junge Welt, 3.3.2000 Kirchenasyl verletzt Beamte können auch schnell sein - Abschiebung innerhalb weniger Stunden durchgeboxt Am Donnerstag morgen um 11.30 Uhr ist der 17jährige Kurde Hakki Yildirim vom Flughafen Hannover aus in die Türkei abgeschoben worden. Der Fall des Jungen hatte in den letzten Tagen große Aufmerksamkeit erregt. In der Nacht zum Donnerstag hatte der Anwalt des Jugendlichen einen Asylfolgeantrag an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg gestellt, welcher innerhalb weniger Stunden abgelehnt wurde. Um eine drohende Abschiebung doch noch verhindern zu können, hatten Freunde des Jungen die SPD-Zentrale in Bremen besetzt und erreicht, daß sich die Bremer Landes- SPD in einem Brief an das niedersächsische Innenministerium gegen Yildirims Abschiebung aussprach. Allerdings ohne Erfolg. Ministeriumssprecher Michael Knaps betonte in einem Gespräch mit junge Welt, daß das Innenministerium selbst keinen Einfluß gehabt habe. Die Entscheidung über den Verbleib oder die Abschiebung eines Flüchtlings obliege allein der zuständigen Behörde. Nach Angaben des internationalen Menschenrechtsvereins Bremen könnte Hakki in der Türkei womöglich U-Haft und ein Verhör erwarten. Des weiteren sei damit zu rechnen, daß er später von der türkischen Armee eingezogen würde. Nachdem die Ausländerbehörde in Niedersachsen Anfang Februar die Abschiebung Hakkis beantragt hatte, gewährte ihm ein evangelischer Pfarrer in Lilienthal, dem Wohnort des Jungen, sogenanntes »Kirchenasyl«. Auf Drängen des zuständigen Leiters der Ausländerbehörde, Jürgen Lodemann, wurde die Kirche am 25. Februar von einem Polizeiaufgebot gestürmt, der Junge festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Uelzen gebracht. In einem Schreiben des Innenministeriums wird zwar eingeräumt, daß man in der Vergangenheit des öfteren darauf verzichtet habe, in sogenannte »sakrale« Räume der Kirche ohne deren Willen einzudringen, doch wären kirchliche Räume »auf keinen Fall exterritorial und nicht von der staatlichen Rechtsordnung ausgenommen.« Es zähle immer noch das staatliche Ausländerrecht; Kirchen seien nicht befugt, Asyl zu gewähren. Yildirims Abschiebung wurde unter anderem mit seinen angeblichen kriminellen Handlungen begründet. Lokale Zeitungen hatten behauptet, der 17jährige wäre bereits wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Raub vorbestraft. Nach Angaben von Unterstützern hatte er jedoch lediglich eine Verwarnung wegen Ladendiebstahls erhalten. Diese Informationen hätten nach dem deutschen Jugendschutzgesetz, welches übrigens auch für Ausländer gilt, von den Behörden nicht an die Presse weitergeleitet werden dürfen. Nach Angaben des Internationalen Menschenrechtsvereins wird voraussichtlich noch am Freitag einer seiner Vertreter und ein Mitglied der Kirchengemeinde, die sich für Hakki einsetzt, in die Türkei fliegen, um für den Schutz des kurdischen Jungen Sorge zu tragen. Claudia Wondratschke |