Holsteinischer Courier, 4.3.2000 Prozess geht in eine neue Runde Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat gestern vor dem Kieler Landgericht die Neuauflage des Prozesses gegen einen Türken begonnen, der am 3. September 1995 auf dem Großflecken einen 28-jährigen Kurden erschossen und zwei weitere schwer verletzt haben soll. Der damals 19-jährige Schütze Selim P. aus Neumünster war im Juni 1996 von der Jugendstrafkammer des Landgerichts vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen und wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Das Urteil hatte der Bundesgerichtshof auf Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger aufgehoben und den Fall zur Neuverhandlung an das Landgericht Kiel verwiesen. Nach den Feststellungen der Kieler Richter im ersten Prozess war der blutigen Auseinandersetzung ein Streit zwischen dem Angeklagten und zwei seiner Opfer vorausgegangen. Dabei soll einer der beiden Kurden vor dem Imbiss "Kochlöffel" am Großflecken mit einem Beil in der Hand auf den Angeklagten zugegangen sein, der sofort drei Schüsse abfeuerte. Während eines der Projektile den Angreifer in den Unterleib und eine weitere Kugel dessen Begleiter in den Bauch traf, verletzte das dritte Geschoss den unbeteiligten Kurden Seyfetin Kalan tödlich. Der Fall hatte kurze Zeit später zur bislang größten Kurden-Demonstration in der Geschichte von Neumünster geführt. Während des ersten Prozesses in Kiel im Frühjahr 1996 gegen den Todesschützen, der sich bis heute auf Notwehr beruft, war es während einer Verhandlungspause zu einer Massenschlägerei zwischen rund 30 Türken und Kurden im Landgerichtsgebäude gekommen. Dabei hatte es drei Verletzte gegeben. Die Aufhebung des damaligen Urteils der Kieler Richter begründete der Bundesgerichtshof unter anderem damit, dass die Richter damals nicht berücksichtigt hätten, dass nur einer der drei Kurden bewaffnet war. Der Staatsanwalt hatte im damaligen Prozess auf Totschlag plädiert und eine vierjährige Gefängnisstrafe für den Schützen beantragt. Für die neue Beweisaufnahme in dem Prozess hat die Neunte Strafkammer des Landgerichts sechs Verhandlungstage anberaumt.(lno/san)
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