Süddeutsche Zeitung, 10.2.2000 Regierungsbeauftragte legt ihren ersten Bericht vor Beck sieht die Ausländer als Partner von morgen Grünen-Politikerin: Zahl der Einbürgerungen stark gestiegen / "Alleinstehende minderjährige Flüchtlinge schützen" Von Christiane Schlötzer Berlin - Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), hat sich für eine Neuorientierung der Integrationspolitik ausgesprochen. Beck wählte dafür am Mittwoch in Berlin das Motto "von der Integration zur Partnerschaft". Gutausgebildete junge Ausländer in Großstädten, "mit BMW und Handy", brauchten keine sozialpolitische Integrationsförderung mehr. Für neue Zuwanderer, die im Rahmen des Familiennachzug nach Deutschland kämen, seien dagegen verstärkte Angebote nötig, vor allem in der Sprachförderung, sagte Beck bei der Vorstellung ihres ersten Berichts zur Lage der Ausländer in Deutschland. Der Bericht wird alle zwei Jahre erstellt. Erstmals wurde er nun auch im Kabinett präsentiert. Die rot-grüne Regierung hat das Amt der Ausländerbeauftragten personell wie politisch aufgewertet. Mit ihren Anliegen konnte sich Beck bisher dennoch in der Koalition nicht immer durchsetzen. So forderte sie nun erneut, die Regierung sollte ihren Vorbehalt gegen die UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen und minderjährige Flüchtlinge, die ohne Begleitung in die Bundesrepublik kommen, Schutz zu gewähren. Beck verwies auch auf die EU-Politik gegenüber Österreich. Die Kritik der EU an der Regierung in Wien unter Beteiligung der als fremdenfeindlich geltenden FPÖ verpflichte die Mitgliedsstaaten dazu, selbst "Integration mit allen Kräften zu stärken". Aus dem fast 300 Seiten starken Bericht geht hervor, dass die Zahl der Ausländer in Deutschland sinkt. Dazu trägt jetzt auch das neue Staatsbürgerschaftsrecht bei. Die Anträge auf Einbürgerung hätten sich, so das Ergebnis einer Umfrage Becks in den größten Städten, seit Jahresanfang gegenüber 1999 verdoppelt bis verdreifacht. Ende 1998 (das Jahr der letzten Erhebung) lebten 7,32 Millionen Ausländer in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 8,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung. 6,6 Millionen lebten in den alten Bundesländern, nur 240 000 in den neuen. In Berlin waren es 480 000. Jeder vierte Ausländer kommt aus einem EU-Land. Mit gut 2,1 Millionen stellen die Türken die größte Gruppe der übrigen Ausländer. Fast ein Drittel der ausländischen Bürger lebt zwanzig Jahre oder länger im Land. Fast 1,6 Millionen sind hier geboren. Beck betonte, Leitbild sollte die plurale Gesellschaft sein. Diese Wortwahl ersetzt den Begriff der "multikulturellen Gesellschaft", der von den Grünen früher gern verwandt wurde. Beck sagte, es gehe um "eine neue Balance von Rechten und Pflichten in der Integrationspolitik", bei der klare und erfüllbare Erwartungen garantierten Ansprüchen gegenüberstünden. Besorgt zeigte sich Beck über sinkende Ausbildungsquoten ausländischer Jugendlicher und die Arbeitslosigkeit bei Ausländern, die 1998 einen historischen Höchststand erreicht habe. Erstmals befasst sich der Bericht eines Ausländerbeauftragten auch mit der Situation illegal in Deutschland lebender Ausländer. Für eine Politik der Legalisierung Illegaler wie in Frankreich sieht Beck in Deutschland keine Chancen. |