taz Bremen, 26.2.2000 Polizei stürmt Lilienthaler Kirchenasyl 17-jähriger Kurde hatte Zuflucht im kirchlichen Jugendzentrum gefunden / Mit Polizeigewalt wurde er gestern gegen Protest des Pastors verhaftet und dann in Abschiebehaft genommen Gestern Morgen, 9.45 Uhr im kirchlichen Jugendzentrum Falkenberg. Einmal mehr frühstückt Hakki Y. gemeinsam mit UnterstützerInnen, die mit ihm in den kirchlichen Räumen übernachtet hatten. Im Lauf des Tages sei ein Gespräch mit der Osterholzer Polizei anberaumt, sagt Pastor Dieter Ducksch. Die kommt auch, aber nicht zum Gepräch. Die Beamten wollen den seit dem Vortag gültigen Haftbefehl vollstrecken. Hakki soll nach der Ablehnung seines Asylantrags so schnell wie möglich in die Türkei abgeschoben werden. Ducksch, dessen Gemeinde ihm Schutz gewährt, setzt trotz des Polizeiaufgebots immer noch auf das Wort. Während die Beamten draußen warten, will der Pastor Hakki überzeugen, sich zu stellen. Wenig später ist der Geistliche mit seinen Vermittlungsbemühungen gescheitert. Am Altar des Gruppenraums betet er kurz für seinen Schützling und kommt dann allein heraus. Das ist für die Polizisten das Signal zum Sturm. Ducksch verlangt Respekt vor dem "Sakralraum", in dem regelmäßig Andachten stattfinden, aber die Beamten drängen Presse und UnterstützerInnen zur Seite und dringen in den Raum ein. Hacki hat sich an eine Heizung gekettet, umringt von Freunden. "Keine Gewalt im kirchlichen Raum", ruft der Pastor - vergeblich. Hakki und seine Freunde werden zu Boden geworfen. Beamte knien sich auf sie. Einer wird geschlagen und mit dem Kopf auf den Boden gestoßen, ein Ohrring herausgerissen. "Die Gewalt geht von der Polizei aus", ruft Hausherr Ducksch ohnmächtig. Zwei Freunde von Hakki werden verhaftet und in Handschellen abtransportiert. Für Hakki ist offenbar auch das noch nicht genug: Als die Kette durchtrennt ist, legen ihn die Beamten in Handschellen und Fußfesseln. Alles spielt sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab: Die Polizei hat die Vorhänge zugezogen. Nur von der Rückseite des Gebäudes aus lässt sich die Szenerie beobachten. Schließlich wird der junge Kurde in ein Zivilfahrzeug gestoßen und ins Gefängnis nach Uelzen abtransportiert. Als die 20 Polizisten abrücken, macht sich Hoffnungslosigkeit breit. Kaum jemand glaubt, jetzt noch verhindern zu können, dass Hakki in ein Land abgeschoben wird, das er kaum kennt. Hakkis Freundin bricht in Tränen aus. Allmählich wächst die Unterstützerschar auf 40 Menschen an. Vom Kirchenvorstand mag sich niemand äußern. Pastor Ducksch stehen die Tränen in den Augen. Zu tief sitzt der Schock, dass kirchliche Räume gestürmt wurden. Im Innenministerium ist man überrascht. "Wir führen in kirchlichen Räumen keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch. Wenn es sich um einen Andachtsraum gehandelt hat, war der Zugriff eindeutig gegen die Absprachen," sagt der Leiter der Ausländerabteilung, Hans-Hermann Gutzmer. Die Lüneburger Bezirksregierung ist anderer Meinung: "Es handelt sich eindeutig nicht um einen Sakralraum. Ein Kreuz und ein paar Kerzen gibt es in vielen Räumen", sagt Abteilungsleiter Wilfried Holtmann. Die Hannoversche Landeskirche gibt ihm recht: "Nach unserer Auffassung war das kein Sakralraum. Wir gehen davon aus, dass dieser bedauerliche Einzelfall keine Konsequenzen für andere Kirchenasyle hat", sagt Pressesprecherin Gabriele Arndt-Sandrock. not Heute um 10 Uhr Protestkundgebung vor der JVA Uelzen
|