Tagesspiegel, 28.2.2000 Menschenrechtslage in der Türkei Wer sich in der für Gefolterte einsetzt, ist selbst in Gefahr - Engagierte Ärzte vor Gericht Claudia Von Salzen Polizisten einer Anti-Terror-Einheit stürmten am 19. Oktober vergangenen Jahres die Praxis des Frauenarztes Zeki Uzun in Izmir und verhafteten den Arzt. Während der folgenden Verhöre wurde er physisch und psychisch gefoltert, wie ein dem Tagesspiegel in Auszügen vorliegendes medizinisches Gutachten bestätigt. Am Donnerstag musste Uzun sich erneut vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, eine "illegale Organisation" unterstützt zu haben, indem er zwei Patientinnen behandelte. "Dr. Zeki Uzun ist nur deshalb gefoltert worden, weil er sich seinem ärztlichen Eid gemäß verhalten hat", bilanziert die Türkische Menschenrechtsstiftung. Bevor Uzun selbst der Folter zum Opfer fiel, hatte er jahrelang im Auftrag der Stiftung gefolterte Frauen behandelt. Amnesty international, die Friedensorganisation IPPNW und die Ärztekammer Berlin äußern sich besorgt über eine "Serie von Prozessen" gegen Ärzte, die "als Mitarbeiter der Türkischen Menschenrechtsstiftung Folter medizinisch dokumentieren und Folterüberlebende behandeln". Der Psychiater Dr. Alp Ayan, der im Behandlungszentrum der Türkischen Menschenrechtsstiftung in Izmir Folteropfer betreut, wurde im September 1999 inhaftiert, als er an der Beerdigung eines Häftlings teilnehmen wollte, der im Zentralgefängnis von Ankara getötet worden war. Dem Arzt wird vorgeworfen, sich einer Anweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung widersetzt zu haben. Weil der Orthopäde und Traumatologe Veli Lök, der als Experte für den Nachweis von Folterspuren gilt, das Vorgehen gegen Dr. Ayan in einem Zeitungsartikel kritisiert hatte, muss auch er sich vor Gericht verantworten. "Durch die Prozesse soll verhindert werden, dass die Ärzte weiterhin Folterungen aufdecken", sagt Angelika Claußen, Vorstandsvorsitzende der IPPNW. Zum Schutz der angeklagten Ärzte schicken IPPNW, amnesty und die Ärztekammer Berlin Prozessbeobachter in die Türkei. Und sie fordern die Bundesregierung auf, der Türkei unmissverständlich klarzumachen, dass sie nur dann in die EU aufgenommen werden kann, "wenn sie die Folterungen beendet, statt ihren Zorn gegen diejenigen zu richten, die deren Vorkommen beweisen und die Opfer behandeln".
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