taz, 21.2.2000 Seite 5 Der Bürgermeister von Diyarbakir sitzt hinter Gittern Die Verhaftung von Feridun Celik belastet die Aussöhnung zwischen Türken und Kurden Istanbul (taz) - Der Bürgermeister der inoffiziellen Hauptstadt Türkisch-Kurdistans sitzt im Gefängnis. Samstagmittag wurde Feridun Celik, Regent von Diyarbakir, der größten, überwiegend von Kurden bewohnten Stadt im Südosten der Türkei, verhaftet. Zur gleichen Zeit nahm die Polizei auch die Bürgermeister der Städte Siirt und Bingöl fest. Die Verhaftungen wurden durch die Staatsanwaltschaft am Staatssicherheitsgericht in Diyarbakir veranlasst und noch am selben Tag durch den Gouverneur, der für die Umsetzung des Ausnahmezustandes in den fünf südöstlichen Provinzen zuständig ist, bestätigt. Den Verhafteten wird vorgeworfen, mit der PKK zusammengearbeitet zu haben. Nach Aussagen von kürzlich gefangen genommenen PKK-Kämpfern sollen sie der Organisation Geld gegeben und Befehle entgegengenommen haben. Feridun Celik ist, wenn man einmal von PKK-Chef Abdullah Öcalan absieht, der derzeit bekannteste kurdische Politiker in der Türkei. Er ist der prominenteste Vertreter der prokurdischen Partei Hadep. Seit Öcalan die Einstellung des bewaffneten Kampfes und die neue Friedenspolitik der PKK verkündet hat, ist Celik mehr und mehr in die Rolle des kurdischen Repräsentanten in diesem inoffiziellen Friedensprozess hineingewachsen. Er wurde bereits im Herbst letzten Jahres von Staatspräsident Süleyman Demirel empfangen, er tritt in den Massenmedien als Vertreter der Kurden auf und wird auch im Ausland als solcher wahrgenommen. Als man ihn am Samstag verhaftete, war er gerade von einem Gespräch mit der schwedischen Außenministerin Anna Lindh aus Ankara zurückgekommen. Der Vorwurf, dass die Hadep so etwas wie der legale Arm der PKK sei, ist nicht neu und wird von Generalstaatsanwalt Vural Savas seit Jahren erhoben. Aus diesem Grund schwelt ein Verbotsverfahren gegen die Partei. Allerdings war diese Frontstellung in den letzten Monaten erheblich aufgeweicht und Beobachter hatten den Eindruck, die Hadep werde mittlerweile stillschweigend von der türkischen Regierung als Ansprechpartner in der Diskussion um die Lösung der Kurdenfrage akzeptiert. Die Verhaftung Celiks ist ein schwerer Schlag für die Normalisierung im türkisch-kurdischen Verhältnis. Kurz vor der Festnahme gab es drei weitere Entscheidungen, die zusammen genommen vermuten lassen, dass nach den Entspannungssignalen des letzten halben Jahres, in Ankara die Hardliner wieder Oberwasser bekommen. Zuerst wurde das Besuchsrecht der Öcalan-Anwälte auf der Gefängnisinsel Imrali von zwei auf einmal wöchentlich eingeschränkt, dann dem Vorsitzenden der europäisch-türkischen Parlamentskommission, Daniel Cohn-Bendit, ein Besuch der inhaftierten kurdischen Politikerin Leyla Zana verwehrt und am Freitag letzter Woche wurde CNN-Türk für einen Tag geschlossen, weil der Sender es gewagt hatte, in einer Talkshow die Frage zu stellen, ob Öcalan möglicherweise irgendwann zum kurdischen Nelson Mandela werden könnte. Jürgen Gottschlich |