Stuttgarter Zeitung, 29.2.2000 Bürgermeister wieder frei Türkisches Gericht stellt Verfahren aber nicht ein ISTANBUL. Die Verhaftung von drei Bürgermeistern der pro-kurdischen Hadep-Partei in der Türkei hat für internationale Proteste gesorgt. Nun sind sie von einem Gericht wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Von Jan Keetman Die Anwälte der drei Kommunalpolitiker sagten, das Staatssicherheitsgericht in der südostanatolischen Provinzhauptstadt Diyarbakir habe einer Haftbeschwerde der Verteidigung stattgegeben. Die Richter entschieden demnach, dass bei den Bürgermeistern weder Flucht- noch Verdunklungsgefahr vorliege. Das eigentliche Verfahren gegen die Bürgermeister wegen Unterstützung der PKK geht unabhängig davon weiter. Auch die Entscheidung des Innenministeriums, die Politiker ihres Amtes zu entheben, bleibt davon unberührt. Vergangene Woche hatte Innenminister Saadettin Tantan die Bürgermeister bis zur Klärung der Vorwürfe ihrer Ämter enthoben. Die Festnahme der drei Bürgermeister war im In- und Ausland auf harsche Kritik gestoßen. Der Führer der an der Regierungskoalition beteiligten Mutterlandspartei (ANAP) und ehemalige Ministerpräsident Mesut Yilmaz hatte die Festnahmen insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zur Europäischen Union als ¸¸unglücklich'' bezeichnet. Kritik kam auch von verschiedenen Oppositionsparteien, in einigen Städten kam es zu Demonstrationen gegen die Festnahmen. Auch verschiedene europäische Regierungen hatten gegen die Festnahmen protestiert. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer telefonierte mit seinem türkischen Kollegen, Ismail Cem, der jedoch auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz verwies. Nach Meinung der Anwälte der betroffenen Bürgermeister gibt es nicht nur für die Verhängung der Untersuchungshaft, sondern für das ganze Verfahren keine ausreichende Grundlage. Demnach besteht der Kern der Beweise gegen die Bürgermeister lediglich aus einer sehr vagen Aussage eines PKK-Dissidenten.
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