Pressefreiheit Auf den Amtssitz des iranischen Präsidenten Mohammed Chatami ist am Samstagabend ein Anschlag mit Granatwerfern verübt worden, ohne dass dieser dabei jedoch in Gefahr geriet. Ein in der Nähe beschäftigter 29 Jahre alter Druckereiarbeiter wurde getötet, und fünf Menschen, die in einem Bus saßen, wurden verletzt. Zudem wurden zwei geparkte Autos zerstört. Als Urheber bekannten sich die linksislamischen Volks-Mudschaheddin, die ihre Stützpunkte im Irak haben. Verhaftungen von Verdächtigen wurden bisher nicht gemeldet. Die Anschläge mitten im Teheraner Regierungsviertel dürften in der Woche der Feiern zum 21. Jahrestag der Revolution sowie zwölf Tage vor den Parlamentswahlen für Aufregung sorgen. Chatami hat sein Büro im früheren Senatsgebäude. Augenzeugen berichteten, mindestens eine der Granaten sei am östlichen Zugang zum Gelände des Prasidentenpalastes niedergegangen. In der Nähe befinden sich auch der Amtssitz des geistlichen Führers Ali Chamenei, das Büro des früheren Präsidenten Ali Rafsandschani, das Parlament und die zentrale Koordinierungsstelle für die politisch tonangebenden Freitagsgebete. In letzterem Gebäude zerbrachen Fensterscheiben. Das staatliche Fernsehen berichtete von fünf Explosionen etwa um 19.30 Uhr, als die Straßen noch relativ belebt waren. Zeugen wollen sieben Detonationen gehört haben, darunter vier stärkere. Die Mehrzahl der leichten Granaten schlug rund um die Kreuzung der Wali-Asr- mit der Imam-Chomeini-Straße ein, etwa 200 Meter von Chatamis Amtssitz entfernt. Zum Durchschlagen fester Mauern waren die Sprengkörper nicht geeignet. Offensichtlich stand der Propagandaeffekt im Vordergrund. Die Umgebung wurde von der Polizei gesperrt. Korrespondenten und Fotografen wurden abgewiesen. Die Sicherheitsvorkehrungen um Präsident Chatami sind angesichts der Spannungen in der Endphase des Wahlkampfs schon seit Tagen verstärkt. Die Spannungen entzündeten sich an einer Karikatur, die in der Reform-Zeitung Asad erschienen war. Sie zeigte einen prominenten Gegner der Pressefreiheit, Ayatollah Mesbah Jasdi, als Krokodil, das einen missliebigen Schreiber zwischen den Zähnen hält. Jasdi hatte angeblich die Behauptung verbreitet, CIA-Beauftragte besuchten iranische Reformzeitungen mit Geldkoffern. Gegen die Karikatur demonstrierten in der Theologen-Stadt Ghom drei Tage lang tausende konservativer Geistlicher und Studenten. Sie forderten die Absetzung des liberalen Kulturministers Ataollah Mohadscherani, eines Vertrauten Chatamis. Dem Minister warfen sie Beteiligung an einer "Verschwörung" vor, die es verbotenen Publikationen immer wieder ermögliche, unter anderem Titel neu zu erscheinen. Der Karikaturist, Nik Ahangh-Kosar, wurde verhaftet. Rudolph Chimelli
|