Süddeutsche Zeitung, 22.2.2000

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IM PROFIL

Mohammed Resa Chatami Iranischer Reformer und Präsidentenbruder

Die Rechnung, dass die Familie in Iran normalerweise für Sicherheit und sogar für politische Solidarität steht, ist für die Reformer aufgegangen. Dies zeigt der Erfolg Mohammed Resa Chatamis, des jüngeren Bruders des Präsidenten, dem die Wähler von Teheran bei den Parlamentswahlen bei weitem die meisten Stimmen gaben. Der Präsident selber konnte nicht kandidieren: Also wählten Millionen einen Angehörigen, um deutlich zu sagen, dass sich an ihrer Haltung zu Chatami und seiner Politik nichts geändert hat.

Ein eigenes politisches Profil hatte der jüngere Chatami bis dahin kaum. Er war stellvertretender Gesundheitsminister in der Regierung seines Bruders und trat zurück, um in den Wahlkampf zu gehen. Verheiratet ist er mit einer Enkelin des Revolutionsführers Chomeini. Vor kurzem kaufte er sich ein luxuriöses Appartement in der Hauptstadt.

Mohammed Resa Chatami ist nominell Anführer der Islamischen Beteiligungsfront, der wichtigsten Formation in der Koalition des Präsidenten. Aber erst eine gute Woche vor der Wahl hatte die Front den jüngeren Chatami von Platz 13 der Teheraner Liste an die erste Stelle gehoben. Er ersetzte dort Mehdi Karrubi, einen islamischen Linken, der als Routinier des politischen Lebens die Jugend kaum mobilisiert hätte. Noch rechtzeitig begriffen die Strategen der Partei den besseren Klang des Namens Chatami. Karrubi wurde auf den 16. Listenplatz geschoben, hat jetzt aber Aussicht, Vorsitzender des Parlaments zu werden.

Von dem 37-jährigen Mohammed Resa Chatami, der von Beruf Arzt ist, gibt es nur wenige programmatische Äußerungen. Während der Kampagne hatte er gesagt, dass er für die Normalisierung der Beziehungen zu Washington ist, und sofort nach der Wahl äußerte er sich abermals in diesem Sinne. Generell macht er kein Geheimnis daraus, dass er von den Konservativen und ihrer Art, das Land zu regieren, keine besonders hohe Meinung hat. Die Konservativen wiederum gaben handgreiflich zu verstehen, dass sie den jüngeren Chatami geradezu verabscheuen. Eine seiner Wahlversammlungen mit 5000 Teilnehmern wurde in der Erdölprovinz Chusistan im Südwesten Irans von einer Menge organisierter Randalierer gesprengt. Chatami wurde mit Steinen beworfen und musste die Kundgebung abbrechen. Das Versammlungslokal wurde demoliert. Ein Begleiter Chatamis wurde verletzt.

Der Präsidentenbruder ist nicht der einzige Kandidat, bei dem Familienbande für die Wähler den Ausschlag gaben. Ali Resa Nuri, als Politiker völlig unbekannt, erhielt in Teheran die zweithöchste Stimmenzahl, weil auch sein Familienname für Reformqualität steht. Der ältere Bruder des Kandidaten, Abdallah Nuri, ehemaliger Innenminister Irans und als führender kritischer Theologe Herausgeber der Zeitung Chordad, hatte noch keinen Urlaub vom Gefängnis erhalten, als die Wähler vor den Stimmlokalen Schlange standen.

Dass Familienloyalität nicht alles ist, zeigt indessen Hadi Chamenei, der Bruder des geistlichen Führers Irans. Er ist ein konsequenter Gegner von dessen Herrschaft.

Rudolph Chimelli