Kölnische Rundschau, 25.2.2000 Weilerswister kämpfen für die Badays - Pfarrer: "Aslygesetze werden Menschen nicht gerecht" Evangelische Gemeinde Weilerswist gibt kurdischer Familie Kirchenasyl Von Anno Knüttgen Weilerswist Der Kampf der Familie Baday um ihren Aufenthalt in Deutschland ist eine unendliche Geschichte. Schon 1991 floh die Familie vor der Verfolgung durch die türkischen Behörden nach Deutschland und lebt seitdem in Weilerswist. Als Asylberechtigte sind sie nie anerkannt worden, da es nach Auffassung der Gerichte nicht genügend Beweise dafür gebe, dass der Familie in der Türkei Verfolgung drohe. Jetzt wollte das Ausländeramt des Kreises endgültig die Abschiebung vollziehen. Am Dienstag um 8 Uhr klingelten die Mitarbeiter des Amtes an der Wohnungstür der Familie Baday. Nach dem Sohn Ali suchten sie an dessen Lehrstelle, einer Bäckerei in Weilerswist. Doch fündig wurden sie nicht: die evangelische Kirchengemeinde Weilerswist hatte der Familie inzwischen Kirchenasyl gewährt. "Es ist keinesfalls so, dass wir uns darum reißen, Kirchenasyl zu gewähren. Aber hier geht es darum, die Familie Baday vor einer besonderen Härte des Gesetzes zu bewahren", schildert Pfarrer Felix Doepner die Beweggründe der evangelischen Gemeinde. Einmütig hatte das Presbyterium bereits am vergangenen Freitag vorsorglich für die Gewährung des Kirchenasyls gestimmt. "Altfall-Regelung" wird angestrebt Nach einer Vereinbarung zwischen der evangelischen Kirche im Rheinland und dem Landesinnenministerium können die Behörden das Kirchenasyl respektieren, wenn damit ein konkretes Ziel verfolgt wird. Und ein Ziel hat sich das Presbyterium gesetzt: Sie will die Härtefallkommission beim Landesinnenministerium anrufen, um zu erreichen, dass die Badays doch noch eine Aufenthaltsgenehmigung nach der "Altfall-Regelung" bekommen. Rein juristisch gesehen hat die Familie Baday darauf keinen Anspruch. Dazu hätte sie bereits vor 1990 nach Deutschland einreisen oder aber noch ein minderjähriges Kind haben müssen. Sohn Ali ist aber inzwischen 19 Jahre alt. Wäre er elf Monate früher geboren worden, dürfte Familie Baday bleiben. "Wir wenden uns gegen diese buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes, denn sie wird den Menschen nicht gerecht", erklärt Pfarrer Doepner. Bei der für das Ausländeramt zuständigen Kreisverwaltung sieht man keinen Anlass, das Verfahren noch einmal aufzurollen. "Mehrere Gerichte haben den Asylantrag der Familie Baday bereits abschlägig beschieden. Auch die Härtefallkommission hat sich bereits einmal mit dem Fall befasst", teilte der Referent von Landrat Günter Rosenke, Hans Poth, auf Anfrage der Rundschau mit. Das war im November 1997, als eine Abschiebung wegen der angegriffenen Gesundheit von Elif Baday aufgeschoben wurde. Das Ausländeramt werde aber das Kirchenasyl respektieren und die erneute Entscheidung der Härtefallkommission abwarten, so Poth weiter. Unabhängig von dem, was Gerichte und Kommissionen sagen, fürchten viele Menschen in Weilerswist, dass den Badays in der Türkei politische Verfolgung droht. Viele spenden der Kirchengemeinde Geld, damit sie das Kirchenasyl finanzieren kann. Mittel aus der Kirchensteuer sollen dafür nämlich nicht angetastet werden. Unterstützung gibt es auch von Seiten der katholischen Gemeinde. Mehmet Baday ist katholisch. In seiner Heimat engagierte er sich im kurdischen Freiheitskampf. Er ist in türkischer Haft gefoltert worden. Auch seine Frau Eilif kam in der Türkei kurzzeitig ins Gefängnis. Psychologen bescheinigen ihr, seitdem an schweren Traumatisierungen zu leiden. Ali droht in der Türkei der Militärdienst. Kinder kurdischer Eltern erwarten dort schlimme Repressalien, argwöhnt Pfarrer Doepner. Doch mehr als verschiedene befristete Duldungen billigten die deutschen Behörden den Badays nicht zu. Lediglich den beiden Töchter der Familie gewährten sie Asyl. Weilerswist ist Alis Heimat Eines der Probleme: Mehmet Baday darf in Deutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht arbeiten. Im letzten Jahr musste er deshalb auf ein Arbeitsverhältnis verzichten. Doch ohne Arbeitsstelle hat er auch keinen Anspruch auf eine neuerliche Aufenthaltsgenehmigung. Mehmet Baday leistete stattdessen gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde Weilerswist. Dort wurde er sogar zum Vorarbeiter einer kleinen Kolonne. Seine Nachbarn schätzen ihn als hilfsbereit. "Ich würde gerne arbeiten", sagt er. Sein Sohn Ali steht drei Monate vor dem Abschluss seiner Bäckerlehre in der Weilerswister Bäckerei Zavelberg. Sein Lehrmeister bescheinigt ihm Topleistungen, sagt Ali einen sehr guten Abschluss voraus und will ihn als Gesellen übernehmen. Mit dem Lohn könnte Ali dann seine Eltern unabhängig von der Sozialhilfe versorgen. Doch solange die Abschiebung droht, können er und seine Eltern das evangelische Gemeindezentrum nicht verlassen. Ali kann seine Lehrstelle nicht aufsuchen. Über den Unterricht in der Berufsschule hält ihn ein Freund auf dem Laufenden. Vor allem für Ali ist Weilerswist längst zur Heimat geworden. Er spricht fließend deutsch, aber kaum noch türkisch. Bei den Fußballern des SSV Weilerswist spielt er in der ersten Mannschaft. Für seine Vereinskollegen war die angekündigte Abschiebung ein Schock. Sie sammeln inzwischen Unterschriften gegen die Entscheidung des Ausländeramtes. Die letzten Hoffnungen der Badays richten sich darauf, dass die Härtefallkommission zu ihren Gunsten entscheidet. Für die Familie sind es bange Tage des Wartens. Ständig denke er daran, was seine Familie in der Türkei erwarten könne, sagt Mehmet Baday. Gestern erst hat er in einer kurdischen Zeitung vom Fall eines jungen Kurden gelesen, den die Behörden aus Dresden in die Türkei abgeschoben hatten. In der Armee hatte man ihn misshandelt, schließlich erschoss er sich mit dem Dienstgewehr. Der junge Mann war so alt wie Ali.
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