Frankfurter Rundschau, 18.2.2000 Absage Ankaras verärgert Europa-Abgeordnete Parlamentarier dürfen inhaftierte Kurdin Leyla Zana nicht besuchen Von Martin Winter Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei, die sich auf dem Weg der Besserung befinden, haben einen Rückschlag erlitten: Ankara weigert sich, Mitgliedern des Europa-Parlamentes einen Besuch bei der inhaftierten kurdischen Abgeordneten Leyla Zana zu gestatten. BRÜSSEL, 17. Februar. Die türkische Botschaft bei der EU hat der Parlamentariergruppe "Türkei" des Europa-Parlaments (EP) Anfang der Woche mitgeteilt, dass Ankara die erbetene Besuchserlaubnis bei der inhaftierten Kurdin Zana nicht gibt. Gefangene, hieß es, dürften nur von Angehörigen und Anwälten besucht werden. Angesichts der Tatsache, dass die 1994 zu fünfzehn Jahren Haft Verurteilte schon mehrfach im Gefängnis mit Politikern aus verschiedenen Ländern und auch aus dem EP hatte zusammentreffen dürfen, empfand die Parlamentariergruppe diese Zurückweisung als politischen Affront. Die harsche türkische Reaktion bewertet der französische Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit als Ausfluss "einer innenpolitischen Auseinandersetzung" zwischen Reformern und Nationalkonservativen in Ankara. Auf Vorschlag Cohn-Bendits beschloss die Parlamentariergruppe parteiübergreifend, ihre für die kommende Woche geplante Türkeireise "zu verschieben". Wann die Reise stattfinden kann, hängt nun davon ab, ob es der EU-Kommission und europäischen Außenministern gelingt, die Türkei zum Einlenken zu bewegen. Man wolle ja gar keine "Pilgerfahrt zu dem Gefängnis" machen, sagte der deutsche Abgeordnete türkischer Herkunft Ozan Ceyhun (Grüne), aber natürlich müsste zumindest der Vorsitzende der Türkei-Gruppe ein Besuchsrecht bekommen. Für Ceyhun wäre diese Reise die erste Rückkehr in eine Heimat gewesen, die er vor 20 Jahren auf der Flucht vor der Militärdiktatur verlassen musste und in der er bis 1998 von Militärgerichten wegen Terrorismus verfolgt wurde. Dass die Parlamentarier auf einem Besuch bei Leyla Zana bestehen, hat zwei Gründe: Zum einen ist sie wegen ihrer Arbeit als Abgeordnete der türkischen Nationalversammlung ins Gefängnis geworfen worden. 1991 über die Liste der sozialdemokratischen SHP gewählt, hatte sie ihren Amtseid mit dem kurdisch gesprochenen Zusatz versehen, "ich habe diesen Eid für die Brüderlichkeit der kurdischen und türkischen Völker abgelegt". Weil sie kurdisch gesprochen hatte, wurde gegen sie Anklage wegen Separatismus erhoben. Nachdem Ministerpräsidentin Tansu Ciller 1994 für die Aufhebung ihrer Immunität gesorgt hatte, wurde sie verurteilt. Kurz vor Urteilsverkündung und ohne dass sie dazu hätte Stellung nehmen können, wurde die Anklage in den Vorwurf umgewandelt, sie sei Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Zum anderen besteht zwischen dem EP und Leyla Zana eine spezielle Beziehung: Der Kurdin, die sich für eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei einsetzt, war 1995 der "Sacharow-Preis für geistige Freiheit" des EP verliehen worden. Zana sitze im Gefängnis, "weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hatte".
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