Süddeutsche Zeitung, 8.2.2000 Meinungsseite Ankaras legitime Erpressung Offen redet man nicht darüber, weder im Bundeskanzleramt, noch in den Ministerien in Berlin und in Bonn. Aber klammheimlich haben es sich sicher viele Mitarbeiter dort schon oft gewünscht, vom Minister bis hinunter zu den kleineren Beamten: Dass die Türkei irgendwann, irgendwie, irgendwohin verschwinden möge, und sei es nur für ein paar Monate. Dass diese Türken doch einmal, einmal nur Ruhe geben und sich nicht ständig mit spitzen Ellbogen in den Vordergrund schieben wollen. Allein, der fromme Wunsch bleibt meistens unerfüllt. So auch diesmal: Kaum hatte man sich in Berlin in der trügerischen Sicherheit gewogen, die unangenehme Entscheidung über den Export von Leopard-Panzern erst einmal bis zum Ende des Jahres vom Hals zu haben, da meldet sich Ankara prompt erneut zur Stelle - so unerwartet und auftrumpfend wie der sprichwörtliche Igel, der den keuchenden Hasen ausgetrickst hat. Sicher, die Art und Weise wie die Türken von der Bundesregierung eine Blankovollmacht für die Lieferung von 1000 Panzern verlangen, trägt Züge einer Erpressung. Gleichzeitig verdient Ankaras Verhalten Verständnis: Man will wissen, ob man das Produkt auch bekommen wird, das man für sein gutes Geld kaufen will; und man will es rechtzeitig wissen, damit man sich nicht vor aller Welt blamiert, falls Berlin der Türkei einen Korb gibt. Die Bundesregierung, die nun über den erpresserischen Druck aus Ankara lamentiert, mag einen Teil der Schuld ruhig bei sich selbst suchen: Eine klare Entscheidung hätte ihr diese Unbill - und vermutlich noch folgenden Ärger - erspart. Die Moral: Aussitzen löst nicht alle Probleme. Sogar Altmeister Helmut Kohl kann es bezeugen. ky.
|