SoZ - Sozialistische Zeitung 03.02.2000 Staatsschutz kam im Morgengrauen Durchsuchung: SoZ-Redakteur Knut Rauchfuss soll PKK unterstützt haben Am Morgen des 25.Januar, um 6 Uhr früh, schellt es fordernd an
der Wohnungstür des SoZ- Redakteurs Knut Rauchfuss. Als er - noch
im Morgenmantel - öffnet, drängen Polizeihauptmeister Olaf
Sosna und drei weitere bewaffnete Polizisten der "Direktion Zentrale
Kriminalitätsbekämpfung/ K14 - Polizeilicher Staatsschutz"
durch die Tür. Sie beginnen umgehend, seine Wohnung zu durchwühlen.
Außer drei Ausgaben der SoZ beschlagnahmen die Staatsschützer
fast alle Protokolle, Briefe und Adressenlisten, die sie finden. Nach
drei Stunden wird Rauchfuss auf dem Präsidium "erkennungsdienstlich
behandelt", vermutlich ist zudem längere Zeit sein Telefon
abgehört worden. Zeitgleich an diesem Morgen lässt der verantwortliche
Frankfurter Ermittlungsrichter Wolfheimer auch die Wohnung der Mainzer
Kurdin Gülten Sahin in Oestrich-Winkel durchsuchen. Auch dort beschlagnahmen
die Polizisten E-Mail-Adressverteiler, Briefwechsel mit dem Kurdistan
Informations-Zentrum und Presseerklärungen des "Forums für
Frieden und Demokratie in Kurdistan und in der Türkei". Die
Verbindung zwischen den beiden Opfern des Überfalls: Sie sind beide
Mitglieder des humanitären Vereins "Promondial". Und
beide werden verdächtigt, eine Straftat nach §102 StGB begangen
zu haben - vorgeworfen wird ihnen somit ein "Angriff gegen Organe
und Vertreter ausländischer Staaten". Der Durchsuchungsbeschluss
wurde bereits Anfang November vergangenen Jahres ausgestellt. Ermittelt
wird wegen der Straftat im Zusammenhang mit dem Vereinsgesetz - im Hintergrund
steht wohl der Vorwurf einer Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK): Frau Sahin und Rauchfuss werden beschuldigt, "an der Gründung
eines Vereins Pro Mondial' [Rechtschreibung im Original] beteiligt
zu sein, dessen Zielsetzung darin besteht, die mit einem Betätigungsverbot
belegte PKK, unter deren Einfluss die Vereinigung steht, zu unterstützen".
Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, "dass die Durchsuchung
zur Auffindung folgender Beweismittel führen" werde: "Unterlagen
über den in Gründung befindlichen Verein Pro Mondial'
und die Beteiligung der PKK hieran", so der Durchsuchungsbeschluss.
Gefunden wurden unter anderem lediglich ein Brief im Zusammenhang mit
der Petitionskampagne zur Freilassung von Frau Sahin nach ihrer Verhaftung
in der Türkei, eine Presseerklärung der PKK- Europavertretung
ERNK und eine Rede von SoZ-Redakteur Rauchfuss anlässlich eines
internationalen Kulturfestivals. Indessen hat Rauchfuss gegen diese
konstruierte Kriminalisierung in jeder Hinsicht Widerspruch eingelegt:
Denn "Promondial" ist natürlich alles andere als eine
Tarnorganisation der PKK. Vielmehr haben die Mitglieder bekanntlich
größte Schwierigkeiten mit der PKK, die "Promondial"
heftig bekämpft. Wie grotesk die Anschuldigungen gegen Rauchfuss
en detail zu diesem Zeitpunkt sind, erhellt auch der Text einer Selbstanzeige
von neun weiteren Mitgliedern des "Promondial"-Vorstands,
darunter die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke und "Medico
International"-Mitarbeiter Hans Branscheidt. Leicht erheitert schreiben
sie dem Ermittlungsrichter: "Um der Wahrheit zu dienen, bitten
wir Sie freundlich, das Ermittlungsverfahren auch auf uns auszudehnen.
Dieser Umstand würde uns unmittelbare Akteneinsicht ermöglichen
und damit behilflich sein können bei der Klärung der Frage,
wer diese ungeheuerliche und absurde Konstruktion letztlich zu verantworten
hat." |