Tagesspiegel, 4.3.2000 Fischers Iranreise Joschka Fischer muss sich bei seinem Besuch in Teheran auch mit den Themen Menschenrechte und Terrorismus auseinandersetzen Rüdiger Scheidges Die Erwartungen im Auswärtigen Amt sind gedämpft, wenngleich die elegante Lösung des Falles Hofer der Fischer-Administration und dem Kanzleramt gute Noten im Umgang mit der Affäre beschert haben. Wenn am kommenden Montag Außenminister Joschka Fischer mit einer kleinen Delegation nach Teheran aufbricht, so ist er bestens darüber unterrichtet, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) über sichere Erkenntnisse darüber verfügt, dass von Iran die größte Bedrohung durch Massenvernichtungsmittel, Trägerraketen und atomare Waffenprojekte ausgeht. Damit nicht genug der diplomatischen Fallstricke für die Fischer-Mission, die das Außenamt Wochen vor Ausgang der jüngsten Wahlen in Iran festklopfte. Die Menschenrechtssituation in Iran, so wurde Fischer ausgiebig informiert, ist so schlecht wie vor Jahren. Oppositionelle, Studenten und Künstler schmachten weiterhin in Gefängniszellen und müssen auf Hinrichtungen warten. Kaum besser ergeht es den jüdischen Gefangenen des Regimes, die unter fadenscheinigen Vorwürfen seit Monaten festgehalten werden. Internationaler Druck Israels und der USA, also des "kleinen und des großen Satans", wie Iran seinen Hass gegen die beiden Staaten artikuliert, war bislang vergebens. Fischer ist sich sicher, dass Washington und Tel Aviv seine Reise genauestens verfolgen werden. Zu guter Letzt haben europäische wie amerikanische Geheimdienste jüngst wieder nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Iran nicht nur weiter der Terrorexporteur Nummer Eins ist, sondern als der Störenfried schlechthin in Libanon und ganz Nahost gilt. In Kenntnis der BND-Studie nannte Verteidigungsminister Scharping vor wenigen Tagen Iran einen "fanatischen und terroristischen Staat". Das Kalkül Fischers ist ein sowohl schlichtes als auch kompliziertes. Obwohl gerade in Iran der Islam bis zum tödlichen Fanatismus politisiert und instrumentalisiert wird, gilt die Islamische Republik in der Region, insbesondere in Hinblick auf seine mäßigende Wirkung auf Afghanistan und die KaukasusRegion, als Stabilitätsfaktor. Da die Bundesregierung die Region als die weltweit gefährlichste ansieht, will sie zu Iran stabile Kontakte aufbauen. Die Bundesregierung weiß, dass Fischers Visite von Teheran instrumentalisiert werden wird. Dass ausgerechnet der erwiesene und - wie man in Iran denkt - "radikale" Verfechter der Menschenrechte, der Grüne Fischer, Präsident Chatami so schnell seine Huldigung darbringt, erkennt das Regime als Nobilitierung gerade auf dem Feld der Menschenrechte. Auch über die Hebung des Prestiges hinaus sind die Erwartungen in Teheran generell "außerordentlich hoch", wie es im Umkreis Fischers heißt. Vor allem wirtschaftlich erhofft sich der völlig bankrotte Iran eine engere Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik und wies entsprechend die Emissäre des Auswärtigen Ausschusses eindringlich auf die Tatsache hin, dass Iran über die weltweit größten Ölreserven verfüge. Zwar vergisst Iran dabei stets zu erwähnen, dass die schlechte Qualität die Iraner geradezu nach westlichem Knowhow lechzen lässt. Aber die Deutschen haben den Machthabern in Iran signalisiert, die Erwartungen dürften nicht ins Kraut schiessen. Trotzdem fliegt eine erwartungsfrohe Delegation von Vertretern der Wirtschaft mit zu den Treffen mit Präsident Chatami, Außenminister Charassi und Parlamentspräsident Nuri. Während das Urteil im Mykonos-Prozess für die Abkühlung der Beziehungen zu Iran ausschlaggebend war, hat Iran bei den jüngsten vorbereitenden Gesprächen nach Angaben Fischers keinerlei Avancen mehr gemacht, den Chefterroristen des Mykonos Attentats, Kazem Darabi, als Verhandlungsmasse weiter auszureizen. Was die Bundesregierung stets zu verneinen suchte, unterliegt jetzt keinerlei diplomatischem Code mehr: Iran hatte Hofer aus Rache für das Mykonos-Urteil regelrecht gekidnappt. Iran, so ist sich das Auswärtige Amt gewiss, zeige nun kein Interesse mehr daran, seinen Bürger Darabi vorzeitig aus der lebenslänglichen Haft in Berlin loszueisen.
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