junge Welt, 10.2.2000 Mit Stromschlägen gefoltert Abgeschobener Kurde wurde in der Türkei schwer mißhandelt. Schily forciert Abschiebungen Offenbar ist erneut ein aus Deutschland abgeschobener Kurde in der Türkei schwer mißhandelt worden. Beamte einer Anti- Terror-Einheit hätten den abgelehnten Asylbewerber Hüseyin Ayhanci in der Stadt Izmir »systematisch gefoltert«, berichteten am Mittwoch der Niedersächsische Flüchtlingsrat und Pro Asyl. Der Flüchtling war am 24. November des vergangenen Jahres aus Hessen nach Istanbul abgeschoben worden. Bereits nach seiner Ankunft auf dem Flughafen wurde der Kurde den Angaben der beiden Initiativen zufolge sieben Tage lang »festgehalten, beschimpft und bedroht«. Nach seiner Freilassung sei Ayhanci zunächst nach Mardin in Türkisch- Kurdistan, dann aus Angst vor der Polizei in die westtürkische Stadt Izmir weitergereist. Dort hätten drei Zivilpolizisten den Flüchtling am 28. Januar in ein Auto gezerrt und entführt. Nach »massiven Einschüchterungen« und der Androhung, ihn zu erschießen, sei er dann zu einem Gebäude gebracht und dort gefoltert worden. In einer Erklärung des Kurden heißt es: »Später spannten sie meine Füße in ein Klemmgerät und quetschten sie. Noch später haben sie mich aufgerichtet und auf meinen Rücken, meine Beine und meine Arme wiederholt eingeschlagen. Damit meine Füße nicht anschwollen, ließen sie mich an einem nassen Ort laufen. Sie setzten meine Arme und meine Schultern mit Kabeln unter Strom.« Die Polizisten hätten Ayhanci aufgefordert, als Agent für sie zu arbeiten und sie über die Tätigkeit der kurdischen Kulturzentren und Vereine in Deutschland zu informieren, so die Flüchtlingsorganisationen. Unter der Folter habe der Kurde schließlich die Namen von mehreren Personen genannt. Am 29. Januar sei Ayhanci freigelassen worden. Bei der Staatsanwaltschaft gab er anschließend die Geschehnisse zu Protokoll. Ein Arzt vom gerichtsmedizinischen Institut in Izmir stellte zahlreiche Blutergüsse in Armen, Schultern und auf der Zunge fest. Das Attest liegt junge Welt vor. Dieser erneute Fall von Folter nach einer Abschiebung spreche den Bemühungen deutscher und türkischer Politiker »Hohn, die Situation in der Türkei schön zu reden«, sagte der Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, Kai Weber. Mißhandlungen seien in dem Land nach wie vor an der Tagesordnung. Der Sprecher von Pro Asyl, Heiko Kauffmann, erklärte, das Beispiel von Hüseyin Ayhanci mache deutlich, »daß man den Selbstauskünften der türkischen Regierung, abgeschobenen Kurden drohe keine menschenrechtswidrige Behandlung, nicht trauen kann«. Gleichzeitig wies Kauffmann auf die Bemühungen von Bundesinnenminister Otto Schily hin, durch ein »effizienteres Konsultationsverfahren« mit den türkischen Behörden die Abschiebung von Kurden zu forcieren. Der Flüchtlingsrat und Pro Asyl forderten die Bundesregierung auf, Abschiebungen von Kurden in die Türkei unverzüglich auszusetzen. Hüseyin Ayhanci müsse zudem die Wiedereinreise nach Deutschland ermöglicht werden. Bereits im vergangenen Jahr hatten die beiden Flüchtlingsinitiativen 19 Fälle recherchiert und dokumentiert, in denen aus Deutschland abgeschobene Kurden in der Türkei inhaftiert und mißhandelt worden waren. Reimar Paul |