Die Presse (Wien), 21.2.2000 Triumph der Reformer bei den Parlamentswahlen im Iran Drei Viertel der Stimmen hat die Reformbewegung nach eigenen Angaben auf sich vereinigt. Von unserem Mitarbeiter JAN KEETMAN TEHERAN. Schon die ersten Resultate der iranischen Parlamentswahlen lösten im Lager der Reformbewegung Jubel aus. Die hohe Wahlbeteiligung (75 Prozent), die dazu führte, daß das Innenministerium an Wahllokale im als pro-reformistisch eingeschätzten Norden Teherans rasch Wahlzettel nachliefern mußte, wurde als günstiges Zeichen für die Reformbewegung gewertet. Nach eigenen Angaben hat sie drei Viertel der Stimmen auf sich vereinigt. Doch es ist schwer, den Sieg der Reformer in Prozentzahlen auszudrücken, da nicht Parteien, sondern Personen gewählt wurden und die Auszählung am Sonntag noch nicht beendet war. Immerhin steht wohl fest, daß der Bruder des iranischen Präsidenten Mohammed Khatami, Mohammed-Reza Khatami, in Teheran die meisten Stimmen bekommen hat. Gescheitert ist hingegen der Versuch des ehemaligen Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsanjani, das einflußreiche Amt des Parlamentssprechers, das er schon einmal noch zu Zeiten Khomeinis inne hatte, erneut zu erlangen. Gestützt auf seine gemäßigte Reformpartei Kargozaran wollte er eine Mittlerrolle zwischen Konservativen und Reformern einnehmen. Nun liegt er weit abgeschlagen hinter Mohammed-Reza Khatami und muß sogar fürchten, erst im zweiten Wahlgang ins Parlament einziehen zu können. Der große Sieger in dem aus 18 Gruppen bestehenden Lager der Reformer ist die Khatami nahestehende "Front für Partizipation", kurz auch "Moscharekat" genannt. Außer durch ihre Nähe zu Khatami unterscheidet sich die "Moscharekat" von den andern Reformkräften auch dadurch, daß man von ihr die weitestgehenden Reformen erwartet. Alawi-Tabar, der Herausgeber der Zeitung "Sobh-e Emruz" (Heute Morgen), die zu den wichtigsten Presseorganen im Umfeld der Moscharekat-Front zählt, wertet das Wahlergebnis als Ausdruck neuer politischer Einstellungen. Das Volk hätte nach dem Triumph Mohammad Khatamis bei den Präsidentenwahlen 1997 an Selbstvertrauen gewonnen. Außerdem seien sie gegen Veränderungen durch Gewaltanwendung. Sie wollten ein "flexibles System", dessen Legitimität nicht auf Traditionen und auf Charisma, sondern auf Gesetzen und Wahlen beruht. Man könnte diese Aussage auch anders zusammenfassen, nämlich daß ein großer Teil, wenn nicht die Mehrheit der Wähler, eine andere Republik wollen. Doch das sagt Alawi-Tabar nicht, und man kann sich auch denken warum, wenn er an anderer Stelle den Reformern rät, sie sollten die Konservativen nicht in eine Position bringen, in der diese zu entscheiden hätten "wie zwischen Leben und Tod". |